Systemische Sklerose: seltene Autoimmunerkrankung
Die systemische Sklerose ist eine seltene, aber eine potenziell tödliche
Autoimmunerkrankung. Sprich: Das Immunsystem der Patient:innen greift in einem von dauerhaften Entzündungen begleiteten Prozess körpereigene Gewebe an. In diesem Falle vor allem die gesamte Haut: Sie vernarbt und verhärtet. „Es ist“, sagt Schulze-Koops, „als ob der Körper eingemauert wird.“
Starke Bewegungseinschränkungen durch systemische Sklerose
Ende Dezember 2023 hatte die Steifheit der Patientin am Hals, im oberen Brustbereich, an den Armen und auch den Beinen so zugenommen, dass sie sich kaum mehr richtig bewegen konnte. Es war, kurz gesagt, eine verzweifelte Situation für die 35-Jährige. Zudem hatte die Vernarbung bereits in einem inneren Organ begonnen – im Herzen. Die Ausweitung der Erkrankung auf die Organe bestimmt maßgeblich die Lebenserwartung der Patient:innen.
B-Zellen aus Blut einer Patientin mit systemsicher Sklerose entfernt
Eine ursächliche Behandlung hat selbst die moderne Medizin bisher nicht. Seit geraumer Zeit aber haben Forschende Hinweise darauf, dass B-Zellen ausgeprägt an den Attacken des Immunsystems beteiligt sind. So reifte unter den Münchner Wissenschaftlern um Prof. Dr. Michael Bergwelt, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III, Prof. Dr. Marion Subklewe, Spezialistin für Immuntherapie an der Klinik, Prof. Dr. Alla Skapenko, leitende Immunologin der Sektion Rheumatologie und Klinische Immunologie sowie Prof. Schulze-Koops der Gedanke, die B-Zellen der Patientin aus dem Blut zu entfernen.
B-Zell-Depletion mittels Blinatumomab durchgeführt
Dafür steht seit längerem der bispezifische Antikörper Blinatumomab zur Verfügung, den Krebsmediziner:innen wie Subklewe und von Bergwelt zur B-Zell-Depletion bei Patient:innen mit einer bestimmten
Leukämie einsetzen. Blinatumomab bindet sowohl an CD19 auf der Oberfläche von B-Zellen, als auch an CD3 auf der Oberfläche von T-Zellen. „In dieser räumlichen Konstellation zerstören diese T-Zellen dann die B-Zellen“, sagt von Bergwelt.
Blinatumomab-Therapie verbesserte die Symptome der systemischen Sklerose
„Wir haben unserer Patientin über Neujahr 2023/2024 das Medikament intravenös über 5 Tage niedrig dosiert gegeben“, erklärt Subklewe „dann 4 Wochen später nochmal über 5 Tage niedrig dosiert.“ Danach wurde die Behandlung in höherer Dosierung 2x wiederholt. Ergebnis bis jetzt: Ein in seinem Ausmaß überraschend durchschlagender Erfolg. Sobald die B-Zellen aus dem Blut verschwanden, verbesserten sich die Symptome der Patientin drastisch. „Sie kann gerade ein fast normales Leben führen“, erklärt Schulze-Koops. Selbst die Symptome des Raynaud-Syndroms verschwanden, unter dem Patient:innen mit systemischer Sklerose ebenfalls leiden: Bei Kälte werden Finger, Nase, Ohren blau und weiß. Durch daraus folgende Entzündungen kann es letztlich sogar zum Absterben der betroffenen Körperteile kommen.
Blinatumomab soll bei weiteren Autoimmunerkrankungen getestet werden
Und die Nebenwirkungen? „Bisher hat die Patientin die Therapie erstaunlich gut vertragen“, sagt Subklewe. Es kam nicht zum gefürchteten „Zytokinsturm“, also einer überschießenden lebensgefährlichen Immunantwort. „Natürlich aber fehlen der Frau jetzt die B-Zellen, um Infektionserkrankungen zu bekämpfen“, so Skapenko weiter, „das werden wir jetzt genau beobachten müssen.“ Sollte die Patientin wieder Symptome der systemischen Sklerose bekommen, ist eine erneute Therapie mit Blinatumomab möglich. Darüber hinaus wollen die Münchner Forschenden die neue Therapie jetzt bei weiteren Patienten mit seltenen Autoimmunerkrankungen testen.
(1) Subklewe M, Magno G, Gebhardt C et al. Application of blinatumomab, a bispecific anti-CD3/CD19 T-cell engager, in treating severe systemic sclerosis: A case study. Eur J Cancer 2024; doi: https://doi.org/10.1016/j.ejca.2024.114071