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Myokarditis
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Epidemiologie der Myokarditis

Die Myokarditis ist eine Entzündung des Herzmuskels, die Menschen aller Altersgruppen betreffen kann und meist durch eine Virusinfektion bedingt ist. Sie verläuft in mehreren Phasen und ist einer der wichtigsten Auslöser der dilatativen Kardiomyopathie (DCM), die mit progredienter Herzinsuffizienz einhergeht. Die Erkrankung zählt zu den häufigsten Ursachen für Herzinsuffizienz bei Patient:innen vor dem 40. Lebensjahr, wobei Männer unter 40 Jahren ein höheres Risiko für einen fulminanten Krankheitsverlauf aufweisen.

Im Rahmen der Global Burden of Disease-Studie wurde auf der Grundlage der ICD-Codes (International Classification of Diseases) zwischen 1990 und 2013 eine weltweite Inzidenz von 22 Fällen von Myokarditis pro 100.000 Patient:innen und eine Sterblichkeitsrate zwischen 1 und 7% ermittelt. Aufgrund der heterogenen Krankheitsverläufe und der oft unspezifischen Symptome bleibt die Myokarditis jedoch häufig unentdeckt, sodass die tatsächliche Inzidenz wahrscheinlich wesentlich höher liegt.

Infektiöse und nicht-infektiöse Ursachen der Myokarditis

Die Ursachen einer Myokarditis sind vielseitig, wobei eine Myokarditis häufig in Folge einer Virusinfektion auftritt:

Infektiöse Ursachen

Viren: Zu den wichtigsten viralen Erregern zählen Coxsackie A- und B-Viren, Adenoviren, Parvovirus B19, Herpesviren (auch z.B. Zytomegalie- und Epstein-Barr-Virus) sowie SARS-CoV-2.

Bakterien: Streptokokken, Staphylokokken und Borrelien können ebenfalls Myokarditis auslösen.

Pilze und Parasiten: Diese spielen vor allem in immunsupprimierten Patient:innen eine größere Rolle.

Autoimmunerkrankungen

Krankheiten wie systemischer Lupus erythematodes oder rheumatoide Arthritis können durch autoimmunvermittelte Entzündungen den Herzmuskel schädigen.

Toxische und andere Ursachen

Medikamente: Bestimmte Chemotherapeutika und Drogen wie Kokain sowie Überempfindlichkeitsreaktionen auf Antibiotika, Impfstoffe oder Antidepressiva stehen im Verdacht, eine Myokarditis zu induzieren.

Strahlenbelastung: Strahlentherapie bei Krebspatient:innen kann Myokardschäden verursachen ebenso wie Metalle und andere Noxen.

Formen der Myokarditis

Die klinischen Erscheinungsformen einer Myokarditis sind sehr unterschiedlich und reichen von asymptomatischen Verläufen, die zufällig diagnostiziert werden, bis hin zu fulminanten Krankheitsbildern, die Symptome einer akuten Herzinsuffizienz oder eines kardiogenen Schocks umfassen und zum plötzlichen Herztod führen können. Generell kann die Myokarditis in akuten, subakuten, fulminanten, und chronischen Formen auftreten.

Eine akute Myokarditis kann definiert werden als ein Zeitraum von weniger als einem Monat zwischen dem Auftreten der Symptome und der Diagnose. Die fulminante Myokarditis ist eine schwere, sich schnell entwickelnde Form der akuten Myokarditis. Die subakute Myokarditis ist durch eine anhaltende Myokardschädigung aufgrund eines bestehenden/wiederkehrenden Stimulus für eine Myokardentzündung gekennzeichnet, kann aber auch als ausheilende Myokarditis definiert werden, wenn es Hinweise auf eine vorangegangene aktive Myokarditis gibt. Darüber hinaus kann eine subakute Myokarditis definiert werden als ein Zeitraum von mehr als 1-3 Monaten zwischen Symptombeginn und Diagnose. Wenn die Symptome über einen längeren Zeitraum (> 1 Monat) anhalten, wird der Krankheitsprozess als chronisch entzündliche Kardiomyopathie betrachtet.

