Unterstützung und Aufklärung für Mädchen in der Pubertät: Die Rolle von Frauenärzt:innen
Mädchen brauchen bei der Auseinandersetzung mit dem Verlauf ihrer Geschlechtsreife Unterstützung und Orientierung. Zusätzlich zu Elternhaus und Schule trägt fachärztliche Expertise ganz wesentlich dazu bei, Mädchen in der Pubertät zu ermutigen, eigenes Körperwissen und Sicherheit bezüglich ihres Gesundheitsschutzes aufzubauen. „Nicht unterschätzt werden sollte die Kombination aus ärztlicher Neutralität und Schweigepflicht, die es einem großen Teil der Mädchen erleichtert, Unsicherheit loszuwerden und sich mit positiver Neugier dem Thema Geschlechtsreife zuzuwenden“, berichtet Dr. Cornelia Hösemann aus dem Vorstand des Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF). „Für die Zukunft von Mädchen spielt es eine zentrale Rolle, über sichere
Empfängnisverhütung aufgeklärt zu sein und gegenüber einer Ansteckung mit sexuell übertragbaren Erkrankungen bestmöglich gewappnet zu sein“.
Grundstein für Frauengesundheit schon im Mädchenalter legen
Sexuell übertragbare Infektionen können durch unterschiedliche Erreger ausgelöst werden, die mitunter schwere Folgeerkrankungen wie Sterilität, chronischen Unterbauchschmerzen oder Schwangerschaftskomplikationen mit sich bringen können. Mädchen und Jungen zeigen seit Mitte des 19. Jahrhunderts den Trend einer immer früher einsetzenden Pubertät. Mädchen sind ab dem ersten Eisprung geschlechtsreif, dieser kann nach oder auch schon vor der ersten Menstruation (Menarche) erfolgen. In Deutschland liegt das mittlere Menarchealter bei 12,5 bis 13,0 Jahren (1). Mit Blick auf zuletzt steigende Raten bei Schwangerschaftsabbrüchen, eine Zunahme an sexuell übertragbaren Infektionen (STI) sowie sich verändernden Einstellungen zum Verhütungsverhalten, ist es perspektivisch wichtig, den Grundstein für Frauengesundheit und Fruchtbarkeit schon im Mädchenalter zu legen.
Körperliche Untersuchung nur bei ausdrücklichem Wunsch oder bei Beschwerden
Zunächst steht der Vertrauensaufbau mit Ärzt:innen im Vordergrund. „Beim ersten Termin in einer frauenärztlichen Praxis versucht man körperliche Untersuchungen – wenn möglich – zu vermeiden“, erklärt die Frauenärztin. „Wir signalisieren den Mädchen unsere Bereitschaft, vertrauensvoll für sie da zu sein, damit sie bei Bedarf auch medizinische Unterstützung wahrnehmen – gegebenenfalls auch ohne Zutun der Eltern.“ Kommt eine junge Patientin allerdings mit Beschwerden in die Praxis, muss in Abhängigkeit von diesen, unter Umständen eine gynäkologische Untersuchung, ggf. inklusive Ultraschall stattfinden. Bei der Beratung von Mädchen stellt der Schutz vor sexuell übertragbaren Erkrankungen neben der Verhütungsberatung einen wichtigen Punkt dar – hierzu gehört auch der
Impfschutz vor Humanen Papillomviren (HPV). Natürlich ist auch dann oder gerade deswegen ärztliche Beratung wichtig, wenn schon erste sexuelle Aktivität stattgefunden hat. Junge Mädchen können ab dem Alter von etwa 14 Jahren allein in viele ärztliche Maßnahmen wie eine Untersuchung, Impfung oder die Verordnung eines Verhütungsmittels einwilligen. Wenn die behandelnde Ärztin bzw. Arzt die Minderjährige aufgrund ihrer psychischen Reife sowie ihrer Auffassungsgabe bezogen auf die jeweilige Behandlung für einwilligungsfähig hält, kann das Mädchen ohne Hinzuziehung der Eltern entscheiden.
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Viele Praxen bieten Teenagersprechstunden an
In Zeiten, in denen Internet und soziale Medien Desinformiertheit befördern, und es Eltern schwerfällt, die Informationsquellen ihrer Kinder im Blick zu haben, wird eine solide, altersgruppengerechte Aufklärungsarbeit immer wichtiger. Einem Teil der Mädchen kommt das besondere Setting von Teenager- oder Mädchensprechstunden sehr entgegen, weil es Neugier weckt und Berührungsängste im Arztkontakt abbaut. „Ziel solch einer Spezialsprechstunde ist es, ein Angebot zu schaffen, dass insbesondere auch den scheuen und weniger mutigen Mädchen die Schwellenangst für diesen Schritt nimmt“, ergänzt die Expertin. „Natürlich ist auch die tägliche Routinesprechstunde für junge Mädchen jederzeit eine Möglichkeit, gynäkologische Praxen aufzusuchen.“ Alle Gynäkolog:innen betreuen junge Mädchen.
Bei gesundheitlichen Problemen oder Auffälligkeiten ist eine frühe Diagnosestellung wichtig
Unabhängig vom Lebensalter sollte ein Mädchen einem Frauenarzt bzw. einer Frauenärztin bei Auffälligkeiten, Beschwerden oder Symptomen, die mit einer Erkrankung der weiblichen Geschlechtsorgane zu tun haben könnten, aufsuchen. Das gilt u.a. bei Verdacht auf Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen, bei sehr schmerzhaften oder ausgeprägten Menstruationsblutungen, bei Unterleibsschmerzen oder anderen Symptomen im Genitalbereich. Hier stehen die Ziele einer frühen Diagnosestellung im Vordergrund. „Eine Endometriose kann sich beispielweise bereits in dieser Lebensphase bemerkbar machen“, erläutert Dr. Hösemann. „Bei jungen Mädchen können Endometriose-Symptome sogar schon vor dem Einsetzen der Menarche auftreten. Die Hormonproduktion beziehungsweise Östrogenisierung, die bei der Endometriose eine zentrale Rolle spielt, tritt schon Jahre vorher auf.“ Frühe Diagnosen entlasten junge Patientinnen und limitieren Spätfolgen. Auch bei vielen anderen Fragen, wie z.B. zu Intimhygiene, zu Impfungen oder auch Sexualität sind Mädchen bei Frauenärzt:innen gut aufgehoben. „Manchmal sind Mädchen auch einfach verunsichert, ob bei ihnen alles in Ordnung und normal ist. Sie können dann ebenso kommen, wenn sie eine Beratung oder gynäkologische Untersuchung wünschen“, betont die Frauenärztin.
Alle gesetzlich Versicherten haben Anspruch auf eine ärztliche Beratung über Fragen zur Empfängnisverhütung. Die fundierte ärztliche Beratung soll Kenntnisse in der Empfängnisverhütung erweitern und Lücken schließen. Teil davon sind ebenso die erforderlichen Untersuchungen sowie eine etwaige Verordnung von empfängnisregelnden Mitteln. Versicherte bis zum vollendeten 22. Lebensjahr haben Anspruch auf Versorgung mit verschreibungspflichtigen empfängnisverhütenden Mitteln.
Quelle: Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF)
(1) Oppelt P.G. et al.: 2015 Kinder- und Jugendgynäkologie – Teil I: 1 Besonderheiten der kinder- und jugendgynäkologischen Sprechstunde; 1.5 Säkularer Trend in der Pubertätsentwicklung.