Studie untersucht wie stark sich SARS-CoV-2 in Herzmuskelzellen vermehrt
Nimmt man gesunde Herzmuskelzellen in Kultur und vermehrt sie, fangen sie an, spontan zu schlagen. „Dieser spontane Herzschlag von Kardiomyozyten ist ein guter Indikator für die Gesundheit und Funktionstüchtigkeit der Zellen“, erläutert Prof. Steffen Just, Leiter der Sektion für Molekulare Kardiologie an der Klinik für Innere Medizin II. Just hat gemeinsam mit dem Ulmer Virologen Prof. Frank Kirchhoff eine Studie über die pathogene Wirkung verschiedener SARS-CoV-2-Varianten auf den Weg gebracht. „Dafür haben wir spontan schlagende Herzmuskelzellen mit Coronaviren infiziert und untersucht, wie stark sich die Viren vermehren beziehungsweise wie groß deren zellschädigende Wirkung ist,“ erklärt Kirchhoff, der am Ulmer Uniklinikum das Institut für Molekulare Virologie leitet. Je pathogener eine Virus-Variante oder -Subvariante ist, desto früher stoppt der „Herzschlag“ der Zellen.
Mit Omicron-BA.5-Viren infizierte Herzmuskelzellen hören früh auf zu schlagen
Die Forschenden haben frühe SARS-CoV-2-Varianten wie NL-02-2020 und Delta mit verschiedenen Subvarianten von Omicron verglichen. Erwartungsgemäß war die – gemeinhin als weniger aggressiv eingestufte – frühe Omicron-Subvariante BA.1 deutlich weniger zellschädlich als die frühen Varianten NL-02-2020 und Delta. Die Untersuchung von
Omicron-BA.5-Viren brachte dagegen ein anderes Ergebnis ans Licht: „Die damit infizierten Herzmuskelzellen hörten deutlich früher auf zu schlagen als Kulturen, die mit der frühen BA.1 Omicron-Subvariante infiziert waren. Das Ergebnis glich der Infektion mit der Delta-Variante – die Schläge stoppten nach 3 bis 5 Tagen“, so Rayhane Nchioua, Erstautorin der Studie und Doktorandin am Institut für Molekulare Virologie, die gemeinsam mit Federica Diofano aus der Sektion für Molekulare Kardiologie die Herzzellen untersucht hat.
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Erschienen am 15.12.2022 • Eine internationale Studie hat die Entstehung der SARS-CoV-2-Variante entschlüsselt. Mehr dazu lesen Sie hier!
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Herzmuskelzellen sind besonders anfällig für SARS-CoV-2
Verschiedene Zelltypen, Gewebe und Organe sind unterschiedlich empfänglich für SARS-CoV-2. Herzmuskelzellen sind besonders anfällig, weil diese viele ACE2-Rezeptoren präsentieren, über die die Viren an den Zellen andocken. Dies erleichtert dem Virus die Vermehrung und erklärt wahrscheinlich, warum
Herzmuskelerkrankungen und Herzschäden zu häufigen Komplikationen von COVID-19 gehören. Zu den klinischen Erscheinungsbildern gehört insbesondere die Herzmuskelentzündung, aber auch Herzrhythmusstörungen werden beobachtet. Autopsien verstorbener COVID-19-Patient:innen wiesen in Herzmuskelzellen außerdem hohe Anteile an viraler RNA und von Spike-Proteinen nach.
Hohe Virus-RNA-Konzentration in Kardiomyozyten bei Delta-Variante und Omicron-Subvariante BA.5
Das Ulmer Forschungsteam hat daher auch analysiert, wie hoch bei unterschiedlichen Varianten die Virus-RNA-Konzentration und der Anteil von Spike-Proteinen in viral infizierten Kardiomyozyten ist. Dabei kam heraus, dass insbesondere die Herzmuskelzellen, die mit Viren der Delta-Variante oder eben der späten Omicron-Subvariante BA.5 infiziert wurden, besonders hohe Konzentrationen solcher Virus-Spuren aufwiesen.
Höhere Pathogenität von Omicron-BA.5 im Vergleich zu BA.1
Ein wesentliches Fazit der Studie ist, dass BA.5 nicht nur resistent gegen viele neutralisierende Antikörper der adaptiven Immunantwort ist, sondern sich auch sehr effektiv in menschlichen Zellen vermehren kann. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die effiziente Umgehung adaptiver Immunantworten durch BA.1 zunächst auf Kosten der viralen Infektiosität ging. Zusätzliche Mutationen im Spike-Protein von BA.5 stellten jedoch das volle Replikationspotential wieder her“, so die Forschenden. Aktuelle Studien mit Tiermodellen zeigen ebenfalls eine höhere Pathogenität von BA.5 im Vergleich zu BA.1 und bestätigen damit das Ergebnis der Ulmer Studie. Ob dies auch beim Menschen der Fall ist, müssen weitere Untersuchungen klären.