Morbus Parkinson: Bisher noch keine ursächlichen Therapien
Morbus Parkinson ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung, in Deutschland leben nach Schätzungen 300.000 Betroffene. Die häufigsten und bekanntesten Symptome sind Zittern sowie verlangsamte und verminderte Bewegungen. Während sich die Symptome inzwischen durch Medikamente oder den Einsatz von Hirnschrittmachern relativ gut behandeln lassen, gibt es bisher jedoch keine ursächlichen Therapieansätze, die eine Heilung ermöglichen.
Biologische Klassifikation von Parkinson als Startpunkt für neue Therapien
„Seit einigen Jahren verzeichnet die Forschung bedeutende Fortschritte bei der Erforschung der zugrundeliegenden Ursachen und des komplexen Zusammenspiels der Pathomechanismen der Erkrankung. Wir hoffen, in den kommenden 10 Jahren gezielte Therapien einführen können, die an den molekularen Grundlagen von Parkinson ansetzen“, sagt Prof. Berg, Direktorin der Klinik für Neurologie des UKSH, Campus Kiel, und Professorin für Neurologie der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). „Um diesen Weg erfolgreich zu beschreiten, ist es für die zukünftige Forschung unerlässlich, von einer rein klinisch basierten Diagnose hin zu einer biologischen Klassifikation zu kommen“, ergänzt Prof. Klein, Sektionsleiterin für Molekulare und Klinische Neurogenetik der Klinik für Neurologie des UKSH, Campus Lübeck, und Direktorin des Instituts für Neurogenetik des UKSH und der Universität zu Lübeck (UzL).
Bisherige Klassifikation erfolgte anhand klinischer Merkmale
Bisher erfolgt die
Diagnose von Morbus Parkinson anhand klinischer Merkmale, d.h. dem Vorliegen typischer motorischer Symptome ergänzt beispielsweise durch Bildgebungsverfahren wie MRT. Auch die Einteilung verschiedener Parkinson-Formen erfolgt vorrangig anhand klinischer Kriterien. Mit ihrer neuen „SynNeurGe“-Klassifikation schlagen die Autor:innen, zu denen neben Prof. Berg und Prof. Klein auch die deutschen Parkinson-Forscher Prof. Dr. Günter Höglinger (München) und Prof. Dr. Tiago Outeiro (Göttingen) sowie namhafte internationale Forschende zählen, eine biologisch-basierte, dreiteilige Klassifikation vor (1). Sie bezieht die wachsenden Erkenntnisse über die biologischen Grundlagen der Krankheit ein und ermöglicht es perspektivisch gezielter, verschiedene Parkinson-Formen zu unterscheiden, zu erforschen und Therapieoptionen zu entwickeln.
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Synucleinopathien sind durch Ablagerungen von α-Synuclein im Gehirn gekennzeichnet
Hintergrund der neuen Klassifikation ist die Erkenntnis, dass Morbus Parkinson und verwandte neurodegenerative Erkrankungen (Synucleinopathien), durch Ablagerungen von fehlgefaltetem α-Synuclein-Protein im Gehirn gekennzeichnet sind. Diese Ansammlungen, die meist als Lewy-Körperchen histologisch im Gehirn nachweisbar sind, führen zur Zerstörung von Dopamin-produzierenden Neuronen, wodurch die charakteristischen motorischen Symptome von Parkinson ausgelöst werden. Inzwischen ist außerdem bekannt, dass verschiedene Gen-Mutationen sowie genetische Risikofaktoren die Erkrankung begünstigen können.
Dreiteilige Klassifikation von Parkinson
Auf dieser Grundlage berücksichtigt die SynNeurGe-Klassifikation 3 Schlüsselkomponeten:
- Die „Parkinson-Typ Synucleinopathie“, d.h. die Anwesenheit oder Abwesenheit von pathologischem α-Synuclein (S) in Geweben oder in Körperflüssigkeiten wie Nervenwasser.
- Hinweise auf eine Parkinson-assoziierte Neurodegeneration (N), die durch spezifische neurobildgebende Verfahren definiert wird.
- Der Nachweis von Parkinson-spezifischen pathogenen Genvarianten (G), die Parkinson verursachen oder stark dazu prädisponieren.
Diese biologische „S-N-G“-Klassifikation wird in Verbindung gebracht mit einem klinischen Syndrom (C), das durch ein hochspezifisches Merkmal oder mehrere weniger spezifische Merkmale definiert ist.
Paradigmenwechsel durch Neudefinition der Parkinson-Erkrankung
Prof. Berg betont: „Die neue Definition der Parkinson-Erkrankung ist ein richtungsweisender Paradigmenwechsel, der den Weg frei macht für eine neue Phase von Grundlagen- und klinischen Forschungsstudien, mit denen wir individualisierte und an den Ursachen ansetzende Präzisionstherapien entwickeln können.“ Prof. Klein erklärt: „Denn nur, wenn in künftigen Studien zu den verschiedenen Parkinson-Formen eine exakte Definition bzw. Stratifizierung der untersuchten Kohorten erfolgt, können neue Medikamente, die an unterschiedlichen molekularen Mechanismen ansetzen, entwickelt werden.“