Gürtelrose-Impfung für Menschen über 60 als Standardimpfung?
Mehr als 95% der über 60-Jährigen tragen nach einer Windpocken-Erkrankung in Kindertagen das Virus in sich, das Gürtelrose auslösen kann. Denn nach den Windpocken verbleibt das Virus lebenslang im Körper und kann, wenn die körpereigenen Abwehrkräfte nachlassen, als Gürtelrose reaktiviert werden. Mit Abstand der häufigste Grund für eine Schwächung des Abwehrsystems ist das Alter: Bereits ab dem 50. Lebensjahr lassen die Abwehrkräfte deutlich nach. Aber auch bei jüngeren Erwachsenen können die Abwehrkräfte zum Beispiel durch chronische Krankheiten, Medikamente, aber auch durch körperlichen und psychischen Stress geschwächt werden. So kann das Varizella-Zoster Virus aus seinem teils jahrzehntelangen Winterschlaf erwachen. Weil der Erreger bereits im Körper ist, schützen auch ein gesunder Lebensstil, Sport, gesunde Ernährung und die seit der Pandemie verbreiteten AHA-Regeln nicht vor einer Reaktivierung. Jede dritte Person erkrankt im Laufe ihres Lebens an einer Gürtelrose (1) und tatsächlich erleiden bis zu 30% der Betroffenen einen schweren Verlauf mit heftigen Nervenschmerzen. Die Schmerzen bei Gürtelrose haben viele Gesichter und können über Monate, schlimmstenfalls ein Leben lang anhalten und eine soziale Teilhabe unmöglich machen (2). Deshalb empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) eine Gürtelrose-Impfung für Menschen über 60 als Standardimpfung und für Menschen mit Grunderkrankung ab 50 als Indikationsimpfung.
Standardimpfungen trainieren das Immunsystem
Was viele nicht wissen: Impfungen können die Abwehrkräfte stärken. Deshalb ist eine Impfung wie zum Beispiel gegen Gürtelrose sinnvoll. Denn die Vorsorgeimpfung kann nicht nur vor einer ernsten vermeidbaren Krankheit schützen, sondern gleichzeitig auch die Widerstandsfähigkeit des Immunsystems verbessern und aufrechterhalten. Ein fittes Immunsystem kann außerdem Schutz vor weiteren Erkrankungen wie beispielsweise einem Schlaganfall oder einem Herz-infarkt im Zuge einer Gürtelrose-Erkrankung bieten. Dazu berichtet Dr. med Andreas Leischker, M.A. Chefarzt und Gründungsmitglied der „AG Impfen“ der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie: „Ich erlebe in meiner medizinischen Praxis immer wieder, wie wenige Menschen ihr persönliches Erkrankungsrisiko für Gürtelrose kennen. Doch tatsächlich gehört jede Person zur Risikogruppe, die einmal im Leben Windpocken hatte und das sind bei den über 50-Jährigen nahezu 100%. Die gute Nachricht: Besonders im Alter, wenn die körpereigene Immunabwehr nachlässt, können Impfungen sehr zuverlässig vor einer Gürtelrose schützen. Darüber hinaus trägt jede Impfung dazu bei, das Immunsystem zu stärken und uns vor schweren Krankheiten zu schützen.“
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Jeder, der einmal Windpocken hatte, ist gefährdet, an Gürtelrose zu erkranken. Viele Menschen können sich nicht mehr an ihre Windpocken-Infektion erinnern und sind trotzdem gefährdet. Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt über Ihr persönliches Erkrankungsrisiko und wie Sie sich schützen können.
Was ist Gürtelrose?
Gürtelrose tarnt sich als Hautkrankheit, ist aber eine Infektionskrankheit, die durch die Reaktivierung des Windpockenerregers ausgelöst wird. Mehr als 95% der Personen ab 60 Jahren hatten bereits Windpocken und tragen dadurch das Virus in sich. Eine von 3 Personen erkrankt im Laufe des Lebens an Gürtelrose (1). Weder ein gesunder Lebensstil noch Maßnahmen wie die AHA-Regeln können daran etwas ändern. Zum einen nehmen die Abwehrkräfte im Alter ab, wodurch eine Reaktivierung wahrscheinlicher wird. Zum anderen stecken sich Betroffene nicht an, sondern haben den Erreger bereits im Körper. Bei der Reaktivierung des Virus wandern die zuvor inaktiven Erreger aus den Nervenknoten entlang der Nervenfasern bis zu deren Enden an der Hautoberfläche. Dort entstehen als Reaktion die charakteristischen Bläschen, die sich gürtel- oder bandförmig um den Körper legen. Häufig ist nur eine Körperhälfte betroffen. Da das Virus über die Nervenbahnen zur Haut „wandert“ treten häufig noch vor Auftreten der typischen Bläschen starke, „einschießende“ Schmerzen auf. Weitere Symptome sind beispielsweise Abgeschlagenheit, Erschöpfung und teilweise über Monate anhaltende starke brennende bis stechende Nervenschmerzen. Jeder Dritte hat mit Komplikationen und Langzeitfolgen zu kämpfen (2). Manchmal dauert dies mehrere Monate, in anderen Fällen können die Schmerzen ein Leben lang anhalten. Daneben kann Gürtelrose auch zu Sehstörungen, einem vollständigen Seh- und Hörverlust sowie in seltenen Fällen auch zu Schlaganfällen und Herzinfarkten führen.
(1) Wutzler et al. 2001; Vaccine 20: 121-124.
(2) Harpaz R et al. MMWR Recomm Rep 2008; 57: 1-40.