Sonntag, 22. Dezember 2024
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Gesundheitspolitik

Pränataldiagnostik: Werdende Eltern sollen eine informierte Entscheidung treffen können

Pränataldiagnostik: Werdende Eltern sollen eine informierte Entscheidung treffen können
© Gajus – stock.adobe.com
Pränataldiagnostische Untersuchungen liefern lange vor der Geburt Informationen über mögliche Anomalien, erblich bedingte Erkrankungen und Fehlbildungen des Fötus. Die Verfahren haben aber nicht nur einen Nutzen, sondern bergen auch Risiken in sich. Das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) hat nun in einem Bericht die Regelung und Finanzierung dieser Untersuchungen in 6 europäischen Ländern analysiert. Ein Kernergebnis der Studie lautet: Es braucht professionelle Beratung, damit die werdenden Eltern eine informierte Entscheidung darüber treffen können, ob und welche Untersuchungen sie in Anspruch nehmen wollen.
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Der Blick auf das ungeborene Leben ist mehr als nur „Baby-Kino“. Mit Hilfe der Pränataldiagnostik sollen vor der Geburt des Kindes Anomalien, Erkrankungen und Fehlbildungen entdeckt werden. „Der Begriff ist allerdings missverständlich, denn zur Pränataldiagnostik werden auch Screeningverfahren gezählt, die keine klaren Diagnosen ermöglichen“, sagt Inanna Reinsperger vom AIHTA, die nun in einem vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz initiierten Bericht die Handhabung und Finanzierung der unterschiedlichen Untersuchungen in sechs europäischen Ländern analysiert hat.

So liefern etwa das First-Trimester-Screening (FTS) bzw. der Combined Test (CT), bei dem eine Nackenfaltenmessung des Fötus via Ultraschall und eine Blutuntersuchung der werdenden Mutter durchgeführt werden, nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit für Chromosomenanomalien wie Trisomie 21 (Down-Syndrom), Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) und Trisomie 13 (Pätau-Syndrom). „Das heißt, es können auch falsch-positive Ergebnisse vorliegen. Diese Unsicherheit kann nur durch eine anschließende invasive Untersuchung beseitigt werden – allerdings erhöht sich damit auch das Risiko einer Fehlgeburt“, erklärt Reinsperger. FTS/CT werden dem AIHTA-Bericht zufolge in drei der sechs untersuchten Länder, konkret in der Schweiz, Großbritannien und Italien, allen Schwangeren angeboten und öffentlich finanziert. In Deutschland muss das Screening komplett privat bezahlt werden.

Die Niederlande und Norwegen gehen einen anderen Weg und haben das FTS/CT durch den sogenannten „nichtinvasiven Pränataltest“ (NIPT) ersetzt. Dabei werden aus einer Blutprobe der Schwangeren die im Blut nachweisbaren freien fetalen DNA-Bestandteile der Chromosomen 13, 18, und 21 gezählt. „Dieser Test ist durch seine höhere Spezifität und Sensitivität zwar deutlich genauer als das First-Trimester-Screening, das Risiko falsch-positiver und falsch-negativer Ergebnisse kann aber auch er nicht gänzlich ausschließen“, betont Studienleiterin Reinsperger.

Von den untersuchten Nationen wird nur in den Niederlanden der NIPT derzeit allen Frauen als erster Screeningtest angeboten. „Frauen können den Test mit einer Selbstbeteiligung von 175 Euro im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie in Anspruch nehmen. Für Schwangere mit erhöhtem Risiko (Alter über 35, erbliches Risiko oder auffälliger Ultraschallbefund) wird der NIPT zur Gänze öffentlich finanziert“, heißt es im AIHTA-Bericht. In der Schweiz, in Großbritannien und Norwegen wird der NIPT Frauen mit erhöhtem Risiko (z.B. aufgrund eines auffälligen Ergebnisses beim FTS/CT) angeboten und von der Krankenkasse übernommen.

