Tryptophan bei den meisten chronischen Entzündungserkrankungen reduziert
Das Kieler Team des Exzellenzclusters PMI hat dazu in den vergangenen 10 Jahren Blutproben von Patient:innen massenspektrometrisch untersucht, welche aufgrund einer chronischen Entzündungserkrankung im Exzellenzzentrum Entzündungsmedizin (Comprehensive Center for Inflammation Medicine, CCIM) am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, behandelt wurden. Hierbei wurden der Tryptophangehalt und in ausgewählten Patientengruppen ebenfalls der Gehalt verschiedener Abbauprodukte von Tryptophan untersucht. „Wir haben diese Analyse als einen neuen Biomarker in den klinischen Alltag integriert und standardisiert im Laborprofil die Tryptophanwerte mitbestimmt“, erklärt die Erstautorin der Arbeit, Dr. Danielle Harris vom Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität (CAU) und des UKSH, Campus Kiel. Dadurch wurden über 10 Jahre hinweg Daten von knapp 2.000 Patient:innen zu verschiedenen Zeitpunkten gesammelt. Da die Betroffenen mehrfach in die Ambulanz kamen, wurden insgesamt rund 30.000 Proben genommen. Eingeflossen sind so Daten zu 13 chronischen Entzündungserkrankungen, bei 9 waren die Tryptophankonzentrationen im Blut signifikant reduziert. Dazu zählen neben den Darmentzündungen
Morbus Crohn und
Colitis Ulcerosa ebenfalls zahlreiche rheumatische Erkrankungen (z.B. Rheumatoide Arthritis, Axiale Spondylarthritis, Systemische Lupus Erythematodes).
Klinische Relevanz von Tryptophan als Biomarker für chronische Entzündungen
Das Exzellenzzentrum Entzündungsmedizin umfasst je eine große interdisziplinäre Spezialambulanz für chronisch-entzündliche Erkrankungen an beiden Standorten des UKSH, Kiel und Lübeck, die ursprünglich auf Initiative des Exzellenzclusters „Inflammation at Interfaces“, dem Vorgänger des Clusters PMI, gegründet wurden. Durch die enge Zusammenarbeit verschiedener Spezialist:innen ermöglichen diese eine bestmögliche interdisziplinäre Versorgung von Patient:innen mit schwerwiegenden chronisch-entzündlichen Erkrankungen. „Unsere Forschungsarbeit zeigt die Stärke des Exzellenzzentrums Entzündungsmedizin auch für die Forschung: Hier konnten wir systematisch über einen längeren Zeitraum anhand einer Vielzahl von Patientinnen und Patienten mit chronischen Entzündungserkrankungen Tryptophan als neuen Biomarker untersuchen“, betont der federführende Autor Konrad Aden, Else Kröner Clinician Scientist Professor an der Medizinischen Fakultät der CAU, Arbeitsgruppenleiter am IKMB, CAU und UKSH, und Oberarzt der Klinik für Innere Medizin I am UKSH, Campus Kiel. „Bisher haben zwar einzelne, kleinere Untersuchungen einen Tryptophanmangel für einzelne chronische Entzündungserkrankungen nachgewiesen, aber wir konnten das nun sehr systematisch für eine Reihe verschiedener Erkrankungen belegen und so die klinische Relevanz von Tryptophan als potentiellen Biomarker der chronischen Entzündung zeigen,“ so Aden weiter.
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Tryptophan: Marker für kleinste Rest-Entzündungen
Darüber hinaus machte das Team noch eine weitere Beobachtung: die Tryptophankonzentrationen im Blut waren auch noch bei Personen reduziert, bei denen mit den bisherigen klinischen Untersuchungen keine Entzündung mehr festzustellen war. Ärzt:innen nutzen hier bislang neben sichtbaren Entzündungszeichen vor allem einen etablierten labordiagnostischen Biomarker, das C-reaktive Protein (CRP), um Entzündung im Körper festzustellen. „Mit dem reduzierten Tryptophan-Level haben wir also nun einen neuen, potentiellen Marker, der auch kleinste Rest-Entzündungen noch detektieren kann“, erklärt Aden. „Das kann beispielsweise hilfreich sein bei der Entscheidung, wann und in welcher Intensität eine medikamentöse Therapie begonnen werden soll“, erklärt Aden. „Ein wichtiges Ziel unseres Exzellenzclusters ist es, Krankheitsphänomene zu identifizieren, die übergreifend für die verschiedenen Entzündungserkrankungen gelten, unabhängig von den Organen, die überwiegend von der Erkrankung betroffen sind. Der vorliegenden Arbeit ist dies mit Tryptophan als möglichen Biomarker gelungen“, sagt Prof. Stefan Schreiber, Sprecher des Exzellenzclusters PMI. „Wenn sich dieser Marker in klinischen Studien weiterhin behauptet, könnte er die bisherigen Standardwerte ergänzen und die Diagnostik maßgeblich verbessern“, so Schreiber weiter.
Zusammenhang des Tryptophan-Stoffwechsels mit dem Darmmikrobiom wird genauer untersucht
Seitdem Mitglieder des Exzellenzclusters 2017 mit anderen Forschenden erstmals einen Tryptophanmangel bei chronischen Darmentzündungen gezeigt hatten (Publikation im Fachjournal Gastroenterology), erforschen sie die Bedeutung des Tryptophanstoffwechsels für Entzündungen. In den aktuellen Studien steht auch der Einfluss des individuellen Darmmikrobioms und dessen Einfluss auf Tryptophan als Biomarker im Fokus. Co-Autor Silvio Waschina, Junior-Professor für Nutriinformatik an der der CAU, hebt hervor: „Besonders faszinierend ist der Zusammenhang mit dem Mikrobiom, da bekannt ist, dass mikrobielle Abbauprodukte des Tryptophan-Stoffwechsels eine intensive Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem aufweisen.“ Ein Ansatz ist hier auch, den Mangel durch eine zusätzliche Gabe von Stoffwechselprodukten von Tryptophan auszugleichen und so die Entzündung abzuschwächen. Hierzu führen Clustermitglieder aktuell beispielsweise auch klinische Studien durch. Dieser Forschungsbereich soll auch in einer möglichen weiteren Förderphase weitergeführt werden, für den der Exzellenzcluster PMI derzeit einen Folgeantrag vorbereitet.
Quelle: Exzellenzcluster Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen