Thrombozyten bisher nicht Teil von Therapiekonzepten der venösen Thrombose
Kardiovaskuläre Erkrankungen sind die häufigste Todesursache der Industrienationen. Hierzu gehören neben
Herzinfarkten und
Schlaganfällen auch Gerinnselbildungen im venösen System, so zum Beispiel tiefe Beinvenenthrombosen und
Lungenembolien. Bisherige Therapiekonzepte sind maßgeblich auf die Hemmung des Gerinnungssystems sowie die mechanische oder medikamentöse Auflösung der venösen Gerinnsel beschränkt. Im Gegensatz dazu sind Blutplättchen (Thrombozyten), die bei arteriellen
Thrombosen die wichtigste Therapiestruktur darstellen, bislang nicht Teil von Therapiekonzepten der venösen Thrombose.
Prokoagulante Plättchen sind an der Bildung von venösen Thrombosen beteiligt
Forschende um PD Dr. Rainer Kaiser, Dr. Badr Kilani und PD Dr. Leo Nicolai aus der Medizinischen Klinik I des LMU Klinikums beschreiben nun erstmals den wichtigen Beitrag einer besonders aktivierten Form von Blutplättchen, den prokoagulanten Plättchen, in der Ausbildung venöser Thromben. Hierfür nutzten die Forschenden Blutproben von Patient:innen, die sich mit Verdacht auf Beinvenenthrombosen oder Lungenembolien in der Notaufnahme des LMU Klinikums vorgestellt hatten. Patient:innen, bei denen später eine Venenthrombose oder Lungenembolie tatsächlich festgestellt werden konnte, zeigten zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses hohe Werte der prokoagulanten Plättchen. Diese Subpopulation von Blutplättchen ist durch eine ballonförmige Gestalt und die starke Bindung von Gerinnungsfaktoren auf ihrer Oberfläche gekennzeichnet.
Zudem stellten die Wissenschaftler fest, dass prokoagulante Plättchen auch direkt an der Gerinnselbildung von Lungenembolien beteiligt sind und in Thromben nachgewiesen werden konnten, die aus den Lungenarterien besonders schwer erkrankter Patient:innen abgesaugt worden waren. Auch in einem Mausmodell der tiefen Venenthrombose wiesen die Forschenden prokoagulante Plättchen nach.
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Methazolamid reduzierte das Auftreten von Thrombosen bei Mäusen
Im zweiten Teil der Studie untersuchten die Wissenschaftler:innen, ob eine Hemmung der prokoagulanten Aktivierung von Blutplättchen die venöse Gerinnselbildung beeinflussen kann. Tatsächlich zeigte sich in zwei Mauslinien, die keine prokoagulanten Plättchen bilden können, eine deutlich verringerte Thromboseneigung. Im Rahmen eines therapeutischen Ansatzes verwendeten die Forschenden schließlich das bereits klinisch zugelassene Medikament Methazolamid aus der Klasse der Carboanhydrase-Hemmer, das die prokoagulante Aktivierung hemmen kann. Sie konnten damit nachweisen, dass die mit dem Medikament behandelten Tiere signifikant weniger Thrombosen aufwiesen. Im Gegensatz zu gängigen Plättchen- und Gerinnungshemmern hatte die Behandlung mit Methazolamid keinen Einfluss auf die Blutungszeit nach traumatischer Gefäßverletzung.
Gezielten Hemmung der prokoagulante Aktivierung von Thrombozyten als neuer Therapieansatz
Die Ergebnisse dieser Studie identifizieren die prokoagulante Aktivierung von Plättchen als wichtigen Mediator in der Entstehung von Beinvenenthrombosen und Lungenembolien. Dieser neue Mechanismus der Gerinnselbildung rückt Blutplättchen in den Fokus der venösen Thrombose. Während bisherige Therapieansätze vor allem Gerinnungsproteine im Blut hemmen und mit erhöhten Blutungsraten assoziiert sind, könnten die neuen Studienergebnisse den Weg zu einer gezielten Hemmung von Blutplättchen mithilfe klinisch bereits zugelassener Wirkstoffe auch im klinischen Alltag ebnen. Darüber hinaus könnte der Nachweis erhöhter Zahlen von prokoagulanten Plättchen in der Zirkulation zur Entwicklung neuer Diagnosealgorithmen der venösen Thrombose beitragen.
(1) Kaiser R. et al. (2024) Procoagulant platelet activation promotes venous thrombosis, Blood, DOI: 10.1182/blood.2024025476.