03. Dezember 2024
Die Balance von Eisen-Aufnahme und -Verlust ist essenziell für Sauerstofftransport und Energiegewinnung des Körpers. Eine gesunde Ernährung zur Vermeidung von Eisenmangelanämien und Vorsicht beim Umgang mit Anämien bei chronischen Erkrankungen tragen zu einem intakten Eisenstoffwechsel bei. Die Ursachenfindung bei Verdacht auf Mangel wie auch eine Substitution sollten behutsam erfolgen, um Eisenüberladung und Schädigung zu vermeiden.
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Verteilung von Eisen im Körper
Das Spurenelement Eisen ist lebensnotwendig und spielt bei vielen Reaktionen im Körper eine wichtige Rolle. Etwa 3 g Eisen liegen im Körper in verschiedenen Formen und Verbindungen vor (1, 2). Der Hauptteil des Eisens ist in den Erythrozyten des Bluts an Hämoglobin (Hb) gebunden und unterstützt den Sauerstofftransport. Das im Muskel an Myoglobin gebundene Eisen ist wichtig für die Muskelzellaktivität. Im Blut ist Eisen an Transferrin gebunden und wird so zu eisenspeichernden Zellen, wie Hepatozyten (Leberzellen) und Makrophagen des Immunsystems transportiert, wo es dann an Ferritin gebunden gespeichert wird. Nach seiner Freisetzung wirkt dieses Nicht-Häm-Eisen als Kofaktor für viele Enzyme im Zellstoffwechsel, wie der DNA-Synthese und Redoxreaktionen in den Mitochondrien. Das Eisen im Blutplasma hat mit etwa 4 mg mengenmäßig den kleinsten Anteil, sodass allein die Bestimmung von Eisen im Blut nicht viel über den Zustand des Eisenstoffwechsels im Körper aussagt und weitere Parameter hinzugezogen werden müssen (1, 2). Der Eisenkreislauf des Organismus ist in sich geschlossen. Die Verteilung des Eisens im Körper wird über Hormone wie Hepcidin, Erythropoetin und Erythroferron geregelt (1, 2).
Abb.1: Verteilung von Eisen im Körper (Abb. verändert nach (2)).
Eisengehalt durch Aufnahme geregelt
Der Eisenstoffwechsel ist durch Aufnahme und Abgabe bzw. Verlust gekennzeichnet. Bei Gesunden reicht eine ausgewogene mitteleuropäische Ernährung aus, um den täglichen Bedarf von 1-2 mg Eisen mit der Nahrung zu decken und den physiologischen Eisenverlust aufgrund von abgeschilferten Epithelzellen und kleinen Blutverlusten wieder auszugleichen (1, 2). Eine gesunde Ernährung enthält jeden Tag etwa 10-20 mg Eisen, von dem je nach Bedarf 5-10% im Darm resorbiert werden. Hierzu wird Eisen (Fe3+) in den Enterozyten des Duodenums (Zwölffingerdarm) in Fe2+ Ionen reduziert und durch den Eisen-Transporter für zweiwertige Metalle (DMT1) in den Bürstensaum im Darm transportiert. Nach Weitertransport über den Eisen-Efflux-Transporter Ferroportin gelangt das Spurenelement in die Blutgefäße und wird dort als Fe3+ an Transferrin gebunden und im Körper transportiert (1-3). Zellen, die Eisen benötigen, nehmen das Element dann durch Transferrinrezeptor-1-vermittelte Endozytose auf (3).
An Häm-gebundenes Eisen aus Fleisch liefert, verglichen mit anderen Nahrungsmitteln am meisten verwertbares Eisen. Mit Blick auf weniger gehaltvolle Alternativen ist zu bedenken, dass nicht nur der Eisengehalt, sondern auch die Eisenwertigkeit (Fe2+/Fe3+) für die Verwertbarkeit wichtig ist. Eisen im Fleisch liegt in 40-90% als zweiwertiges Häm-Eisen in Form von Hämoglobin, Myoglobin und Cytochrom vor. Dieses kann über den Zelltransporter deutlich effektiver aufgenommen werden, als Nicht-Häm-Eisen aus pflanzlicher Nahrung (1).
Zu beachten ist auch, dass manche Inhaltsstoffe die Aufnahme verändern. So hemmen Antazida zur Magensäure-Neutralisierung, Tannine (Kaffee, Tee), Phytinsäure (Vollkorn), Phosphate, Calcium und Oxalate (Spinat, rote Beete) die Aufnahme, wohingegen beispielsweise Vitamin C die Aufnahme verbessern kann (1). Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung gibt Referenzwerte und Empfehlungen für eine gesunde Ernährung. Außerdem findet sich eine Bewertung zur veganen Ernährung auf ihrer Website (4).
Eisenmangel mit und ohne Anämie
Wird weniger Eisen aufgenommen als abgegeben und fällt das Gesamtkörpereisen unter den Referenzwert, wird von Eisenmangel gesprochen, der je nach Schweregrad und Beeinträchtigung der Erythropoese (Blutbildung) in 3 Stadien eingeteilt wird (1):
Speichereisenmangel (Stadium I): noch ausreichende Versorgung trotz verringerter Eisenspeicher, keine funktionelle Beeinträchtigung der Erythropoese
eisendefizitäre Erythropoese (Stadium II): unzureichende Versorgung der erythropoetischen Vorstufen im Knochenmark, aber Hämoglobin noch im Normbereich
Eisenmangelanämie (Stadium III): Unterschreitung des Normwerts der Hämoglobinkonzentration (12 g/dl Frauen, 13 g/dl Männer; alters-, und geschlechtsspezifische Variationen)
Stadium I und II bedeuten somit Eisenmangel ohne Anämie. Der Übergang zur Stufe III mit Anämie („Blutarmut“) ist schleichend und nur durch Bestimmung von Blut- und Eisenkontrollfaktoren diagnostizierbar (1).
