10% aller krebsbedingten Todesfälle durch kolorektale Karzinome
Darmkrebs ist eine der häufigsten Krebserkrankungen weltweit, an der immer mehr junge Menschen erkranken. Trotz des Fortschritts in der Chirurgie und der
Entwicklung zielgerichteter biologischer Krebsmedikamente ist diese bösartige Erkrankung für rund 10% aller krebsbedingten Todesfälle in den westlichen Industrienationen verantwortlich. „Diese Zahl verdeutlicht, dass neue Therapieansätze und Wirkstoffe bei der Behandlung von Darmkrebs benötigt werden“, sagt Prof. Dr. Jörg Fahrer, der mit seiner Arbeitsgruppe im Fachbereich Chemie an der TU Kaiserslautern forscht.
Devimistat hemmt wichtige Stoffwechselenzyme im Citratzyklus
Das Team um Fahrer setzte für die Untersuchungen den
Wirkstoff Devimistat ein. „Dieser leitet sich von der natürlich vorkommenden Verbindung α-Liponsäure ab und hemmt 2 wichtige Stoffwechselenzyme im Citratzyklus“, so Fahrer. Hierbei handelt es sich um einen zentralen Stoffwechselkreislauf in den Mitochondrien, der essentiell für die Energiegewinnung der Zellen ist. Im Rahmen der von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Studie kam eine Vielzahl von Darmkrebsmodellen zum Einsatz – angefangen von etablierten menschlichen Darmkrebszellen über Kurzzeit-Kulturen aus Darmkrebspatient:innen bis hin zu Mausmodellen und Darmtumor-Organoiden. Hierbei handelt es sich um künstlich hergestellte, Organ-ähnliche Mikrostrukturen. Ermöglicht wurde dies durch eine enge Zusammenarbeit mit Wissenschaftler:innen der Universitätsmedizin in Mainz und in Rostock sowie den Universitäten in Konstanz, Gießen und Marburg.
Devimistat schont gesunde Darmzellen
Zunächst hat das Forschungsteam gezeigt, dass Devimistat in allen eingesetzten Darmkrebszellmodellen unabhängig von deren genetischen Veränderungen gleich wirksam war, während gesunde Darmzellen wenig beeinträchtigt wurden. „Wichtig war für uns, dass wir diese Befunde mit Hilfe von Organoiden aus der gesunden Darmschleimhaut sowie von Darmtumoren bestätigen konnten,“ erläutert Philipp Demuth, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Jörg Fahrer. Zusammen mit Dr. Carina Arnold, die ebenfalls in der Arbeitsgruppe zu diesem Themenkomplex promovierte, hat er wesentliche Versuche der Studie durchgeführt. Dabei hat das Team nachgewiesen, wie Devimistat seine toxische Wirkung entfalten kann: Die Substanz schädigt die Mitochondrien in Krebszellen und hemmt deren Energiegewinnung, was zum Absterben der Krebszellen führt.
Devimistat entfaltet Synergien mit Zytostatika
Weiterhin haben die Forscher:innen durch eine Kombination von Zellkulturexperimenten und mathematischen Modellen gezeigt, dass Devimistat mit klinisch eingesetzten Zytostatika synergistisch wirkt. „Dieser Befund machte uns neugierig, über welchen Mechanismus Devimistat zusammen mit Zytostatika den Zelltod in Krebszellen verstärkt“, sagt Jörg Fahrer. Mit Hilfe von molekulargenetischen und zellbiologischen Untersuchungen haben sie demonstriert, dass ein Protein namens Bim eine tragende Rolle spielt, indem es die mitochondriale Form des programmierten Zelltods, der Apoptose, fördert.
Zytostatikum bremst Tumorwachstum in präklinischer Studie
Schließlich hat das Forschungsteam seine zentralen Befunde in Darmkrebs-Mausmodelle übertragen und bestätigt. Auch dort wirkte Devimistat synergistisch mit einem Zytostatikum, was das Tumorwachstum stark bremste und das Überleben signifikant verlängerte. „Unsere präklinischen Befunde zeigen, dass Devimistat einen vielversprechenden Kandidaten für die Darmkrebstherapie darstellt und das Ansprechen von Darmkrebszellen gegenüber Zytostatika im Zell- und Mausmodell erhöht“, fasst Fahrer die Forschungsergebnisse zusammen. Diese wurden jüngst in der namhaften Fachzeitschrift Molecular Cancer Therapeutics veröffentlicht. Im nächsten Schritt sollen die bisherigen, erfolgversprechenden Ergebnisse in klinischen Studien an Darmkrebspatient:innen überprüft werden.