„Wenn Sprache als Mittel der Verständigung nicht ausreicht, bedarf es intelligenter Lösungen“, erklärt Göddel (33) seine Motivation die App zu programmieren, die auch „als Hilfe zur Selbsthilfe“ dienen soll. „FURDY kommt von Fördern“, erklärt er. Der frühkindliche Autismus ist als komplexe neurologische Entwicklungsstörung definiert, die unterschiedlichste Ausprägungen haben kann, und die bis heute noch viele unbekannte Größen beinhaltet. Im Vordergrund steht jedoch immer die Schwierigkeit der Betroffenen, Informationen wahrzunehmen und in eine soziale Interaktion umzusetzen – das Problem liegt in der höchst begrenzten Fähigkeit zu kommunizieren. Bekannt ist seit längerem, dass die Visualisierung von Informationen für die Auseinandersetzung sehr hilfreich ist. Viele Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung sprechen überhaupt nicht. Dafür haben verschiedene Anbieter bereits Bildkartensysteme entwickelt, die ganz alltägliche Themen nonverbal in Bildern darstellen. Wie viele Bilder nötig sind, um nur die einfachsten Vorgänge eines gewöhnlichen Tagesablaufs zu visualisieren, ist leicht vorstellbar. Aber wie finden die betroffenen „Gesprächsteilnehmer“ die entsprechenden Karten zu dem, was sie sagen bzw. darstellen möchten? Bisher herrscht in den Betreuungseinrichtungen für die Sortierung und Aufbewahrung der Bildkarten ein sehr strenges Ordnungssystem. FURDY hat die Bildkarten der beiden gängigsten Anbieter integriert. Die elektronische Ordnung vereinfacht und beschleunigt die Kommunikation erheblich, allein schon weil die App die Aufräumarbeit überflüssig macht. Die Themen lassen sich sehr viel einfacher und schneller finden und aufrufen.
Abb. 1: FURDY im Einsatz: Mit dem Zeichenbrett können auf kreative Weise Stimmungen, Wünsche und Sehnsüchte dargestellt und die motorischen Fähigkeiten stimuliert werden. (© Christoph Noll, Tagesförderstätte für Menschen mit Autismus in Unterfranken (TAU))
|
Nachdem der gebürtige Hanauer Göddel seinen Bachelor of Science in Informatik an der Frankfurt UAS absolviert hatte, belegte er dort den Masterstudiengang „Barrierefreie Systeme“. Im Rahmen seiner Masterthesis hat Benjamin Göddel eine Idee aus einem interdisziplinären Projekt des Studiengangs BaSys zu FURDY weiter entwickelt. Mit FURDY ist ein vielseitig einsetzbares Instrument für die Erleichterung kommunikativer Vorgänge entstanden. Die App unterstützt das kontinuierliche Training kognitiver Fähigkeiten und führt so zu einer wachsenden Selbstständigkeit der Betroffenen. Und das hat automatisch auch eine große Entlastung für Familien und Betreuer zur Folge. „Wer ,barrierefrei‘ hört, denkt zunächst sicher an körperliche Handicaps. Auf der physischen Ebene sind die Anforderungen an Hilfsmittel zur Überwindung von Barrieren vergleichsweise leicht nachvollziehbar. Schwieriger wird es bei Behinderungen, die jenseits der greifbaren Einschränkungen liegen. FURDY ist somit eine revolutionäre Erfindung“, bekräftigt Prof. Dr. Gerd Döben-Henisch, der Göddel im interdisziplinären Projekt begleitete und dann zusammen mit Prof. Dr. Matthias Deegener die Masterthesis betreute. FURDY wurde für androidbasierte Systeme entwickelt und ist bald im Google Play Store erhältlich.
Mit der Aufgaben-Funktion werden komplexe Aufgaben in einzelne, für die Betroffenen leicht nachvollziehbare Schritte aufgeteilt. Über den Tagesplaner können die wichtigsten Abläufe eines Tages komplett zusammengestellt und nacheinander abgearbeitet werden. Mit dem Talker funktioniert der Informationsaustausch schneller und interaktiver. Mit dem Zeichenbrett können auf kreative Weise Stimmungen, Wünsche und Sehnsüchte dargestellt und die motorischen Fähigkeiten stimuliert werden. Auf dem Schlagzeug werden Takt und Rhythmus spielerisch trainiert – und überschüssige Energien kanalisiert. Ein Sprachcomputer übersetzt geschriebene Texte in eine phonetische Sprachausgabe und animiert zum Schreiben und Nachsprechen. FURDY ist individuell konfigurier- und erweiterbar. Neue Kommunikationskarten werden z.B. per Fotografie erstellt. In der Notizfunktion können allerlei wichtige Informationen zur betreuten Person gesammelt werden, z.B. Vorlieben, Abneigungen, Allergien, Medikamente. Die elektronische Lärmampel visualisiert den Geräuschpegel im Raum und macht mit rot und einem akustischen Signal darauf aufmerksam, dass es an der Zeit ist, etwas ruhiger zu werden.
