Gesteigerte Teilungsaktivität von Neuroblastom-Zellen
Denn die
Neuroblastom-Zellen zeichnen sich auch durch eine gesteigerte Teilungsaktivität aus. Vor jeder Teilung muss die betroffene Zelle eine komplette Kopie ihrer gesamten Erbinformation herstellen. Eine der beiden Tochterzellen bekommt dann diese Kopie, die andere das Original. Zur gleichen Zeit müssen Teile dieser Information – nämlich die durch MYCN aktivierten tumorspezifischen Gene – aber noch mit Hochdruck abgelesen werden. „Die Zelle muss diese beiden Prozesse koordinieren“, erklärt Dimitrios Papadopoulos, der am Biozentrum am Lehrstuhl für Biochemie und Molekularbiologie in der Arbeitsgruppe von Professor Martin Eilers forscht. „Ansonsten läuft sie Gefahr, erheblich Schaden zu nehmen.“
Komplexer Kopierer erzeugt eine Dublette
Es ist ungefähr so, als wolle man Passagen eines Buches lesen, während man es zur selben Zeit kopiert. Dass dabei Fehler entstehen können, liegt auf der Hand. In der Neuroblastom-Zelle ist das nicht anders. Dort erzeugt ein komplexer Kopierer Schritt für Schritt eine Dublette des Erbguts, der DNA – ein Vorgang, der sich Replikation nennt. Gleichzeitig findet aber noch ein weiterer Prozess statt, die Transkription. Dabei schreibt eine ganz andere Maschine die DNA-Abschnitte ab, die die Zelle benötigt, da sie die Bauanleitung für wichtige Proteine enthalten.
MYCN in Neuroblastomen
Auch in gesunden Zellen laufen Replikation und Transkription ein Stück weit parallel. In Neuroblastomen
verschärft MYCN dieses Dilemma allerdings deutlich. „Es kommt also zu einem Konflikt“, sagt Papadopoulos. „Als Folge kann der DNA-Faden beispielsweise zerreißen. Wenn dieser Fehler nicht schnell repariert wird, bedeutet das für die Zelle das Todesurteil.“ Zusammen mit Kolleg…innen hat er in seiner Studie erforscht, wie sie dieser Gefahr begegnet.
Unterstützung durch einen zelleigenen Schredder
Demnach nutzt sie dazu zwei unterschiedliche Mechanismen: Einerseits kann MYCN eine Art Schredder im Zellkern zur Hilfe rufen, das RNA-Exosom. Dieses unterbindet die Erstellung der Abschriften, die für die Herstellung der Proteine benötigt werden. Der eigentliche Kopierer kann seine Arbeit dadurch ungehinderter verrichten. Kann MYCN kein Exosom herbeirufen, rekrutiert es alternativ ein Molekül namens BRCA1. Dieses Molekül gibt in Entstehung begriffene DNA-Abschriften gewissermaßen zur direkten Vernichtung frei. Zudem werden dann als Folge auch keine weiteren Abschriften mehr erstellt, so dass der Weg für den Kopierer ebenfalls frei ist.
Zusammenspiel zwischen MYCN und BRCA1 stören
Die Ergebnisse der Studie lassen sich möglicherweise auch für künftige Therapien nutzen. So hoffen die Forschenden, durch geeignete Wirkstoffe die
Zusammenarbeit zwischen MYCN und BRCA1 stören zu können. „Wenn wir dann noch zusätzlich verhindern, dass MYCN das Exosom zur Hilfe ruft, könnte es in den Tumorzellen gehäuft zu schwerwiegenden DNA-Schäden kommen“, erklärt Dimitrios Papadopoulos. „Auf diese Weise ließen sie sich vielleicht abtöten – und zwar ganz gezielt, ohne dass Schäden an anderen Zellen zu befürchten sind.“