Dienstag, 24. Dezember 2024
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Stress: Wie er hilft und wann er schadet

Stress: Wie er hilft und wann er schadet
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Wer kennt das nicht: Die Chefin drängelt, der Kollege nervt, die Deadline für die Projektarbeit rückt näher, und gleich muss das Kind aus der Kita abgeholt werden. Stress pur! Doch so schlimm ist diese Super-Anspannung eigentlich gar nicht, meinen Expert:innen. Eigentlich. Es sei denn, sie wird zu viel.
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Stress als positiver Antrieb

Stress muss gar nichts Negatives sein. Im Gegenteil: Er kann sogar etwas ganz Positives sein“, sagt Stress-Forscherin Corinna Peifer von der Uni Lübeck. Denn er hilft uns dabei, Dinge, die von außen an uns herangetragen werden und Anforderungen aus der Umwelt zu meistern. Weil wir uns dabei gleichzeitig jedoch nicht sicher sind, dass wir sie auch bewältigen können, schüttet der Körper vermehrt unter anderem das Stress-Hormon Cortisol aus. Die Folge: Durch das Cortisol können wir uns besser konzentrieren und an einer Sache dranbleiben, weil Energiereserven freigesetzt werden. „Und das kann uns sogar in einen Flow verhelfen: Wir vergessen alle Dinge um uns herum – und sind zugleich zuversichtlich, dass wir die Anforderungen erfüllen können", sagt Peifer.

Warum Stress hilfreich sein kann

Auch Michael Käfer, Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Knappschaftsklinikum in Püttlingen, hält Stress erst mal für nichts Schlechtes. „Er kann uns helfen, Erfolgserlebnisse zu haben, uns zu verwirklichen und Ziele zu erreichen. Dann ist er nicht schädlich, sondern sogar förderlich.“ Denn schließlich ist er eine ganz natürliche Reaktion, körperlich und psychisch, auf Anforderungen zu reagieren. Schon in der Frühzeit der menschlichen Entwicklung waren Menschen darauf angewiesen, in Gefahrensituationen schnell und effektiv reagieren zu können. Über eine Adrenalin-Cortisol-Ausschüttung führte dies dazu, dass wir mehr Spannung in der Muskulatur hatten, der Herzschlag stieg und die Durchblutung besser wurde. Dieser evolutionäre Mechanismus war überlebensnotwendig und hat dazu geführt, dass sich der Mensch als Lebewesen weiterentwickelte. „Durch Stress hatten wir eine größere Chance, zu kämpfen oder zu fliehen", sagt Käfer. Und wer eine solche Situation erfolgreich gemeistert sprich überlebt hatte, konnte sich entspannen – die Stress-Hormone waren abgearbeitet.

Immer in Alarmbereitschaft? Das macht krank

Heute jedoch ist diese „Fight-or -Flight“-Strategie überholt. Durch das hohe Arbeitspensum in der heutigen Arbeitswelt, sind viele Arbeitnehmer:innen überlastet und ständig gestresst. Die Entspannung bleibt dabei oft aus. „Der globalisierte Turbokapitalismus führt zu einer ständigen Überlastung von denjenigen, die abhängig beschäftigt sind", sagt der Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Was das für Folgen hat, sieht Käfer an seinen Patient:innen. Denn im schlimmsten Fall macht permanenter Stress richtig krank – physisch und psychisch. Sichtbare Zeichen sind innere Unruhe, erhöhter Puls, Herzrasen, vermehrtes Schwitzen und muskuläre Verspannungen bis zu Ein- und Durchschlafstörungen. Auch akute Schübe bei Hauterkrankungen, Zähneknirschen oder Migräneanfälle können laut Peifer stressgetriggert sein. Langfristige Folgen reichen bis zu einem Burn-out, Depressionen oder chronischen Schmerzen.
 
 

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Anspannung braucht Entspannung

Wie aber kann ich vorbeugen oder rechtzeitig die Reißleine ziehen? Woher weiß ich, wann Stress nicht mehr gut und förderlich ist, sondern zu einer Belastung wird? „Es kommt auf die Art der Stressoren, ihre Intensität und die Dauer an“, sagt Corinna Peifer. „Wenn es sich gut anfühlt, wenn ich das Gefühl habe, ich komme voran und habe danach etwas geschafft, dann ist der Stress positiv und motivierend.“ Wenn er jedoch länger andauert – über mehrere Wochen oder Monate gar – kehrt sich die positive Wirkung ins Gegenteil um. Damit es nicht so weit kommt, braucht es dringend Erholungspausen. Wobei nicht unbedingt wochenlange Auszeiten im Urlaub gemeint sind, sondern schon die kleinen Pausen am Wochenende, am Feierabend oder auch tagsüber. „Ich bin eine große Freundin von Bewegung und frischer Luft in der Mittagspause“, sagt die Stress-Forscherin. Michael Käfer appelliert, sich sogenannte Coping-Strategien zuzulegen, also Verhaltensweisen und Techniken, die helfen, mit schwierigen Lebenssituationen umzugehen. Auch für ihn steht dabei viel Bewegung in der Natur an erster Stelle. Immer mehr Forschungen kämen zu dem Ergebnis, dass gerade Bewegung in der Natur extrem positive Effekte auf Kreislauf, Blutdruck und psychisches Wohlbefinden hätten. Ebenso können neben Kreativität und Musik auch progressive Muskelrelaxation, Yoga, Meditation und Achtsamkeitstraining die eigene Resilienz, also Widerstandskraft gegen Belastungen, stärken. Vor allem dann wenn man diese Dinge regelmäßig im Alltag macht und sich damit auch eine gewisse ausgeglichenere Grundhaltung aneignet.

Ursachen für Überlastung erkennen

Doch es gibt auch Grenzen. Michael Käfer appelliert, vor allem den Ursachen für die Überlastung auf den Grund zu gehen: „Wir können uns so viel wie möglich in der Natur bewegen und so viele Entspannungsübungen machen, wie wir wollen. Es wird alles immer nur eine Kompensation und ein Tropfen auf dem heißen Stein sein, wenn wir nicht unser Umfeld betrachten und nicht die grundlegenden Verhältnisse, die schädlich auf uns einwirken.“ Das gilt vor allem für dauerhafte negative Stressoren wie Konflikte, permanenten Lärm, objektiv nicht realisierbare Aufgaben oder ständiger Druck durch Führungskräfte. „Hier muss man jeweils gezielt ansetzen“, sagt Peifer. Etwa, indem man an Mediationen oder Teamentwicklungsmaßnahmen teilnimmt, Lärmquellen reduziert, Aufgaben auf mehr Kolleg:innen verteilt werden oder Führungskräfte Trainings zu gesunder Führung besuchen. Wenn jedoch alle Reparaturversuche nicht helfen und der Stress nicht weniger wird, sollte man Konsequenzen ziehen. Im Beruf beispielsweise, indem man über eine Versetzung in eine andere Abteilung oder einen Jobwechsel nachdenkt, oder Maßnahmen ergreift, um das Familien- und Privatleben weniger kräftezehrend organisieren zu können.

dpa


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