Donnerstag, 21. November 2024
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Medizin

Herzinsuffizienz: Welche Rolle spielt die Psyche?

Herzinsuffizienz: Welche Rolle spielt die Psyche?
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12 europäische Expert:innen haben im Auftrag der European Association of Preventive Cardiology (EAPC) erstmals den wissenschaftlichen Stand und die klinische Bedeutung psychosozialer Fragen für das Krankheitsbild Herzinsuffizienz erarbeitet. Ihre Ergebnisse haben sie in einem Positionspapier veröffentlicht, das auch aufzeigt, wie die Versorgung der Patient:innen verbessert werden kann, wenn Faktoren wie Depressionen und Einsamkeit angemessen behandelt werden.
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Depression muss bei der Therapie der Herzinsuffizienz berücksichtigt werden

Dafür, dass psychosoziale Faktoren den Langzeitverlauf einer bestehenden chronischen Herzinsuffizienz verschlechtern, gebe es ausreichend wissenschaftliche Evidenz, legen die Expert:innen dar. Großangelegte prospektive Bevölkerungsstudien und zahlreiche klinische Studien zeigten überzeugend, dass insbesondere die Depression und soziale Isolation bei der Herzinsuffizienztherapie berücksichtigt werden müssen.

Psychosoziale Faktoren bei Herzinsuffizienz ebenso wichtig wie Hypertonie und Adipositas

Auch wenn das Risiko für eine Herzinsuffizienz abgeschätzt wird, sollten seelische Aspekte berücksichtigt werden: „Psychosoziale Faktoren allein lösen keine Herzinsuffizienz aus, aber sie sind ein wichtiger Aspekt, wenn Ärzt:innen Risikopatient:innen beurteilen und sollten ebenso wie zum Beispiel der hohe Blutdruck und das Übergewicht behandelt werden, um das Erkrankungsrisiko für eine Herzinsuffizienz zu reduzieren“, sagt Professor Karl-Heinz Ladwig, Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) an der Technischen Universität München (TUM) und einer der Autor:innen des Positionspapiers.
 
 

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Psychische Belastungen verstärken missglückte körperliche Ausgleichsprozesse

Wie Depressionen und Co. eine Herzinsuffizienz verschlimmern, lässt sich auf biologische Prozesse zurückführen. Wenn das Herz schwächer wird, versucht der Körper dies auszugleichen, um die Versorgung mit Blut und Sauerstoff aufrechtzuerhalten. Er aktiviert das sympatho-adrenerge System und das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS), man nennt dies auch neurohumorale Aktivierung. Sie führt etwa zu einem erhöhten Blutdruck und steigert die Herzfrequenz. Das hebt die Herzleistung zwar kurzfristig an, schädigt langfristig jedoch den Herzmuskel. Es kommt zu krankhaften Umbauprozessen, wodurch die Herzinsuffizienz weiter voranschreitet. „Diese missglückte Kompensation des Körpers wird durch die psychosozialen Faktoren verstärkt“, fasst Ladwig das Ergebnis der zahlreichen für das Positionspapier ausgewerteten Studien zusammen.

Selbstfürsorge in der Herzinsuffizienztherapie stärken

Soll eine Herzinsuffizienztherapie gelingen, dürfen Patient:innen ihren Alltag nicht nur passiv erdulden, sondern müssen aktiv mitarbeiten. Doch diese wichtige Selbstfürsorge missglückt häufig. Denn der meistens schwere Verlauf einer Herzinsuffizienz lässt Patient:innen verzweifeln und hoffnungslos werden. Sie kümmern sich dann nicht angemessen um sich selbst und ihre Erkrankung, nehmen zum Beispiel ihre Medikamente nicht regelmäßig ein oder beachten Warnzeichen wie eine Gewichtszunahme durch Wassereinlagerungen nicht. Die Erkrankung verschlechtert sich so schneller und lässt die Patient:innen weiter verzagen. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, brauche es neue psychologische Ansätze, um die Selbstfürsorge zu beleben, schlussfolgern Ladwig und seine Kolleg:innen. Zum Beispiel die Technik des „motivational interviewing“, die die Patient:innen dazu bringe, eine aktive Rolle einzunehmen. „Die Technik ist hoch interessant“, so Ladwig. „Man überwindet gemeinsam eine Reihe von Hürden und die Patient:innen überlegen sich selbst, wie sie ein Behandlungsziel umsetzen könnten.“ Außerdem empfehlen die Expert:innen telemedizinische Behandlungskonzepte ergänzend zu den persönlichen Begegnungen zwischen Ärzt:in und Patient:in.
 
 

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Herzinsuffizienz-Patient:innen mit psychischen Problemen an Fachärzt:in überweisen

Die ausgewerteten Studien zeigten zudem, dass klassische psychotherapeutische Behandlungskonzepte bei schwer kranken Patient:innen mit einer sich stetig verschlechternden Erkrankung wie der Herzinsuffizienz eher nicht greifen. Erfolgreich seien hingegen körperliche Bewegungsprogramme, die mit einer kognitiven Verhaltenstherapie kombiniert werden. Zur Tiefenpsychologie gebe es zu wenige Daten, um verlässliche Aussagen zu treffen. Auch Psychopharmaka, egal welcher Substanzklasse, seien nur mäßig erfolgreich. Das sei etwa bei seelisch belasteten Patient:innen mit einer koronaren Herzerkrankung ganz anders, dort wirkten diese Psychopharmaka, doch bei einer Herzinsuffizienz bräuchten die Patient:innen eine unterstützende Beratung in ärztlichen Gesprächen. „Viele Kardiolog:innen erkennen die schweren psychischen Probleme ihrer Patient:innen und sollten sie dann am besten an Psychiater:innen oder Psychosomatiker:innen überweisen“, so Ladwig.

Besonders bei Patient:innen mit ICD ist psychologischer Beistand wichtig

Ist die Herzinsuffizienz weit fortgeschritten, brauchen die Patient:innen oft externe Herzunterstützungssysteme oder implantierbare Defibrillatoren (ICD). Die Expert:innen fordern hier übereinstimmend, dass es dringend mehr psychologische Unterstützung brauche, um die Patient:innen mit diesen Geräten zu versöhnen und die sehr belastende Situation abzufedern. Zusätzlich zu der sehr teuren Technik, müsse zwingend auch in die psychologische Begleitung investiert werden.

Palliative Versorgung sollte bei Herzinsuffizienz frühzeitig angeboten werden

Aufbauend auf zahlreichen Modellversuchen, sprechen sich die Wissenschaftler:innen dafür aus, bereits früh eine stationäre oder ambulante palliative Versorgung anzubieten. Denn die unvorhersehbare Krankheitsentwicklung, die sich rasch verschlechtern kann, ist für die Patient:innen und ihre Angehörigen beängstigend. Dabei gehe es nicht nur um die unmittelbare Begleitung des Sterbeprozesses, sondern offen und einfühlsam zu besprechen, wie es weitergeht, wenn man keine weitere vernünftige Behandlung einschlagen kann. Patient:innen, die betreuenden Angehörigen und das behandelnde medizinisch-pflegerische Personal sollten in die Entscheidungsprozesse (auch über Entscheidungen zum Lebensende) einbezogen werden. Um dieses Konzept umzusetzen, müssten Trainings-Lehrpläne für alle Beteiligten entwickelt werden.

Quelle: DZHK


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