Zöliakie: variable Symptome und Erkrankungssituationen
Verschiedene große epidemiologische Studien (1) haben übereinstimmend gezeigt, dass ungefähr 1% der Bevölkerung Europas von einer Zöliakie betroffen ist. „Die Symptome der Zöliakie und die Erkrankungssituationen der Betroffenen sind unglaublich variabel. Um dieser Komplexität zu begegnen, haben wir Übersichten geschaffen. Diese stellen die Zöliakie-Symptomatik, mögliche Differentialdiagnosen, bei denen Zöliakie erwogen werden sollte und genetische Syndrome, Autoimmunerkrankungen sowie Konstellationen mit einem erhöhten Zöliakie-Risiko strukturiert dar“, so Leitlinienkoordinator Privatdozent Dr. med. Michael Schumann, Oberarzt der Medizinischen Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie der Charité Berlin. Erklärtes Ziel sei es, Ärzt:innen einfache Vorgehensweisen aufzuzeigen, um bei einem Verdacht die Diagnose Zöliakie schneller stellen zu können oder diese auszuschließen.
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Neuerung in der Diagnostik: Serologie statt Biopsie
In der Diagnostik selbst galt lange Zeit eine Gewebeprobe aus dem Duodenum, also aus dem Zwölffingerdarm, als Goldstandard. In der
aktualisierten Leitlinie wird jedoch insbesondere die Diagnostik mittels Serologie, also dem Nachweis im Blut, gestärkt. „Es ist möglich im Serum Antikörper nachzuweisen, die nur bei einer Zöliakie auftreten. Die Transglutaminase-IgA-Antikörper (tTg-IgA). Der im Serum des Patienten ermittelte Titer, also die Antikörperkonzentration im Serum, erlaubt eine sehr präzise Diagnostik,. Daher empfehlen wir bei Verdacht auf Zöliakie als ersten Schritt die serologische Untersuchung. Im nächsten Schritt, bei einem positiven Befund, führen wir dann eine Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD), also eine Magenspiegelung, durch“, erklärt Leitlinienkoordinator Dr. med. Jörg Felber, leitender Oberarzt der Medizinischen Klinik II am RoMed Klinikum Rosenheim. Das gelte zumindest für Erwachsene. Bei Kindern kann eine ÖGD zur Diagnosestellung umgangen werden: Sofern der tTg-IgA-Titer das 10-fache des oberen Normwertes übersteigt und das Ergebnis in einer zweiten Serumprobe zur Bestimmung eines zweiten Antikörpers, des Endomysium-IgA, bestätigt wird.
Empfehlungen zur Durchführung einer Gluten-Reexposition
Ein Faktor erschwert allerdings die Diagnosestellung in der Erfahrung der Expert:innen erheblich: „Schon vor der gesicherten Diagnose verzichten viele Menschen auf Gluten in ihrer Ernährung. Mit unseren diagnostischen Tests messen wir jedoch die Reaktionen des Immunsystems auf Gluten – auch den langfristigen Effekt, den Gluten auf die Darmschleimhaut hat. Fehlen Antikörper im Blut oder Entzündungszeichen der Darmschleimhaut, ist eine eindeutige Diagnose oft nicht möglich. So entstehen dann falsch-negative Ergebnisse“, erläutert Schumann. Die
aktualisierte Leitlinie enthält deswegen auch praxisnahe Empfehlungen zur Durchführung einer Gluten-Reexposition, also der Wiederaufnahme von Gluten in die Ernährung, zum Zwecke der adäquaten Diagnosestellung. Zudem wird auf die weitere Labordiagnostik bei Erstdiagnose und das regelmäßige Monitoring der Zöliakie-Betroffenen eingegangen.
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Kompetenzen und Wissen der Betroffenen stärken
Das Therapiemittel der Wahl bei Zöliakie stellt die strikte, lebenslange Elimination von Gluten in der Ernährung dar, die sogenannte glutenfreie Diät. Daher stärkt das Therapiekapitel der
Leitlinie die ernährungsmedizinische Kompetenz behandelnder Ärzt:innen, um Patientengespräche besser führen zu können. Denn das wichtigste sei, gemeinsam mit professionellen Ernährungstherapeutinnen und -therapeuten Betroffenen zu helfen, selbst Kompetenzen und Wissen in Bezug auf ihre Ernährung aufzubauen, erklärt Felber.
(1) Mustalahti K, Catassi C, Reunanen A, Fabiani E, Heier M, McMillan S, Murray L, Metzger MH, Gasparin M, Bravi E, Mäki M; Coeliac EU Cluster, Project Epidemiology.The prevalence of celiac disease in Europe: results of a centralized, international mass screening project. Ann Med. 2010 Dec;42(8):587-95.