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Klinische Symptome bei einer Myokarditis

Auch wenn die Myokarditis asymptomatisch sein kann, sind die häufigsten klinischen Merkmale retrosternale Schmerzen, Fieber, Dyspnoe, Tachypnoe, Tachykardie, Arrhythmien, Zeichen von Herzinsuffizienz bzw. Herzversagen wie gestaute Halsvenen, periphere und Lungenödeme. In vielen Fällen beginnen die Symptome 1-4 Wochen nach einer respiratorischen oder gastrointestinalen Infektion. Ein eindeutiges Symptom, das charakteristisch für Myokarditis ist, gibt es nicht. Häufig treten unspezifische grippeähnliche Beschwerden wie Abgeschlagenheit, Fieber und ein allgemeines Krankheitsgefühl auf, die im Zusammenhang mit vorangegangenen (viralen) Infekten stehen und eine Beteiligung des Herzmuskels verschleiern können. Die akute Myokarditis muss daher von akuten Koronarsyndromen und der akuten Perikarditis unterschieden werden, da sich die klinischen Merkmale überschneiden. Von zusätzlicher Bedeutung ist eine ausführliche Familienanamnese, die darauf abzielt, zugrunde liegende vererbte Kardiomyopathien auszuschließen, wie z. B. eine linksventrikuläre arrhythmogene Kardiomyopathie, die mit einer akuten Myokarditis einhergehen oder als solche fehldiagnostiziert werden kann. Bis zu 80% der Patient:innen mit akuter Myokarditis weisen Prodromalsymptome auf. Daher ist es möglich, dass die Patient:innen in der Anamnese eine grippeähnliche, respiratorische und/oder gastrointestinale Erkrankung zeigen. Fulminante Formen der Myokarditis müssen von anderen Erkrankungen unterschieden werden, die eine hämodynamische Instabilität in Verbindung mit einer akuten myokardialen Dysfunktion verursachen können (z. B. septischer Schock).

Diagnose der Myokarditis

Die Diagnostik der Myokarditis erfordert eine interdisziplinäre Herangehensweise, bei der klinische, laborchemische und bildgebende Verfahren miteinander kombiniert werden.

Anamnese und klinische Untersuchung

Patient:innen berichten oft über grippeähnliche Symptome, gefolgt von Brustschmerzen oder Herzklopfen. Auch Hinweise auf kürzliche Infektionen oder Vorerkrankungen wie Autoimmunerkrankungen können wegweisend sein.

Laboruntersuchungen

Die frühe Basisdiagnostik beinhaltet die Blutentnahme. Von Interesse sind hier kardiale Biomarker wie erhöhte Troponin- und BNP-Werte, die auf eine Herzschädigung hinweisen sowie Entzündungsmarker wie die Blutsenkungsgeschwindigkeit, das C-reaktive Protein (CRP) oder die Leukozytenzahl, die einer viralen Myokarditis erhöht sein können. Wichtig: Eine Erhöhung des Troponins ist dabei nicht spezifisch für eine Myokarditis, und ein normwertiges Troponin schließt eine Myokarditis nicht aus.

Bildgebung

Im Elektrokardiogramm (EKG) können pathologische Veränderungen wie ST-Streckenhebung und –senkung, Überleitungsstörungen und Schenkelblöcke, PQ-Zeit-Verlängerung und supraventrikuläre und ventrikuläre Arrhythmien gefunden werden. Diese Veränderungen sind jedoch kurzfristig, sodass die EKG-Ergebnisse variabel und die Sensitivität und Spezifität eher gering sind.

Mit der kardialen Magnetresonanztomographie (CMR) als nicht-invasives Schnittbildverfahren, die entzündliche Veränderungen und Narben im Herzmuskel sichtbar macht, kann die Herzfunktion beider Ventrikel untersucht und Aussagen über die Gewebezusammensetzung des Myokards getroffen werden. Mit der CMR können verschiedene Veränderungen wie Ödeme, inflammatorische Hyperämie, Fibrose, Nekrose, Perikardergüsse, Wandbewegungsstörungen und Einschränkungen der Funktion, die für die akute Myokarditis typisch sind, nachgewiesen werden.

Endomyokardbiopsie

Die Endomyokardbiopsie stellt ein invasives Verfahren in der Diagnostik der Myokarditis dar, insbesondere bei therapierefraktären oder schweren Verläufen. Sie ermöglicht die direkte Untersuchung von Myokardgewebe und gilt als Goldstandard, um entzündliche Prozesse, spezifische Erreger oder strukturelle Schäden zu identifizieren. Während der Untersuchung wird unter sterilen Bedingungen eine Gewebeprobe aus dem rechten oder linken Ventrikel im Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung entnommen. Histologische und immunhistochemische Analysen der Biopsie können entzündliche Zellinfiltrate, nekrotische Myozyten oder virale Genome nachweisen. Die Ergebnisse helfen, zwischen viralen, autoimmunen und toxischen Ursachen der Myokarditis zu unterscheiden, sodass eine gezielte Therapie ermöglicht wird.

