Mängel bei der digitalen Infrastruktur der elektronischen Patientenakte
„Die digitale Infrastruktur der
elektronischen Patientenakte könnte deutlich verbessert werden“, folgert Prof. Dr. Karola Marky von der Ruhr-Universität Bochum aus der Studie, „beispielsweise sollten Krankenkassen nicht die Apps bereitstellen, mit denen Versicherte den Zugriff auf ihre Daten festlegen können. Und es ist insgesamt deutlich mehr Aufklärung zu dem Thema erforderlich, die man nicht allein den Arztpraxen und Apotheken aufbürden kann.“
Wenig Wissen um digitale Infrastruktur
Für die Studie baten die Forschenden im ersten Schritt 21 gesetzliche Versicherte aufzumalen, wie sie sich die digitale Infrastruktur hinter der Patientenakte vorstellen. Zur Orientierung bekamen sie dabei folgendes Szenario an die Hand: Stellen Sie sich vor, Sie gehen zum Arzt und wollen diesem Zugriff auf Ihre Patientenakte gewähren. Wie stellen Sie sich den Datenfluss vor? Als Unterstützung erhielten die Befragten ein Set von ausgedruckten Icons, die beispielsweise eine Ärztin, ein Smartphone, die Krankenkasse oder ein Krankenhaus symbolisierten. Im Set enthalten waren auch Icons von Einrichtungen, die in die digitale Infrastruktur nicht einbezogen sind. Die Proband:innen wählten die ihrer Meinung nach passenden Icons aus und zeichneten handschriftlich die Verbindungen zwischen den ausgewählten Elementen ein. Parallel wurden sie zu ihren Entscheidungen befragt. Keine der 21 Personen vermutete die Struktur so, wie sie tatsächlich ist. Die Darstellungen der verschiedenen Personen wichen zudem deutlich voneinander ab. Die Studie zeigte einige Missverständnisse auf. So gingen die Proband:innen beispielsweise davon aus, dass alle Arztpraxen automatisch die Daten in ihrer Akte einsehen können. Tatsächlich müssen die Versicherten Ärzt:innen den Zugriff aber einzeln freischalten – über eine App oder mithilfe der Krankenkassenkarte und einer PIN.
Rolle der Krankenkassen wird kritisch gesehen
Im nächsten Schritt bekamen die Teilnehmenden die tatsächliche digitale Infrastruktur präsentiert und konnten äußern, was sie daran gut oder schlecht fanden. Hauptkritikpunkt war die Rolle der Krankenkassen. 85 Krankenkassen stellen ihren Versicherten derzeit Apps bereit, mit der sie Arztpraxen Zugriff freischalten oder die Daten in ihrer Akte bearbeiten können, beispielsweise um Einträge zu löschen.
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Mehr Vertrauen durch zentrale ePA-App für alle Versicherten
„Es ist gesetzlich geregelt, welche Daten Krankenkassen einsehen dürfen“, erklärt Karola Marky. Die Tatsache, dass die Kassen den Versicherten Apps zur Verfügung stellen, suggeriere vielen, dass Krankenkassen mehr Daten sehen könnten als ohne digitale Akte. Ob das tatsächlich stimmt, haben die Forschenden in der aktuellen Studie nicht untersucht. Aber: „Aus Sicherheitsperspektive wäre es besser, eine zentrale Open-Source-App in Deutschland anzubieten, die alle Versicherten nutzen können“, so Marky. „Das würde für mehr Vertrauen sorgen, einen einheitlichen Sicherheitsstandard garantieren und auch den Wartungsaufwand reduzieren.“ Außerdem fordern die Forschenden, dass es unterschiedliche Zugriffsmöglichkeiten auf die Akte geben sollte, beispielsweise auch über Desktop-Anwendungen, sodass Menschen ohne Smartphone die Dienste ebenfalls nutzen können.
Datensätze löschen können – Fluch und Segen zugleich
Die Tatsache, dass Versicherte Einträge aus ihrer Akte löschen können, sorgte für gemischte Gefühle unter den Befragten. Zum einen begrüßten sie die Kontrolle über die eigenen Daten. Zum anderen sahen sie auch Missbrauchspotenzial: Beispielsweise könne sich jemand dasselbe Medikament von 2 Ärzten verschreiben lassen und die Informationen darüber löschen. Die Bundesärztekammer empfiehlt aus diesem Grund bereits, dass Arztpraxen mit Zugriff auf die elektronische Patientenakte automatisch eine lokale Kopie von dieser speichern sollten.
Leichter Zugriff auf die ePA in medizinischen Notfällen
Zuletzt schlägt das Forschungsteam vor, dass die elektronische Patientenakte in einem medizinischen Notfall leichten Zugriff auf die Daten ermöglichen sollte, da Patient:innen selbst dann nicht mehr in der Lage sein könnten, Zugriff zu gewähren.