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Schwerpunkt November 2022

Die Angst vor der Organspende und wie Ärzt:innen sie ihren Patient:innen nehmen können

von Susanne Morisch

Die Angst vor der Organspende und wie Ärzt:innen sie ihren Patient:innen nehmen können
© Dan Race - stock.adobe.com
Wie viele Menschen sind in Deutschland als Organspender:in registriert? „Viel zu wenige“, konstatiert Dr. Jakob Berger, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Organspende des Deutschen Hausärzteverbandes. Im Interview erklärt er, welche Ängste Patient:innen davon abhält, sich einen Organspendeausweis geben zu lassen und wie Ärzt:innen darauf eingehen sollten.
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Beratungsgespräch Organspende alle 2 Jahre abrechenbar

Seit März 2022 können Hausärzt:innen alle 2 Jahre ihre Patient:innen zum Thema Organ- und Gewebespende beraten. Vergütet wird das Gespräch mit 7,32 Euro und wird mit der Gebührenordnungsposition (GOP) 01480 abgerechnet. Hintergrund ist das Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende.

Organspende in Deutschland: Keine Mehrheit für Widerspruchslösung

Einer der Entwürfe sah im Jahr 2020 die Widerspruchslösung vor. „Mir wäre die Widerspruchslösung lieber gewesen“, sagt Berger. Während man in Deutschland 5 oder 6 Jahre auf ein Organ wartet, sind es zum Beispiel in Österreich, wo die Entscheidungslösung gilt, nur 2 bis 3 Jahre.“ Die längere Wartezeit hat nicht zuletzt damit zu tun, dass in Deutschland nur Organspender:in werden darf, der vorab ausdrücklich seine Zustimmung bekundet hat.
 
Infobox Widerspruchslösung und Entscheidungslösung

Widersprechen oder aktiv zustimmen? Das ist im Wesentlichen die Frage, um die sich die gesetzliche Regelung der Organspende dreht. In Deutschland gilt die Entscheidungslösung. Das bedeutet, Organe und Gewebe dürfen nach dem Tod nur entnommen werden, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten zugestimmt hat. Möglich ist auch, dass Angehörige stellvertretend zustimmen. Außerdem sollen die Bürger:innen regelmäßig neutrales Informationsmaterial erhalten.
Die Widerspruchslösung hingegen geht von einer stillschweigenden Zustimmung aus. Hier muss zu Lebzeiten einer Organentnahme aktiv widersprochen werden. Obwohl dieser Ansatz schon mehrfach im Parlament diskutiert wurde, gibt es für die Widerspruchslösung aktuell in Deutschland keine Mehrheit.

Beratungsgespräch zur Organspende in der Hausarztpraxis

Um so wichtiger sind die Beratungsgespräche, die jede:r approbierte Ärzt:in führen darf. Berger sieht vor allem die Hausärzt:innen in der Position, das Beratungsgespräch zu führen: „Gerade als Hausarzt kennt man seine Patient:innen. Es besteht ein großes Vertrauensverhältnis. Und das sollte man nützen, um die Patient:innen vom Nutzen einer Organspende zu überzeugen.“

Material zur Organspende von der BZgA

„Die Beratungsleistung Organspende wird meiner Erfahrung nach immer noch zu wenig gemacht, weil es leider oft schlicht vergessen wird. Daher ist es sehr wichtig, die Kolleg:innen immer wieder dran zu erinnern, die Patient:innen drauf anzusprechen und ihnen Informationsmaterial und den Organspendeausweis mitzugeben.“ Dieses Material wird von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur Verfügung gestellt.

Warum gibt es so wenige Organspender:innen in Deutschland?