Diese Methode ist jedoch mit Risiken verbunden. Dazu gehören Blutungen, Perforation der Herzwand mit perikardialem Erguss und Gefahr einer Herzbeuteltamponade, Klappenläsionen, Herzrhythmusstörungen und Embolien während der Herzkatheter-Untersuchung. Daher wird eine Endomyokardbiopsie nur bei klarer Indikation durchgeführt.

Generell ist die Endomyokardbiopsie aber eine sehr sichere Methode mit geringer Komplikationsrate, die nur in Zentren mit einer hohen Rate an Endomyokardbiopsien und entsprechend hoher Expertise durchgeführt wird. Leitlinien empfehlen die Endomyokardbiopsie insbesondere bei rasch progredienter Herzinsuffizienz oder Verdacht auf spezifische Ursachen wie Riesenzellmyokarditis. Trotz ihres hohen diagnostischen Werts wird die Endomyokardbiopsie aufgrund ihres invasiven Charakters oft durch nicht-invasive Verfahren wie das Kardio-MRT ergänzt. Ihre Bedeutung bleibt jedoch unbestritten, wenn es darum geht, komplexe oder unklare Fälle zu klären und personalisierte Therapieentscheidungen zu treffen.

Therapie der Myokarditis

Die aktuellen Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) geben klare Handlungsempfehlungen bei Myokarditis. Diese richten sich nach der Schwere der Erkrankung, den zugrunde liegenden Ursachen und dem klinischen Verlauf. Zentrale Bestandteile der Behandlung sind eine konsequente körperliche Schonung und die symptomatische Therapie bei Herzinsuffizienz oder Rhythmusstörungen. Patient:innen mit einer milden Myokarditis sollten körperliche Anstrengungen insbesondere in der akuten Phase der Erkrankung – dazu zählen auch bereits geringe Belastungen im Alltag – unbedingt vermeiden und sich strikt an Ruhezeiten halten, um die Heilung zu unterstützen und Komplikationen zu vermeiden. Der entzündete Herzmuskel muss geschont werden, bis die Entzündung vollständig abgeklungen ist, was unter Umständen mehrere Wochen dauern kann. Bei Anzeichen einer Herzinsuffizienz werden ACE-Hemmer, Betablocker und Diuretika eingesetzt, um die kardiale Funktion zu stabilisieren.

Bei nachgewiesenen infektiösen Ursachen kann eine spezifische antivirale oder antibiotische Therapie erforderlich sein. Die Ätiologie kann jedoch oft nicht eindeutig identifiziert werden oder es besteht eine virale Ätiologie, für die es keine spezifische Behandlung gibt und/oder für die keine spezifische Behandlung erforderlich ist.

Bei autoimmunvermittelten Formen der Myokarditis können immunsuppressive Therapien, einschließlich Kortikosteroiden oder anderen Immunsuppressiva, in Erwägung gezogen werden, allerdings nur unter strikter Beachtung der Leitlinien. Antikoagulation wird bei Patient:innen mit thromboembolischen Ereignissen empfohlen. Zusätzlich sollten potenziell toxische Substanzen, wie Alkohol oder bestimmte Medikamente, vermieden werden. Regelmäßige Verlaufskontrollen sind essenziell, um die Therapie anzupassen und die Erholung des Herzmuskels zu beurteilen.

Insgesamt legt die leitliniengerechte Therapie der Myokarditis den Fokus auf eine individualisierte und ursachenorientierte Behandlung, um Langzeitfolgen zu minimieren. Ebenso sollten Rhythmusstörungen und Herzinsuffizienz gemäß aktueller Leitlinien behandelt werden.

Die Gesamtprognose der Myokarditis ist gut, und die Mehrheit der Patient:innen erholt sich; eine Minderheit der Patient:innen entwickelt jedoch Langzeitfolgen, häufig in Form einer dilatativen Kardiomyopathie, die durch Herzinsuffizienz und/oder Herzrhythmusstörungen verkompliziert wird.

Literatur:

(1) https://leitlinien.dgk.org/
(2) https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/023-025