In Deutschland hat die kürzlich getroffene Entscheidung, den NIPT in bestimmten Fällen als Kassenleistung einzuführen, eine große Debatte ausgelöst. Wesentlicher Kritikpunkt ist etwa, dass der NIPT keinen medizinischen Nutzen in dem Sinn hat, dass er weder die Gesundheit der Schwangeren noch die des ungeborenen Kindes erhält, wiederherstellt oder verbessert, und daher eigentlich nicht die Kriterien für eine Aufnahme in den kassenärztlichen Leistungskatalog erfüllt.

Diagnostische Verfahren einheitlicher geregelt

Während Finanzierung und Regelung der reinen Screeningverfahren in den 6 Ländern sehr unterschiedlich gehandhabt werden, waren beim Ultraschallscreening auf fetale Anomalien im zweiten Trimester, umgangssprachlich auch als „Organscreening“ bekannt, und den invasiven Diagnoseverfahren weitgehende Übereinstimmungen festzustellen. Das Ultraschallscreening auf fetale Anomalien wird in den für die Analyse untersuchten Ländern allen schwangeren Frauen angeboten und meist öffentlich finanziert. Nur in Deutschland brauchen Schwangere eine Überweisung aufgrund erhöhten Risikos, damit eine Kostenübernahme durch die Krankenversicherung erfolgt.
Invasive Tests wie die Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) oder die Entnahme von Gewebe aus der Plazenta (Chorionzottenbiopsie) werden in allen sechs Ländern ausschließlich Schwangeren mit Risikofaktoren (auffällige Ultraschallbefunde oder FTS oder NIPT, die ein hohes Risiko für eine Chromosomenanomalie anzeigen) angeboten. In diesen Fällen werden die Kosten von der öffentlichen Hand übernommen.

Eine informierte Entscheidung auf Basis professioneller Beratung treffen

Einen zentralen Stellenwert sieht Reinsperger in der professionellen Beratung: „Es geht nicht darum, ein Untersuchungsverfahren als besser oder wichtiger darzustellen, sondern darum, dass die Schwangeren eine informierte, evidenzbasierte Entscheidung darüber treffen können, ob und welche Untersuchungen sie durchführen lassen wollen oder nicht“. Die werdenden Eltern sollen auf Basis dieser Beratung auch fähig sein, Testergebnisse richtig einzuschätzen. Beispielsweise liegt die Wahrscheinlichkeit, dass eine 40-jährige schwangere Frau, die ein Hochrisiko-NIPT-Ergebnis für Trisomie 21 erhält, tatsächlich ein Kind mit Down-Syndrom zur Welt bringt, bei 93%. Im Vergleich dazu beträgt die Wahrscheinlichkeit bei einer 25-jährigen Frau aufgrund des unterschiedlichen Basisrisikos nur 51%. „Dies muss berücksichtigt werden, wenn entschieden wird, welchen schwangeren Frauen der Test angeboten wird“ heißt es im AIHTA-Bericht. Reinsperger ergänzt dazu: „Es ist wichtig, sich vorher zu überlegen, welche Konsequenzen ein Testergebnis für einen persönlich hat. Deshalb muss den Frauen bzw. werdenden Eltern bei der Beratung auch erklärt werden, was diese Wahrscheinlichkeiten bedeuten.“

Die Analyse zeigte, dass in allen 6 ausgewählten Ländern Beratungen im Zusammenhang mit pränatalen Screenings und diagnostischen Untersuchungen angeboten werden. Die Aufklärung über Nutzen und Risiken der Tests wird aber unterschiedlich gehandhabt. In Großbritannien und den Niederlanden ist sie expliziter Teil des Screeningprogramms und wird meist durch zertifizierte Hebammen zu Beginn der Schwangerschaft durchgeführt. Zur Qualitätssicherung müssen sie eine Mindestanzahl an Beratungen pro Jahr durchführen und kontinuierlich Fortbildungen machen. In Deutschland und der Schweiz führen hingegen in erster Linie Gynäkolog:innen die Beratungen zur Pränataldiagnostik durch. In Deutschland wird Schwangeren zum NIPT eine Versicherteninformation durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) angeboten.

Quelle: Austrian Institute for Health Technology Assessment GmbH


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