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Umfrage: Ärzt:innen unsicher, ob sie fehlerhafte Diagnosen gestellt haben

Umfrage: Ärzt:innen unsicher, ob sie fehlerhafte Diagnosen gestellt haben
© Andrey Popov – stock.adobe.com
Mehr als die Hälfte (55%) der niedergelassenen Allgemeinmediziner:innen und Internist:innen ist sich nicht sicher, ob sie in der Vergangenheit bereits eine fehlerhafte Diagnose aufgrund geschlechtsspezifischer Unterschiede gestellt hat. Eine Mehrheit von 78% der Deutschen glaubt hingegen nicht, dass ihnen das bereits widerfahren ist. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Befragung im Auftrag von AXA, in der 2 repräsentative Umfragen der Meinungsforschungsinstitute YouGov und DocCheck Insights unter niedergelassenen Allgemeinmediziner:innen und Internist:innen sowie der Gesamtbevölkerung gegenübergestellt wurden. Gleichzeitig sind 4% der Deutschen davon überzeugt, dass sie bereits eine falsche Diagnose aufgrund ihres Geschlechts erhalten haben. 5% der Hausärzt:innen sagen, dass sie bereits Patient:innen behandelt haben, die zuvor in einer anderen Praxis eine falsche Diagnose aufgrund ihres Geschlechts erhalten haben. Immerhin 4% der befragten Mediziner:innen sagen, dass sie in der Vergangenheit bereits selbst eine fehlerhafte Diagnose gestellt haben.
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„Gender Health Gap“ führt zu fehlerhaften Diagnosen

Die Medizin und Gesundheitsforschung haben sich lange primär an männlichen Patienten orientiert. Bis heute fehlt es oft an einer differenzierten Betrachtung zwischen den Geschlechtern. Die daraus folgende Gleichbehandlung aller Menschen kann jedoch gravierende Folgen haben: Die vorhandenen Unterschiede der Geschlechter haben einen großen Einfluss auf die Entstehung und den Verlauf von Erkrankungen, die Symptome, die optimale Dosierung von Medikamenten und die richtige Art der Behandlung. Vor allem Frauen erleben Benachteiligung aufgrund des sogenannten „Gender Health Gap“, also der fehlenden geschlechtsspezifischen medizinischen Forschung, Lehre und Gesundheitsversorgung. Auch bei Männern kann das „Gender Health Gap“ zu fehlerhaften Diagnosen und Behandlungen führen – insbesondere bei Krankheitsbildern, die als eher typisch für Frauen bezeichnet werden. 96% der Hausärzt:innen stimmen der Aussage zu, dass das Geschlecht bei der Behandlung eine Rolle spielt. In der Gesamtbevölkerung ist das Bewusstsein dafür deutlich geringer: Hier glauben nur 49%, dass das Geschlecht ein relevanter Faktor ist. Rund jede:r 4. Deutsche (26%) hat schon einmal vom Begriff des „Gender Health Gap“ gehört.
 
 

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Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigste Todesursache von Frauen – Nicht alle wissen über die Symptome Bescheid

Die typischen Symptome des als Männerkrankheit geltenden Herzinfarkts werden häufig mit Brust- und Armschmerzen beschrieben. Die Symptome von Frauen sind hingegen deutlich uneindeutiger als die von Männern. Patientinnen leiden häufig auch unter Symptomen wie Atemnot, Rückenschmerzen oder Übelkeit. Deshalb wird der Herzinfarkt bei Frauen häufig zu spät erkannt – von den behandelnden Ärzt:innen, aber auch den Patientinnen selbst. Dabei ist es wichtig, dass möglichst viele Menschen über die Unterschiede Bescheid wissen, denn in Deutschland sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigste Todesursache von Frauen (1).

Stereotype Rollenzuschreibungen beeinflussen die Diagnosestellung 

Knapp 3 Viertel der befragten Mediziner:innen (73%) sagen, dass das Geschlecht bei der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie einem Herzinfarkt eine Rolle spielt. Innerhalb der Gesamtbevölkerung stimmen dagegen lediglich 21% dieser Aussage zu. Männer (19%) und Frauen (22%) unterscheiden sich kaum in ihrer Beurteilung. Ähnliche Unterschiede gibt es etwa bei der Einschätzung psychischer Erkrankungen wie Depressionen: Während 3 Viertel der Hausärzt:innen (75%) sagen, dass das Geschlecht hier ein relevanter Faktor ist, sieht das unter allen Deutschen lediglich jede:r 5. (20%) so.
Frauen erhalten etwa doppelt so häufig die Diagnose Depression wie Männer. Studien deuten jedoch darauf hin, dass dieser Unterschied nicht nur auf unterschiedliche Symptome zwischen den Geschlechtern zurückzuführen ist, sondern auch aufgrund stereotyper Rollenzuschreibungen zwischen den Geschlechtern zustande kommt (2). Nach wie vor begehen Männer deutlich häufiger Suizid als Frauen (3).

