Bluthochdruck-Betroffene können durch die richtige Medikamentenwahl besser vor der Entwicklung einer Epilepsie geschützt werden
Wenn es um die Risiken und Folgeschäden der
arteriellen Hypertonie geht, stehen meist
Herzinfarkt und
Schlaganfall im Mittelpunkt der Präventionsbemühungen. Vergleichsweise wenig Beachtung findet dagegen die Gefahr, dass Menschen mit Bluthochdruck an epileptischen Anfällen erkranken. „Das Risiko, an einer Epilepsie zu erkranken, ist bei dieser Patient:innengruppe mit rund 4% zwar deutlich geringer als das kardiovaskuläre Risiko - im Vergleich zur Normalbevölkerung ist es jedoch mindestens um den Faktor 2,5 erhöht“, erklärt Professor Dr. med. Stefan Frantz, Vorsitzender der Deutschen Stiftung Innere Medizin (DSIM). „Zudem geht eine Epilepsieerkrankung mit einer großen persönlichen Belastung einher und kann auch die
Lebenserwartung einschränken.“ Grundlage der Forschungsarbeit von Preisträgerin Dr. med. Corinna Doege, Fachärztin in der Neuropädiatrie der Kinderklinik Bremen, waren tierexperimentelle Studien, die zeigten, dass Angiotensin-1-Rezeptor (AT1)-Antagonisten, die häufig in der Bluthochdrucktherapie eingesetzt werden, das Auftreten von Epilepsien verhindern können. Doege untersuchte daraufhin, ob diese Wirkstoffe auch beim Menschen das Epilepsierisiko senken. In ihre Kohortenstudie bezog die Medizinerin die Daten von knapp 170.000 Patient:innen mit Bluthochdruck ein, die zwischen 2010 und 2020 im niedergelassenen Bereich behandelt wurden. Sie alle wurden mit Blutdrucksenkern aus einer von 4 Wirkstoffgruppen behandelt:
Betablocker, ACE-Hemmer, Kalziumantagonisten oder AT1-Antagonisten. Dabei zeigte sich, dass das Risiko für das Wiederauftreten einer Epilepsie bei Bluthochdruckpatient:innen unter AT1-Antagonisten am niedrigsten und unter Beta-Blockern am höchsten war. „Die Studie deutet darauf hin, dass Patient:innen mit Bluthochdruck, die ein erhöhtes Epilepsie-Risiko haben, von einer Behandlung mit einem AT1-Antagonisten profitieren könnten - diese wichtigen Erkenntnisse geben Anlass zur Hoffnung, dass
Bluthochdruck-Patient:innen durch die richtige Medikamentenwahl besser vor der Entwicklung einer Epilepsie geschützt werden können“, sagt Professor Dr. med. Georg Ertl, Generalsekretär der DGIM. Die Ergebnisse müssen noch in prospektiven Studien bestätigt werden. Die prämierte Arbeit, deren Erstautorin Dr. med. Corinna Doege ist, erscheint 2022 in JAMA Neurology.
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Künstliche Intelligenz: Genauere Vorhersage des individuellen Risikos für verschiedene Volkskrankheiten
Forschergeist, große Mengen an Patient:innendaten und
künstliche Intelligenz - das sind die wichtigsten Grundlagen für die zweite herausragende Arbeit, die in diesem Jahr mit dem Präventionspreis ausgezeichnet wird. Mit dem Ziel, das individuelle Risiko für verschiedene
Volkskrankheiten genauer vorherzusagen, analysierte Preisträger Thore Buergel, Doktorand der Bioinformatik an der Charité Berlin, gemeinsam mit seinen Co-Autoren mehr als 100.000 Patient:innendaten aus einer großen britischen Biobank. Dabei konzentrierten sich die Forscher:innen auf so genannte
Metaboliten - Stoffwechselprodukte - im
Blut der Proband:innen, die anhand von 168 Markersubstanzen analysiert wurden. Metaboliten stehen im Verdacht, bei der Entstehung vieler verschiedener Krankheiten eine Rolle zu spielen. Mithilfe einer
künstlichen Intelligenz, die mit den individuellen Metabolitenprofilen der Proband:innen und ihrer Krankheitsgeschichte gefüttert wurde, konnten die Forschenden ein Vorhersagemodell entwickeln, das sie mit Alter und Geschlecht kombinierten. „Damit konnten wir das individuelle Risiko für 24 häufige Krankheiten - von Stoffwechsel- und
Gefäßerkrankungen bis hin zu Krebs - deutlich genauer abschätzen als mit bisher verfügbaren Risiko-Scores“, sagt Professor Frantz. „Ein tolles Ergebnis, das in Zukunft eine wichtige Rolle in der personalisierten Prävention spielen könnte“. Das Modell wurde in 4 weiteren großen Bevölkerungsstudien in den Niederlanden und Großbritannien erfolgreich validiert. „Die Arbeit macht damit auch deutlich, wie wichtig die Verfügbarkeit umfassender Patient:innendaten für die medizinische Forschung ist, die in Deutschland leider immer noch unzureichend ist“, ergänzt Prof. Ertl. Die prämierte Arbeit, deren Erstautor Thore Buergel ist, wird 2022 in Nature Medicine erscheinen.
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Erschienen am 09.01.2023 • Was leistet KI bei seltenen Erkrankungen? Lesen Sie das Update zu den orphan diseases von Dr. rer. nat. med. habil. Eva Gottfried!
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Präventionspreis der DGIM und der DSIM
Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) verleiht den Präventionspreis gemeinsam mit der Deutschen Stiftung Innere Medizin (DSIM) im Rahmen des 129. Internistenkongresses Ende April in Wiesbaden. Ausgezeichnet wird die beste Arbeit aus dem deutschsprachigen Raum auf dem Gebiet der Primär- oder Sekundärprävention internistischer Erkrankungen. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und wird in diesem Jahr zu gleichen Teilen an 2 Preisträger vergeben.
Ausgezeichnete Arbeiten
1)
Association Between Angiotensin Receptor Blocker Therapy and Incidence of Epilepsy in Patients with Hypertension
2)
Metabolomic profiles predict individual multidisease outcomes