Abb. 2: Auf dem FURDY-Schlagzeug werden Takt und Rhythmus spielerisch trainiert – und überschüssige Energien kanalisiert. (© Christoph Noll, Tagesförderstätte für Menschen mit Autismus in Unterfranken (TAU))
|
Die Teilnahme an der Veranstaltung „Eine Dekade BaSys 10+“ ist kostenfrei. Eine Anmeldung bis zum 16. November 2016 unter www.frankfurt-university.de/basys-jubilaeum ist erforderlich. Die Veranstaltung wird von der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen und von der Ingenieurkammer Hessen mit vier Fortbildungspunkten / Unterrichtseinheiten anerkannt. Im Rahmen der Registrierung beruflich Pflegender können sechs Fortbildungspunkte anerkannt werden.
Der an der Frankfurt UAS angebotene interdisziplinäre Masterstudiengang Barrierefreie Systeme
(BaSys) umfasst drei fachspezifische Schwerpunkte, Planen und Bauen (Fachbereich Architektur, Bauingenieurwesen, Geomatik), Intelligente Systeme (Fachbereich Informatik und Ingenieurwissenschaften) sowie Case Management (Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit), zu denen es jeweils ein Masterzeugnis mit Ausweis der fachspezifischen Ausprägung gibt.
Neben den fachspezifischen Qualifikationen werden die Studierenden in den interdisziplinären Ansätzen befähigt, zukunftsfähige Lösungsmodelle zu entwickeln, um dem demografischen, gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Wandel in unserer Gesellschaft zu begegnen. Dadurch erschließt der Studiengang den Studierenden zukunftsorientierte Aufgaben und Berufsfelder.
Termin: Dienstag, 22. November 2016 , 14.00 - 19.00 Uhr
Ort: Frankfurt University of Applied Sciences, Nibelungenplatz 1, Gebäude 4, Raum 109, 110 und Empore
Anmeldung: bis zum 16. November 2016 unter:
www.frankfurt-university.de/basys-jubilaeum
Programm:
14.00 Uhr: Eröffnung durch Prof. Dr. Gerd Döben-Henisch, Frankfurt UAS
14.05 Uhr: Grußwort des Präsidenten der Frankfurt UAS, Prof. Dr. Frank E.P. Dievernich
14.20 Uhr: „Barrierefreiheit durch Begegnungen“, Maren Müller-Erichsen, Beauftragte der Hessischen Landesregierung für Menschen mit Behinderung
14.40 Uhr: „Barrierefreiheit durch Begegnungen“, Ayse Oluk, Referentin der Beauftragten der Hessischen Landesregierung für Menschen mit Behinderung
15.15 Uhr: „Perspektiven der Barrierefreiheit morgen“, Moderation: Prof. Caroline Günther, Prof. Dr. Ute Bauer-Wersing, Prof. Dr. Annegret Horbach, Frankfurt UAS
„Barrierefreiheit ist Handwerk, Universal Design ist Kunst“, Eckhard Feddersen, Feddersen Architekten Berlin
„Intelligent Systems: From Science to Innovation”, Dr. Christian Goerick, Chief Scientist, Honda Research Institute Europe
„Barrierefreiheit und Inklusion gestern, heute und morgen – Nutzerperspektiven“, Prof. Dr. Annegret Horbach, Frankfurt UAS & Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd und Prof. Dr. Kurt Jacobs, Vorsitzender des Kommunalen Beirats für die Belange von Menschen mit Behinderung der Kreisstadt Hofheim am Taunus sowie Mitglied des Kreisbehindertenbeirats des Main-Taunus-Kreises
17.15 Uhr: Podiumsdiskussion „Zukunft der Barrierefreiheit bis 2026“
18.00 Uhr: Ausstellung über den Studiengang auf der Empore: Dokumentation, Präsentationen von Projekten und Studienarbeiten, Präsentationen von Forschungsprojekten
Speakers Corner: Alumni berichten
ca. 19.00 Uhr: Ende der Veranstaltung
Kontakt: Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich 1: Architektur • Bauingenieurwesen • Geomatik, Prof. Caroline Günther, Telefon: 069/1533-2765, E-Mail:
caroline.guenther@fb1.fra-uas.de
Weitere Informationen zum Studiengang Barrierefreie Systeme unter:
www.frankfurt-university.de/basys