Zusätzlichen Kosten für das Gesundheitssystem durch Gender Health Gap

„Das Gender Health Gap und seine Folgen stellen eine reale Gesundheitsgefahr dar – vor allem für Frauen. Für uns als Private Krankenversicherung ist das ein inakzeptabler Zustand. Mit unserer Befragung wollen wir deshalb Aufmerksamkeit auf diesen Missstand lenken und gleichzeitig einen Beitrag dazu leisten, dass sowohl Pharmaunternehmen und Ärzt:innen als auch Patient:innen ihr Bewusstsein dafür schärfen. Fehlerhafte Diagnosen und Behandlungen aufgrund des Geschlechts sind nicht nur eine Belastung für individuelle Patient:innen, sondern führen auch zu zusätzlichen Kosten für das gesamte Gesundheitssystem“, so Thilo Schumacher, CEO AXA Deutschland.
 
 

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Verschreibung und Vergabe von Medikamenten geschlechtsunabhängig

20% der niedergelassenen Allgemeinmediziner:innen und Internist:innen geben außerdem an, dass sie bei der Verschreibung und Vergabe von Medikamenten nie geschlechtsabhängig entscheiden. Fast 3 Viertel (73%) sagen, dass sie das manchmal, aber nur bei bestimmten Krankheitsbildern oder Medikamenten tun. Lediglich 6% sagen, dass sie immer oder fast immer das Geschlecht bei der Medikation berücksichtigen.

Geschlechtsspezifisches medizinisches Wissen: Alter der Ärzt:innen spielt eine Rolle

Mehr als ein Drittel der befragten Ärzt:innen (37%) sagt, dass ihnen während des Studiums oder der praktischen Ausbildung keinerlei geschlechtsspezifisches medizinisches Wissen – etwa zu unterschiedlichen Krankheitssymptomen oder Medikationen – vermittelt wurde. Das Alter der Ärzt:innen spielt offenbar ein Rolle dabei, ob sie darin ausgebildet wurden: Während 42% der über 60-jährigen befragten Mediziner:innen sagen, dass sie keinerlei Wissen dazu vermittelt bekommen haben, sind es bei den unter 45-Jährigen Befragten mit 19% weniger als halb so viele.

Geschlechtsspezifische Unterschiede in der medizinischen Ausbildung sollten künftig mehr berücksichtigt werden

„Die Gründe für das Gender Health Gap sind vielfältig. Die männliche Anatomie dominiert bis heute die Lernmaterialen von Medizinstudierenden und zahlreiche Krankheiten werden noch immer häufig anhand typisch männlicher Symptome gelehrt. Wir fordern deshalb die systematische Integration von geschlechtsspezifischen Inhalten in das Curriculum aller Studierenden“, so Carl Stichweh, Medizinstudierender und Leiter des Projekts „Geschlecht in der Medizin“ in der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland.
Mehr als die Hälfte der Deutschen (52%) wünscht sich, dass geschlechtsspezifische Unterschiede in der medizinischen Ausbildung zukünftig mehr berücksichtig werden. Knapp ein Drittel (31%) sagt außerdem, dass unser Gesundheitssystem zu viel Fokus auf die männliche Perspektive und Symptomatik legt. 37% halten das „Gender Health Gap“ hingegen für eine Modeerscheinung, das in Medizin und Forschung keine weitere Beachtung finden sollte. Männer (42%) sagen das häufiger als Frauen (32%).

Quelle: AXA

Literatur:

(1)  Deutsche Herzstiftung, Koronare Herzkrankheit und Herzschwäche – was ist bei Frauen anders?, 2022.
(2) RKI, Diagnose Depression: Unterschiede zwischen Frauen und Männern, 2013.
(3) Statistisches Bundesamt, Todesursachen Suizide, Anzahl der Suizide 2021, 2022.


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