Donnerstag, 18. Juli 2024
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Medizin

CAR-T-Zellen als Therapieoption bei schwerem SLE: Fallbericht einer 16-Jährigen

CAR-T-Zellen als Therapieoption bei schwerem SLE: Fallbericht einer 16-Jährigen
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„Ein Jahr nach der Therapie geht es mir wie vor der Krankheit, bis auf ein paar Erkältungen“, sagt Uresa A. heute. Im Juni 2023 wurden der damals 15-Jährigen am Uniklinikum Erlangen CAR-T-Zellen verabreicht. Das heute 16-jährige Mädchen erhielt die Immuntherapie im Rahmen eines individuellen Heilversuchs am Deutschen Zentrum Immuntherapie (DZI) des Uniklinikums Erlangen als weltweit erstes Kind mit einem systemischen Lupus erythematodes (SLE). Die Ergebnisse der erfolgreichen Therapie veröffentlichte das Erlanger Behandlungsteam jetzt im medizinischen Fachjournal „The Lancet“ (1).

Neustart des Immunsystems durch gezielte Zerstörung autoreaktiver B-Zellen

Für diesen Therapieansatz werden den Betroffenen vor einer CAR-T-Zell-Infusion eigene Immunzellen (T-Zellen) entnommen und in einem speziellen Reinraumlabor mit einem chimären Antigenrezeptor (CAR) ausgestattet. Diese CAR-T-Zellen werden den Patient:innen dann zurückgegeben, docken in deren Blut an schädliche autoreaktive B-Zellen an und zerstören diese. Das Resultat ist ein Neustart des Immunsystems.

SLE verschlimmerte sich trotz intensiver Therapien

Uresas Symptome hatten im Herbst 2022 begonnen: migräneartige Kopfschmerzen, Erschöpfung, Gelenk- und Muskelschmerzen und der Lupus-typische rötliche Schmetterlingsausschlag im Gesicht. Sie litt unter Fieber, hatte zu wenig roten Blutfarbstoff, herabgesetzte Werte bei bestimmten Proteinen, die an der Immunabwehr beteiligt sind, und erhöhte Lupus-spezifische Autoantikörper, die sich gegen ihr gesundes Gewebe richteten. Es folgten Therapien mit zahlreichen Medikamenten, die allerdings Uresas Leber angriffen. Trotz intensiver Therapien verschlimmerte sich die Erkrankung; auch die Nierenwerte des Mädchens verschlechterten sich. Diese Nierenbeteiligung, bekannt als Lupusnephritis, tritt bei über 50% der SLE-Betroffenen auf.

Nierenfunktion verschlechterte sich weiterhin rapide

Schließlich übernahm Ende 2022 Kinderrheumatologe Dr. Krickau Uresas Behandlung am Uniklinikum Erlangen, doch die Nierenfunktion der Teenagerin verschlechterte sich rapide. „Gemeinsam mit der Kindernephrologie versuchten wir als Nächstes eine hochgradig immunsuppressive Chemotherapie, die bei immunologisch vermittelten akuten Nierenerkrankungen helfen kann – doch auch damit trat keine Besserung ein“, so Tobias Krickau. Innerhalb weniger Monate mussten die Ärzt:innen dabei zusehen, wie „ihnen der Lupus davonlief“, wie Dr. Krickau sagt. „Die Patientin hatte eine enorme Menge an Entzündungsbotenstoffen im Körper. Mit Plasmapheresen versuchten wir, die schädlichen Autoantikörper aus ihrem Blut zu waschen – zwei Wochen lang, jeden Tag. Aber die Nieren bauten weiter ab, bis sie schließlich ganz versagten und Uresa an die Dialyse musste.

„Ich habe nichts mehr, was ich ihr geben kann“

Doch Dr. Krickau war am Ende seiner therapeutischen Möglichkeiten angelangt. „Ich habe nichts mehr, was ich ihr geben kann“ – mit diesem Satz wandte sich der Kinderrheumatologe an das Team der Pädiatrischen Onkologie, um die Möglichkeit einer CAR-T-Zell-Therapie auszuloten. „Bisher wird diese Form der Immuntherapie nur bei Kindern mit Krebserkrankungen angewandt und es gibt keine Erfahrungen bei Autoimmunerkrankungen in diesem jungen Alter. Deswegen verlangt eine solche erste Anwendung ein besonders hohes Maß an Vorbereitung und Risikoabwägung“, erläutert Prof. Dr. Markus Metzler, Leiter der Kinderonkologie des Uniklinikums Erlangen.
 
 

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Kein Medikament zuvor wirkte so gut wie die CAR-T-Zell-Therapie

Eine vorbereitende milde Chemotherapie schaffte Platz für die CAR-T-Zellen in Uresas Blut. „Die Kunst war es, richtig auszutarieren, dass die Chemotherapeutika einerseits ordentlich wirken und nicht durch die notwendige Dialyse gleich wieder ausgewaschen werden, und dass andererseits aber auch die noch vorhandene Restfunktion der Nieren nicht gefährdet wird“, erklärt Kinderonkologe Prof. Metzler die Schwierigkeit. Am 26. Juni 2023 erhielt Uresa die eigens für sie hergestellten CAR-T-Zellen. „Ab Woche drei sahen wir, dass sich die Nieren- und die Lupus-Werte besserten“, berichtet Dr. Krickau. „Das hatten wir mit keinem Medikament zuvor erreicht.“ Stück für Stück klangen alle Beschwerden ab.

„Weil wir uns so schnell für die CAR-T-Zell-Therapie entschieden haben, konnten wir dauerhafte Organschäden verhindern“, ist Dr. Krickau überzeugt. „Sie war sterbenskrank und dann haben sich ihre Nieren wieder erholt – das hätte niemand in diesem Maß für möglich gehalten“, so Dr. Krickau. Gemeinsam mit der Kinderonkologie plant der Kinderrheumatologe nun eine Studie mit weiteren Kindern und Jugendlichen mit schweren Autoimmunerkrankungen. Die Hoffnung: das große Potenzial der CAR-T-Zellen auch in der Kinderrheumatologie nutzbar zu machen.

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Literatur:

(1) Krickau et al. (2024): CAR T-cell therapy rescues adolescent with rapidly progressive lupus nephritis from haemodialysis. The Lancet, DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(24)00424-0



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