Höchststand bei psychischen Leiden
Grund für den hohen Krankenstand sind zum einen bundesländerübergreifend psychische Leiden. Die Fehlzeiten wegen Diagnosen wie etwa Anpassungsstörungen, Depressionen und chronischer Erschöpfung sind 2024 im Vergleich zum Vorjahr noch einmal gestiegen: von deutschlandweit 387 Tagen pro 100 Mitglieder auf 392 Tage. Das ist der höchste Stand seit Beginn der KKH-Erhebung im Jahr 2017. Seinerzeit waren es 298 Tage. Auch die Fehlzeiten wegen Muskel-Skelett-Erkrankungen wie Rückenschmerzen und Bandscheibenvorfälle bewegen sich mit 466 Tagen pro 100 Erwerbstätige weiterhin auf einem Rekordniveau (2023: 464 Tage).
Ein weiterer Grund für das bundesländerübergreifende Fehlzeitenhoch ist die Einführung der elektronischen Krankschreibung (eAU) und damit die automatische Weiterleitung aller Krankmeldungen an die Krankenkassen. Diese hat sich vor allem bei Kurzzeit-Attesten im Zuge von Atemwegsinfekten bemerkbar gemacht, die Versicherte zuvor nicht immer eingereicht hatten. So schnellten die Fehlzeiten wegen Erkältungen und grippaler Infekte von 179 Tagen im Jahr 2021 auf aktuell 447 Tage nach oben. Bei psychischen Erkrankungen dürfte dieser Effekt wiederum kaum zum Tragen kommen, da Depressionen & Co. langwierige Erkrankungen sind, die häufig in einen Krankengeldfall münden und deshalb in den meisten Fällen auch schon vor Einführung der eAU erfasst wurden. „Umso wichtiger ist es, dass sich Arbeitgeber stärker mit psychischen Erkrankungen auseinandersetzen und transparent kommunizieren, wie sie betroffene Mitarbeitende unterstützen“, rät KKH-Arbeitspsychologin Antje Judick mit Blick auf den erneuten Anstieg von Fehltagen.
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Erschienen am 09.01.2025 • Metastudie: Therapeutische Interventionen schon bei ersten Vorzeichen einer Depression schützen vor depressiven Störungen → Mehr dazu hier!
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Prävention statt Karenztag
Indes lösen Vorschläge von Unternehmern und Ökonomen zur Eindämmung des hohen Krankenstandes immer wieder heftige Diskussionen in der Öffentlichkeit aus, wie aktuell eine Absenkung der Lohnfortzahlung gleich zu Beginn eines Krankheitsfalls oder die Wiedereinführung des Karenztages. Derartige Regelungen könnten dazu führen, dass Berufstätige aus Sorge vor finanziellen Nachteilen ihrem Job auch im Krankheitsfall nachgehen. Antje Judick rät dringend vom sogenannten Präsentismus ab – egal, aus welchen Gründen: „Wer krank arbeitet, gefährdet nicht nur die Kolleg:innen, sondern auch die eigene Gesundheit, indem er andere ansteckt, Erkrankungen verschleppt und am Ende viel länger im Job ausfällt.“ Auch die zunehmende Misstrauenskultur in Unternehmen, etwa mit Blick auf die immer wieder diskutierte mögliche Ausnutzung der telefonischen Krankschreibung, kann sich auf die Gesundheit auswirken: Sie löse bei Arbeitnehmer*innen ein Gefühl mangelnden Vertrauens aus, was wiederum Motivation und Psyche negativ beeinflussen könne, erläutert Judick. Dabei sei eine vertrauensbasierte, wertschätzende Unternehmenskultur der Schlüssel zu zufriedenen und gesunden Mitarbeitern.
Die Expertin rät Unternehmen darüber hinaus, noch stärker auf Prävention zu setzen, um hohe Krankenstände einzudämmen. Mit Blick auf Infektionskrankheiten müssten sich Beschäftigte weiter schützen und am Arbeitsplatz geschützt werden, etwa durch Hygieneregeln und Schutzimpfungen. Mit Ende der Corona-Pandemie seien Vorgaben wie etwa zum gründlichen Händewaschen häufig in Vergessenheit geraten. Auch mit Blick auf die Impfquote beim Grippeschutz gibt es noch Nachholbedarf. Laut KKH-Daten lag diese in der vergangenen Saison 2023/2024 bei nur 16,7%.