Angst und Panikstörung – was ist das eigentlich?
Etwa jede 5. Person hat in ihrem Leben schon einmal eine einzelne Panikattacke erlebt. Scheinbar unverhofft taucht sie plötzlich auf und versetzt die Betroffene:n für einen kurzen Moment in eine Ausnahmesituation. Das Herz rast, der Mund wird trocken, die Hände feucht und im Kopf herrscht Alarm. Bei einigen Menschen häufen sich die Panikzustände – sie entwickeln eine Angst- und Panikstörung.
Alltägliche Dinge, wie Einkaufen oder Freunde treffen, sind nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich. Bestimmte Situationen und Orte werden vermieden, aus Angst, hier wieder eine Panikattacke zu erleiden. Auch der Arbeitsplatz oder die Schule können oft vor Angst nicht mehr aufgesucht werden. Eine belastende Situation für Betroffene. „Auch, wenn eine Panikattacke endlos und unberechenbar erscheint, folgt sie doch einem bestimmten Muster“, weiß Linda Weber. „Normalerweise nimmt die Angst innerhalb der ersten 5 bis 10 Minuten zu und erreicht ihren Höhepunkt. Unangenehm und besorgniserregend für Betroffene. Doch danach flacht die Angstkurve wieder ab. Denn entgegen der Erwartung kann der Körper Angst auf einem so hohen Niveau nur sehr kurz aufrechterhalten. Im Durchschnitt dauert die Ausnahmesituationen für Körper und Psyche nicht länger als eine halbe Stunde“, so Linda Weber weiter.
Lesen Sie mehr zu diesem Thema:
DiGA in der Hausarztpraxis – Wie sie funktionieren, was sie leisten
Erschienen am 01.04.2022 • Was leisten DiGA? Wie funktionieren sie? Und welche eignen sich für die Hausarztpraxis? Wir erklären die Zusammenhänge und stellen ausgewählte Beispiele vor!
Erschienen am 01.04.2022 • Was leisten DiGA? Wie funktionieren sie? Und welche eignen sich für die Hausarztpraxis? Wir erklären die...
© peart - stock.adobe.com
Expositionstherapie Goldstandard bei Panikstörung mit Agoraphobie
Genau hier setzt die Expositionstherapie nach verhaltenstherapeutischen Richtlinien an, die als der Goldstandard zur Behandlung der Panikstörung mit Agoraphobie gilt. Betroffene setzen sich gezielt angstauslösenden Situationen aus und verweilen hier so lange, bis die Angst von allein wieder verschwindet. Durch das wiederholte und gezielte Erleben von Angst gewöhnt sich der Körper an diese und schlägt weniger schnell Alarm. Situative Angstzustände und Panikattacken nehmen allmählich ab oder verschwinden ganz. „Es geht bei diesem verhaltenstherapeutischen Ansatz darum, konditionierte Reiz-Reaktionsmuster durch korrigierende Erfahrungen aufzuweichen und maladaptive Gedanken, sowie verzerrte Wahrnehmungen in Bezug auf die eigenen Ängste zu berichtigen. Das erfordert viel Eigeninitiative und Selbstmanagement von Seiten der Betroffenen“, so Linda Weber.
Wie die App Mindable Menschen mit Panikstörung helfen kann
Die App bietet 3 aufeinander aufbauende Behandlungsbausteine: Psychoedukation, Symptomprovokation und Konfrontation. Zunächst werden Betroffene über die Wirkmechanismen ihrer Angst und Panik aufgeklärt (Psychoedukation). Anschließend erzeugen sie, angeleitet durch Animationen, bewusst Paniksymptome (Symptomprovokation) – z.B. atmen durch einen Strohhalm, um Kurzatmigkeit zu erzeugen. Dadurch gewöhnt sich der Körper an die Paniksymptome und das Angstzentrum schlägt weniger schnell Alarm. Angstzustände schaukeln sich weniger unkontrolliert zu Panikattacken hoch. Im nächsten Schritt setzen sich Betroffene aktiv mit angstauslösenden Situationen und Orten auseinander. Dazu kann aus verschiedenen, angstauslösenden Situationen ausgewählt werden. Wird zum Beispiel aus Angst das Busfahren vermieden, gilt es nun, sich genau in diese Situation zu begeben und sich hier der Angst zu stellen (Konfrontation). Den Schwierigkeitsgrad der Szenarien bestimmen Anwender:innen selbst – so kann gewählt werden, ob der Bus voll oder leer ist oder eine Begleitperson dabei ist oder nicht. Im Bus selbst startet die Person die Live-Aufzeichnung der Angstkurve. Die Eingabe des Angstniveaus erfolgt dabei auf einer Skala von 0 - 10 diskret anhand der Lautstärkeregler der Kopfhörer. Ein auditives Feedback gibt das aktuelle Angstniveau an. Das Handy kann so bequem in der Tasche verschwinden und dient nicht als Ablenkung oder Sicherheitsverhalten. Hat sich der Körper reguliert und ist die Angst abgeklungen, wird die Übung beendet. Direkt im Anschluss kann der Angstverlauf als detaillierte Grafik angesehen werden. Betroffene erhalten dadurch ein objektives Feedback über den Verlauf und das Ausmaß der erlebten Angst. Die Grafiken der weiteren Übungen werden übereinandergelegt, so dass auch die Veränderung der Angst über die Wiederholungen hinweg deutlich sichtbar wird. Durch den Selbstmanagement-Ansatz der App werden die Autonomie und Selbstwirksamkeit der Betroffenen von Anfang an gestärkt.
Lesen Sie mehr zu diesem Thema:
Immer mehr Menschen geraten in eine Angstspirale
Erschienen am 11.03.2022 • Vor allem Jüngere sind von Angsterkrankungen betroffen, diese sind vielfältig und bei Betroffenen individuell ausgeprägt.
Erschienen am 11.03.2022 • Vor allem Jüngere sind von Angsterkrankungen betroffen, diese sind vielfältig und bei Betroffenen...
© terovesalainen – stock.adobe.com
Auch Ärzt:innen und Therapeut:innen können von Mindable-App profitieren
Auch für Ärzt:innen und Therapeut:innen kann die Mindable-App von Nutzen sein. Denn Protokollierung und Nachbesprechungen von Expositionen sind über die App ebenso möglich wie statistische Auswertungen von Therapieverläufen, die per PDF-Export mit Therapeut:in/Ärzt:in geteilt werden können und somit immer im Blick bleiben. „Mindable bietet Betroffenen ein niederschwelliges und zeitnahes Versorgungsangebot. Die App kann sowohl zur Überbrückung der Wartezeit auf einen Therapieplatz, als auch therapiebegleitend und zur Prävention von Rückfällen genutzt werden. Eine Therapie an sich ersetzt sie nicht“, erklärt Linda Weber.