Seltene Lebererkrankungen meist schlecht zu identifizieren – Neue pathophysiologische Erkenntnisse führen zu Verbesserungen
Es gibt verschiedene seltene Erkrankungen, die zu einer
Leberschädigung führen können. Dabei werden angeborene Krankheiten, autoimmune Erkrankungen, bei denen die Leber vom eigenen Immunsystem angegriffen wird und Erkrankungen, die infektiöse oder toxische Ursachen haben, voneinander unterschieden. Diese Erkrankungen verlaufen fortschreitend und senken häufig die Lebenserwartung. Die Problematik bei seltenen Lebererkrankungen besteht darin, dass diese häufig keine spezifischen Symptome verursachen und daher sehr schlecht zu diagnostizieren sind. Für zahlreiche seltene Lebererkrankungen gibt es in den letzten Jahren einen Erkenntnisgewinn bei der Pathophysiologie – beispielsweise durch die Identifizierung einzelner Gene und deren Funktion für die jeweilige Erkrankung.
Neue Strategien für die Behandlung von seltenen Lebererkrankungen: Hemmung von defekten Proteinen durch RNAi
„Prinzipiell sind verschiedene, fundamental neue therapeutische Strategien für die Behandlung von seltenen Lebererkrankungen denkbar. So gibt es beispielsweise für den Ersatz eines defekten oder fehlenden Proteins deutlich bessere Optionen. Wir haben bereits jetzt die Möglichkeit, durch Nutzung der RNA-Interferenz gezielt die Bildung von ‘schädlichen‘ Proteinen zu hemmen. Einige der bisher nicht behandelbaren seltenen Lebererkrankungen sind mit den neuen Therapie-Optionen gut zu kontrollieren“, erklärt Prof. Dr. Michael P. Manns, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Leberstiftung.
Neue Ansätze bereits im klinischen Alltag angekommen – Weitere Optionen befinden sich in der Entwicklung
Prof. Dr. Manns macht betroffenen Patient:innen für die Zukunft weiter Hoffnung: „Für einige seltene Lebererkrankungen und seltene genetische Speichererkrankungen mit Leberbeteiligung sind die neuen Ansätze zur Therapie bereits im klinischen Alltag angekommen. Und weitere vielversprechende Therapie-Optionen befinden sich aktuell in der frühen klinischen Entwicklung. Erstmalig seit vielen Jahrzehnten sind jetzt für bestimmte seltene Lebererkrankungen wirkliche Fortschritte in den therapeutischen und speziell gentherapeutischen Möglichkeiten absehbar.
Kontrolle der Leberwerte bei unspezifischen Beschwerden – Sensibilisierung von Haus- und Kinderärzt:innen für seltene Lebererkrankungen
Doch nur wenn eine seltene Lebererkrankung auch diagnostiziert wird, können betroffene Patient:innen von den wirksamen neuen Therapien profitieren. Deswegen ist es wichtig, bei unspezifischen Beschwerden die Leberwerte zu kontrollieren und seltene Lebererkrankungen als Ursache in Betracht zu ziehen. Alle Ansprechpartner bei neu auftretenden Gesundheitsproblemen, in der Regel also Haus- und Kinderärzte, müssen verstärkt für seltene Lebererkrankungen sensibilisiert werden.“
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Neue Ansätze auch für autoimmune Lebererkrankungen verlängern das transplantationsfreie Überleben
Eine besondere Gruppe von seltenen Lebererkrankungen wird unter dem Begriff „autoimmune Lebererkrankungen“ zusammengefasst. Diese unterscheiden sich zwar im Krankheitsverlauf und in der Ausprägung, haben jedoch in einem wesentlichen Punkt eine Gemeinsamkeit: Das körpereigene Immunsystem ist fehlgesteuert. Körpereigene Strukturen werden als „körperfremd“ identifiziert und bekämpft. Zu den autoimmunen Lebererkrankungen gehören die Autoimmune Hepatitis (AIH), die
Primär Biliäre Cholangitis (PBC) und die
Primär Sklerosierende Cholangitis (PSC). Auch für diese Erkrankungen, die aktuell noch nicht heilbar sind, gibt es zum Teil bessere Therapieoptionen, mit denen sie besser kontrollierbar sind und das transplantationsfreie Überleben verlängert werden kann.
PBC inzwischen gut kontrollierbar – medikamentöse Therapien bei PSC werden erforscht
Sowohl PSC als auch PBC können in eine Leberzirrhose übergehen. Bei Patienten mit PSC ist zudem das Risiko erhöht, ein Gallengangskarzinom zu entwickeln. Vor allem die PBC ist mit einer Gallensäure (Ursodesoxycholsäure, UDCA) und bei ausgewählten Patient:innen mit Medikamenten wie beispielsweise
Obeticholsäure (OCA) inzwischen gut kontrollierbar. Bei der PSC werden hauptsächlich Komplikationen überwacht und behandelt, an medikamentösen Therapien wird geforscht. Unter bestimmten Umständen ist eine Lebertransplantation die einzige Therapieoption.
Frühe Diagnose und Behandlung wichtig für AIH-Therapie und bei immunvermittelten Nebenwirkungen durch ICI-Inhibitoren
Auch bei der AIH ist es wichtig, möglichst frühzeitig eine Diagnose zu stellen und mit der Therapie zu beginnen. Im Rahmen einer Krebstherapie mit neuen Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) können Leberentzündungen (Hepatitiden) auch als immunvermittelte Nebenwirkung auftreten, sodass hier eine frühe Erkennung und Behandlung wichtig ist.
Ausrichter des Lebertages rufen zu neuem Bewusstsein bei Leberwerterhöhungen und seltenen Lebererkrankungen auf
Mit dem Motto „total zentral: die Leber!“ rufen die Ausrichter des 23. Deutschen Lebertages am 20. November 2022 Ärzte und Patient:innen auch dazu auf, jede fortbestehende Leberwerterhöhung als Anlass zu weiterer Diagnostik zu nehmen und dabei auch seltene Lebererkrankungen einzubeziehen. Nur so können auch seltene Lebererkrankungen erkannt und mit den immer besser werdenden Therapiemöglichkeiten bekämpft werden.