Indikator für die Organqualität von Spender:innen nötig – Studie beschreibt mitochondriale Funktion von Spenderlebern als möglichen Marker
In den vergangenen 30 Jahren hat sich das Alter von
Organspender:innen von durchschnittlich 30 Jahre auf inzwischen durchschnittlich 60 Jahre verdoppelt. Vor diesem Hintergrund wird es zunehmend wichtiger, Marker für die Organqualität zu definieren. Innsbrucker Forscher:innen am organLife Labor an der Univ.-Klinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie (interim. Direktor Stefan Schneeberger) führten hierzu nun eine erste große Studie im klinischen Bereich durch. Ziel war es, die Zellatmung von Spenderlebern als möglichen Parameter für die Organqualität – und in der Folge für die Organauswahl – zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigen, dass die mitochondriale Funktion einen wichtigen, unabhängigen Marker darstellt, der in Zukunft als zusätzliches Entscheidungskriterium vor der Transplantation von Spenderlebern herangezogen werden könnte.
Hypothese: Lebern mit höheren Zellatmungsraten funktionieren nach Transplantation besser
„Man kann nicht davon ausgehen, dass eine 40-jährige Spenderleber in Empfänger:innen automatisch besser funktioniert, als eine 70 Jahre alte Spenderleber. Die Hypothese für unsere Studie war, dass Lebern, die während der Maschinenperfusion eine bessere Zellatmung haben und damit eine effizientere Produktion von Energie aufweisen, möglicherweise auch nach der Transplantation besser funktionieren“, erklärt Studienautor Andras Meszaros die Ausgangslage für die Untersuchung. Die Arbeitsgruppe verwendete für die Durchführung der Studie, die von dem Innsbrucker Unternehmen Oroboros Instruments entwickelte Technologie der hochauflösenden Respirometrie.
Vergleich von Zellatmungswerten und klinischem Verlauf nach Transplantation zeigt hohe Übereinstimmung unabhängig von anderen Schädigungsmarkern
Konkret haben die Wissenschafter:innen während der normothermen Maschinenperfusion laufend Gewebeproben von insgesamt 50 für die Transplantation vorgesehenen Lebern entnommen. 35 der Spenderorgane wurden schließlich transplantiert. In der Folge verglichen die Expert:innen in einer Korrelationsanalyse die Zellatmungswerte des Spenderorgans mit dem klinischen Verlauf der Patient:innen nach der Transplantation. Dabei zeigte sich eine hohe Übereinstimmung: „Wenn die mitochondriale Schädigung höher und damit auch der Energieverlust in den Mitochondrien höher ist, dann ist der klinische Verlauf schlechter. Das bedeutet, dass man anhand der Bestimmung der Zellatmung eine Prognose für den weiteren Verlauf treffen könnte“, sagt Meszaros. Interessant dabei: Die Zellatmungswerte gelten unabhängig von den anderen Schädigungsmarkern, d.h. es bildete sich keine enge Übereinstimmung mit den bereits anerkannten Parametern ab. Nun gelte es, in größeren Folgestudien Grenzwerte für die Zellatmung festzulegen.
Lesen Sie mehr zu diesem Thema:
Xenotransplantation: Das Herz der Zukunft?
Erschienen am 19.01.2022 • Werden künftig keine menschlichen Herzen mehr bei Herzinsuffizienz benötigt? Eine Option ist die Xenotransplantation – oder? Die Antwort hier!
Erschienen am 19.01.2022 • Werden künftig keine menschlichen Herzen mehr bei Herzinsuffizienz benötigt? Eine Option ist die...
© yodiyim – stock.adobe.com
Begleitanalysen: Mitochondriale Funktion bleibt über die ganze Dauer der Maschinenperfusion stabil – ATP-Produktion steigt
Während der bis zu 24-stündigen normothermen Maschinenperfusion führten die Forscher:innen zahlreiche Begleitanalysen durch. Dabei stellte sich heraus, dass die mitochondriale Funktion über die ganze Dauer der Maschinenperfusion stabil bleibt. Die Menge der Adenosintriphospat-Produktion (ATP) steigt während der Maschinenperfusion. „Diese Ergebnisse sind wichtig, weil Spenderorgane nach wie vor kalt an das Transplantationszentrum transportiert werden, bevor sie an die Perfusionsmaschine angeschlossen werden können“, sagt Autorin Julia Hofmann.
Weitere Untersuchungen mit vergleichbarem Studiendesign bei Nieren sind an der Medizinische Universität Innsbruck geplant
In Innsbruck sind bis dato rund 150 Lebern nach vorheriger normothermer Maschinenperfusion transplantiert worden. Die Medizinische Universität Innsbruck gehört damit zu den größten Zentren für Maschinenperfusion und Lebertransplantation in der EU. „Die Ergebnisse der vorliegenden Publikation sind vielversprechend. Weitere Untersuchungen mit vergleichbarem Studiendesign sind bei
Nieren unter hypothermer Maschinenperfusion geplant“, sagt Stefan Schneeberger, interim. Klinikdirektor, wissenschaftlicher Leiter des organLife Labor und Senior Autor der Studie.
Innsbrucker Universitätsklinik mit 3 normothermen Leberperfusionsmaschinen als führendes Ausbildungszentrum in diesem Bereich
Die Maschinenperfusion versteht sich als Intensivstation für Spenderorgane. Nach der Entnahme werden die Organe in der Maschine bei normothermen oder hypothermen Bedingungen bis zur Implantation zwischengelagert und untersucht. Die Innsbrucker Universitätsklinik verfügt mittlerweile über 3 normotherme Leberperfusionsmaschinen, 1 davon ausschließlich für Schulungs- und Forschungszwecke. „Wir haben uns damit zu einem führenden Ausbildungszentrum für diese Technologie weltweit etabliert“, sagt Stefan Schneeberger.