Übergewicht (BMI > 25) ist nicht nur ein Risikofaktor für Herzkreislauferkrankungen, sondern geht auch an die Nieren. Seit langem ist bereits ein indirekter Zusammenhang bekannt: Übergewichtige Menschen leiden oft unter Bluthochdruck – und der schädigt die feinen Blutgefäße in den Nieren, welche die Giftstoffe aus unserem Körper filtern. Die Funktion der Nieren nimmt dann stetig ab, bis die Betroffenen auf eine Nierenersatztherapie angewiesen sind. Allein bei einem Drittel aller Dialysepatienten ist die Nierenerkrankung auf Bluthochdruck zurückzuführen. Zudem entwickeln übergewichtige Menschen häufig einen Diabetes mellitus. Diese Stoffwechselstörung zieht wiederum oft eine chronische Nierenkrankheit nach sich. Etwa 30- 40% der Diabetiker weisen Nierenschäden auf. Jedes Jahr werden mehr als 2.000 Patienten in Folge von Diabetes mellitus dialysepflichtig (1).
Seit einigen Jahren ist nun aber bekannt, dass Fettleibigkeit die Nieren auch ganz direkt schädigt. Das Fettgewebe sondert verschiedene Peptidhormone wie Adiponectin, Leptin und Resistin ab, die zu Inflammation und oxidativem Stress führen, den Fettstoffwechsel negativ beeinflussen und erhöhte Insulinspiegel, oft auch eine Insulinresistenz nach sich ziehen. Diese Mechanismen führen zu krankhaften Veränderungen des Nierengewebes (sogenannten Glomerulopathien) und in Folge zu einer Abnahme der Nierenfunktion. Wie eine aktuelle Publikation in „Kidney International“ (2) berichtet, hat sich der Zahl der durch Übergewicht verursachten Glomerulopathien seit 1986 verzehnfacht.
„Das gibt uns Anlass zur Sorge“, erklärt Prof. Dr. med. Mark Dominik Alscher, Stuttgart, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), „denn es ist bekannt, dass Übergewicht im wahrsten Sinnen des Wortes ein zunehmendes Problem in unserer Gesellschaft ist. Die Menschen werden immer dicker, auch die Anzahl fettleibiger Kinder und Jugendlicher ist gestiegen. Um keine Explosion der Dialysezahlen zu erleben, müssen wir unsere Präventionsbemühungen weiter verstärken“. Zum einen müsse die Öffentlichkeit für dieses Problem sensibilisiert und die Bevölkerung zu einem gesünderen Lebensstil motiviert werden, zum anderen müssten aber auch nephrologische Früherkennungsmaßnahmen intensiviert werden. Denn wenn eine chronische Nierenerkrankung rechtzeitig erkannt wird, kann ihr Fortschreiten medikamentös verlangsamt und die Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie oft über Jahre hinausgezögert werden.
Auf die Frage, warum die Dialysezahlen trotz des Anstiegs übergewichtiger Menschen in den vergangenen Jahrzehnten dennoch stabil geblieben sind, antwortet DGfN-Pressesprecher, Prof. Dr. med. Jan Galle, Lüdenscheid: „Das hat im Wesentlichen drei Gründe. Zum einen ist jetzt die Kriegs- und Nachkriegsgeneration im „Dialysealter“ – und in dieser war das Problem der Fettleibigkeit oft nicht so ausgeprägt, zudem ist sie auch rein zahlenmäßig geringer als die Generation der „Baby Boomer“. Zum zweiten erreichen viele Patienten das „Endstadium“ Dialyse nicht, sondern versterben vorzeitig an Herz-und Gefäßerkrankungen – unsere Dialysepatienten sind also die „Surviver“. Der dritte Grund für die stabile Zahl an Dialysepatienten aber ist, dass sich die Früherkennung der chronischen Nierenerkrankung im vergangenen Jahrzehnt deutlich verbessert hat. Die Hausärzte betreuen Patienten mit leicht eingeschränkter Nierenfunktion kompetent und überweisen Risikopatienten, die einer fachärztlichen Betreuung bedürfen, rechtzeitig zum Nephrologen.“ So habe beispielsweise auch das „Disease Management Programm Diabetes“ dafür gesorgt, dass die Nierenfunktion von Diabetikern, einer Hauptrisikogruppe für Nierenerkrankungen, regelmäßig überprüft wird.
„Dieses Erfolgsrezept gilt es weiterzuführen“, ergänzt Prof. Alscher. „Regelmäßige Kontrollen der Nierenfunktion sollten nicht nur bei Diabetikern und älteren Menschen, sondern auch engmaschig bei allen Patienten mit Bluthochdruck oder Übergewicht durchgeführt werden!“ Wichtigste vorbeugende Maßnahme bleibt natürlich, sein Körpergewicht in den Normalbereich zu bringen – und langfristig zu halten.
Deutsche Gesellschaft für Nephrologie
Literatur:
1. http://www.diabetes-stoppen.de/fakten/zahlen-und-fakten-zu-diabetes
2. http://www.kidney-international.theisn.org/article/S0085-2538(16)30620-2/abstract
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