Die Bewegungsaktivität ist bei Kindern größer als bei Erwachsenen. Das liegt am Überschuss von Botenstoffen (neuronale Transmitter), ihrer natürlichen Neugier und daran, dass körperliche Anstrengung von Kindern weniger stark empfunden wird. Kinder sollten frühzeitig in ihrem Bewegungsdrang und ihrer „Bewegungsneugier“ gefördert werden, um das Interesse am Sport im frühen Schulkindalter (6-10 Jahre), im späten Schulkindalter (ab 10 Jahre) und später in der Pubertät zu erhalten. Ein sportmotorisches Training im Kindes- und Jugendalter dient nicht nur der Leistungsoptimierung, der Haltungs- und Verletzungsvorbeugung (Verletzungsprophylaxe), sondern auch der gesamt-physischen und psychischen Entwicklung.
Während sich die Skelettmuskulatur bei Erwachsenen und Kindern im Aufbau ähnelt, gibt es bedeutende Unterschiede im Stoffwechsel und damit in der Funktionsweise der Muskeln, die es für das kindgerechte Training zu berücksichtigen gilt. Die Energiebereitstellung erfolgt zugunsten eines oxidativen Stoffwechsels (Energieherstellung durch Sauerstoff). Deshalb ist zum Beispiel ein isoliertes und fokussiertes Krafttraining nicht zielführend. Ein alleiniges Training der sauerstoffarmen (anaeroben) Kapazität ebenso wenig, wegen eingeschränkter Bildung des Milchsäuresalzes (Laktat).
Dazu kommt, dass der Testosteronspiegel bei Kindern beider Geschlechter sehr niedrig ist. Daher unterscheidet sich die Muskelkraft nur geringfügig zwischen Jungen und Mädchen. In der Pubertät beginnt –bedingt durch Hormonschübe – das Auseinanderstreben zwischen physiologischen Leistungsfaktoren und den Körpermaßen bei Jungen und Mädchen. Kurz vor der puberalen Phase kommt es zur Verzehnfachung des Testosteronspiegels bei Jungen. Die Muskelmasse nimmt von 27 auf 40% zu.
Bewegungsmangel: zwischen 6 und 8 Jahren steigt Haltungsschwäche auf bis zu 70%
Doch von der gesellschaftlichen Bewegungsarmut werden auch Kinder und Jugendliche nicht verschont. Ein chronischer Bewegungsmangel führt bei vielen zu Kraft- und Haltungsdefiziten. Ein kritisches Alter ist zwischen 6 und 8 Jahren: hier steigt die Haltungsschwäche bereits auf bis zu 70%, das Übergewicht auf 20%. Ein steigender Fettanteil führt zur Reduktion der sportmotorischen Leistungsfähigkeit. Hier wirkt ein kindgemäßes Muskel- und Krafttraining entgegen. Dieses hat auch auf die gesamtmotorischen Fähigkeiten positive Auswirkungen: die Bewegungen werden dynamischer, präziser, fließender.
Verletzungsfolgen durch Überbelastung
Der Grat zwischen Mangelbelastung und Verletzungsfolgen durch Überlastung muss jedoch stets im Blick bleiben. Die Empfindlichkeit des Gewebes von Kindern verhält sich proportional zur Wachstumsgeschwindigkeit. Der kind- bzw. jugendliche Bewegungsapparat ist im Vergleich zum Erwachsenen in größerem Maß der Gefahr von Überlastungsschäden durch unphysiologische Trainingsreize ausgesetzt. Die Belastungsverträglichkeit kann bei gleichaltrigen Kindern sehr unterschiedlich sein.
Der Knochen ist erhöht biegsam (relative Mehreinlagerung von weicherem fibrösem Gewebe), aber vermindert zug- und druckfest. Das Sehnen- und Bandgewebe ist aufgrund schwächerer Struktur (reduzierte micellare Anordnung) weniger zugfest. Das Knorpelgewebe, bzw. die Wachstumsfuge ist aufgrund der wachstumsbedingten Teilungsrate und Differenzierung stärker durch Druck- und Schubkräfte gefährdet. Die Wiederherstellungszeit und Adaptation des passiven Bewegungsapparates verläuft langsamer als die subjektive „Erholung“.
Präventiv sind eine muskuläre Beanspruchung und kindgerechtes Krafttraining zur umfassenden Ausbildung der körperlichen Leistungsfähigkeit unersetzlich. Wichtig dabei: eine optimale Ausbildung vielfältiger sportmotorischer Fähigkeiten für die Adaptation und Ausrichtung des Knochengewebes und die Zugfestigkeit des Bindegewebes.
Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin
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