In Deutschland kommen gerade einmal 10,3 Organspender:innen auf 1 Mio. Einwohner:innen. In Spanien sind es hingegen 46 Spender:innen auf 1. Mio Einwohner:innen. Wie lässt sich die Bereitschaft in Deutschland erhöhen und warum ist die Zahl der Organspender:innen in Deutschland vergleichsweise niedrig? „Meiner Erfahrung nach lohnt es sich, Zeit in das Beratungsgespräch zu investieren, da sich die meisten Patient:innen sehr aufgeschlossen zeigen. Solche Gespräche nehmen den Patient:innen auch viel von ihren Ängsten. Zum Beispiel herrscht bei vielen noch immer die Angst vor, dass die Beatmungsmaschinen früher abgestellt werden, wenn man Organspender:in ist. Dass in Deutschland immer 2 Ärzt:innen unabhängig voneinander den Hirntod feststellen müssen, wissen viele einfach nicht“, erklärt Berger.
 
 

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Erschienen am 18.06.2021Alle Informationen zum Ratgeber „Meine Patientenverfügung“ von der Stiftung Warentest, finden Sie auf www.journalmed.de!

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©Alexander Raths - stock.adobe.com

Beratungsgespräch Organspende: auf die Ängste der Patient:innen eingehen

Grundsätzlich ist es beim Beratungsgespräch entscheidend, auf die Ängste der Patient:innen einzugehen. „Was hält Sie davon ab, Organspender:in zu werden, ist eine gute Frage. Da erfährt man direkt, wovor sich die Patient:innen fürchten“, schlägt Berger vor. „Gerade als Hausarzt kennt man seine Patient:innen. Es besteht ein großes Vertrauensverhältnis. Und das sollte man nützen, um die Patient:innen vom Nutzen einer Organspende zu überzeugen.“

Organspende: Angst vor verfrühtem Einstellen der lebenserhaltenden Maßnahmen

Eine der Ängste ist auch, dass die Gleichsetzung von „hirntot“ und „tot“ falsch sein könnte. Hier sei es besonders wichtig, den Patient:innen deutlich zu machen, dass diese Gleichsetzung aus gutem Grund besteht. „Man muss den Patient:innen erklären, dass die Diagnose Hirntod bedeutet, dass das Gehirn einen irreversiblen Funktionsausfall erlitten hat und das Herz-Kreislauf-System nur mithilfe intensivmedizinischer Maßnahmen künstlich aufrechterhalten wird, da viele die Angst umtreibt, sie würden als Organspender:in eher für tot erklärt, obgleich es noch Überlebenschancen gäbe.“

Arbeitsgemeinschaft Organspende des Deutschen Hausärzteverbandes

Ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Menschen auch nach dem Hirntot noch anderen Menschen helfen können, ist daher ein wichtiges Anliegen der Arbeitsgemeinschaft Organspende des Deutschen Hausärzteverbandes: „Das Ziel ist es, die Menschheit aufzurütteln. Jeder von uns kann verunglücken oder nierenkrank oder herzkrank werden“, sagt Berger.

Ist die Bereitschaft zur Organspende von Alter, Geschlecht oder Bildung abhängig?

Dieses Bewusstsein ist nach Bergers Erfahrung eher bei jüngeren Patient:innen verankert, die dann von sich aus das Beratungsgespräch in Anspruch nehmen. „Oft ist der Auslöser, dass die Betreffenden von jemandem aus dem Bekanntenkreis gehört haben, der ein Organ bekommen hat oder auf eines wartet. Hinsichtlich des Geschlechts gibt es keine nennenswerten Unterschiede – auch wenn Männer vielleicht etwas mehr zur Organspende bereit sind – sehr wohl aber in Bezug auf Bildung und gesundheitlicher Selbstfürsorge: „Bei Menschen mit höherer Bildung und einem ausgeprägten Gesundheitsbewusstsein ist die Bereitschaft zur Organspende weiter verbreitet“, erzählt Berger aus seinen Erfahrungen.
 
 

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©Paul Green

Organspende in Deutschland – Hohe Bereitschaft, niedrige Spender:innenzahlen

Generell ist die Bereitschaft zur Organspende in Deutschland hoch. Nach einer aktuellen Umfrage der BZgA sehen 84% der Bevölkerung die Organspende grundsätzlich positiv. Trotzdem gibt es in der ganzen Bundesrepublik nur rund 1 Million registrierte Spender:innen.
Tragen Sie dazu bei, dass mehr Menschen ihre Organe spenden! Beraten Sie Ihre Patient:innen aktiv zur Organspende!

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