"Aus solchen Mutationen lernen wir, wie sich unser Körper vor autoaggressiven Reaktionen des Immunsystems schützt“, so Prof. Dr. Vigo Heissmeyer. Er forscht am Institut für Immunologie der LMU und in der Abteilung für Molekulare Immunregulation des Helmholtz Zentrums München. Jetzt hat er mit seinem Team in Funktionsuntersuchungen und im Mausmodell gezeigt, wie der Austausch einer einzigen Aminosäure wie zum Beispiel die Sanroque-Mutation in Roquin-1 zu starker Autoimmunität führt. „Wir denken, dass wir eine Zielstruktur gefunden haben, die Autoimmunität kontrolliert und die sich darüber hinaus zur Verstärkung von Antitumorantworten eignen könnte“, so Heissmeyer zu den zentralen Ergebnissen seiner Experimente.
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Roquin steuert immunologische Vorgänge
Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen des Helmholtz Zentrums München und der LMU hat er in der Vergangenheit molekulare Funktionen von Roquin-1 aufgeklärt. Das Protein spielt eine Schlüsselrolle in der adaptiven Immunantwort, indem es über die Regulation von Genexpression die Aktivierung und Differenzierung von T-Zellen kontrolliert. Interessanterweise wurde eine gleiche Funktionsweise auch für das Regnase-1 Protein vorgeschlagen. „Was wir bislang nicht verstanden haben, war die Frage, warum der Austausch einer Aminosäure in der Sanroque-Mutation von Roquin-1 genauso wie der Verlust des Regnase-1 kodierenden Gens zu einer sehr ähnlichen Form von Autoimmunität führt“, so Heissmeyer.
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Die Arbeitsgruppe konnte nun zeigen, dass Roquin-1 direkt an das Regnase-1 Protein bindet, um effizient die Expression bestimmter Gene zu kontrollieren. Interessanterweise waren die Aminosäuren, die an dieser Bindung beteiligt waren, in räumlicher Nähe zu der in der Sanroque-Mutante veränderten Aminosäure. Mit der CRISPR-Cas-Technik konnten im Roquin-1 kodierenden Gen von Mäusen einzelne Aminosäuren, die an der Bindung an Regnase-1 beteiligt sind, durch jeweils andere ersetzt werden. Bei der Proteinbiosynthese entstanden so Roquin-1 Proteine, die deutlich schwächer mit Regnase-1 interagierten. Aufgrund dieser neuartigen Mutationen trat Autoimmunität bei den Nagetieren auf. „Unsere Daten zeigen, dass die physische Wechselwirkung von Roquin-1 mit Regnase-1 eine zentrale Bedeutung für die Kontrolle der Aktivität von Immunzellen hat“, fasst der LMU-Wissenschaftler zusammen.
Stärkung von Immunantworten als therapeutische Strategie
Zwar ist die beobachtete Autoimmunität für den Organismus schädlich und führt zu Krankheiten, bei Patienten mit Krebs könnte eine verstärkte Aktivierung von Immunzellen, die den Tumor bekämpfen, aber nützlich sein. „Mechanismen in T-Zellen, die unser Immunsystem entwickelt hat, um Autoimmunität zu vermeiden, werden nämlich auch vom Tumor genutzt, um T-Zellen auszuschalten“, erklärt Heissmeyer. Mäuse, die die beschriebenen Mutationen im Roquin-1-Gen hatten, bildeten dementsprechend T-Zellen mit stärkerer Aktivität gegen maligne Zellen.
Damit wird Roquin-1 auch zur interessanten Zielstruktur für die Onkologie. Ziel künftiger Forschungsprojekte könnte sein, einen Hemmstoff zu entwickeln, der Wechselwirkungen zwischen Roquin-1 und Regnase-1 verringert – und Immunzellen scharf schaltet. „Davon versprechen wir uns, zeitlich begrenzt die T-Zell-Reaktion gegen Tumore stark zu verbessern“, sagt Heissmeyer.