Was sind die Anzeichen für einen Eisenmangel?
Zu den ersten, aber auch nicht nur spezifischen Symptomen eines Mangels zählen u.a. Müdigkeit und Erschöpfung mit Schlafstörungen, Konzentrationsmangel, Kopfschmerzen, brüchige Fingernägel und Haare und Mundwinkelrhagaden (eingerissene Mundwinkel). Beim Übergang zur Anämie kommen weitere Anzeichen und Folgen hinzu, von Atrophie (Schwund) der Zungenschleimhaut mit Dysphagie bis depressive Verstimmungen. Weil alle Zellen im Körper Eisen benötigen, können die Symptome sehr vielfältig sein und verschiedenste Organsysteme betreffen (1).
Ursachen von Eisenmangel
Eisenmangel kann absolut (zahlenmäßig) oder funktionell vorliegen; beides kann auch gemeinsam auftreten. Als Ursachen eines absoluten Eisenmangels gelten ein erhöhter Eisenbedarf, ungenügende Eisenzufuhr, verminderte Aufnahme und starker Blutverlust (1). Zu den Ursachen für einen funktionellen Eisenmangel zählen Eisenverwertungsstörungen, wie verringerte Eisenmobilisation bei gefüllten Eisenspeichern, insbesondere bei chronischen Entzündungen, chronischen Nieren-, Darm- und Lungenerkrankungen, Krebs, Adipositas und häufigen Infektionen (1).
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Leitliniengerechte Therapie von Eisenmangel und Hyperkaliämie
Erschienen am 29.04.2023 • Die ESC empfiehlt Eisensubstitution mit Eisencarboxymaltose bei Patient:innen mit linksventrikulärer Ejektionsfraktion.
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Eisenmangelanämie vs. Anämie bei chronischer Erkrankung
Zu unterscheiden sind auch die klassische Eisenmangelanämie (IDA, iron deficiency anaemia) und die Anämie bei chronischer Erkrankung (ACD, anaemia of chronic disease). IDA ist das Ergebnis eines echten Eisenmangels, der zu einer ineffektiven Erythropoese führt (1, 2). Bei ACD kommt es im Rahmen von chronisch entzündlichen oder malignen (Tumor) Erkrankungen zur Einschränkung der Erythropoese, häufiger auch bei älteren Menschen (1, 2, 5).
Multifaktorielle Anämie bei chronischer Erkrankung
Die ACD hat viele, auch zusammenwirkende Ursachen und resultiert aus der Aktivierung des Immunsystems durch Autoantigene, mikrobielle Faktoren oder Tumorantigene. Dies führt zum einen zur Freisetzung inflammatorischer (entzündungsfördernder) Zytokine, wie IL-6, IL-1b, IL-22, Lipopolysaccharide (LPS), Tumor-Nekrose Faktor alpha (TNF-a) und Interferon gamma (INFy), zum anderen zur Bildung freier Radikale, welche die Körperzellen angreifen und schädigen. Darüber hinaus wird durch die Zytokine die Produktion von Erythropoetin (EPO) gesenkt, die Erythropoese (Blutbildung) verringert und die Halbwertszeit der Erythrocyten (roten Blutkörperchen) verkürzt (5).
Außerdem wird die Produktion des Hormons Hepcidin in der Leber angeregt, das als einer der Hauptregulatoren des Eisenstoffwechsels gilt. Es induziert den Abbau des Eisentransporters Ferroportin, was die Eisenresorption verringert und das vorhandene Eisen in Enterozyten und Makrophagen zurückhält (Sequestering). Hierdurch wird Plasmaeisen unterdrückt und es kommt zu einer Art Eisenarrest (5).
So kommt es bei ACD trotz ausreichender Eisenreserven zu einem funktionellen Eisenmangel, bei dem im Rahmen der chronischen Entzündungserkrankung verschiedene entzündungsfördernde Zytokine, freie Radikale und das Hormon Hepcidin die Balance des Eisenstoffwechsels stört (5). In der Laboruntersuchung ist dies an einem normalen bis erhöhter Ferritinwert gepaart mit einer erniedrigten Transferrinsättigung (TfS) und erhöhtem Zinkprotoporphyrin zu erkennen (1, 5). Die Anämie ist häufig leicht bis mittelschwer mit einem Hämoglobinwert zwischen 8 und 12 g/dL und gilt als normozytär, normochrom, und hypoproliferativ. Zur Unterscheidung von IDA und ACD werden zunehmend diagnostische Algorithmen und Testabläufe beschrieben (6).
Auslöser der ACD
Als Auslöser einer ACD können verschiedenste Prozesse gelten, die mit chronischer Entzündung assoziiert sind, wie rheumatoide Arthritis, systemischer Lupus erythematodes (SLE), Vaskulitis, Sarkoidose, chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED), Tumorerkrankungen, chronische Nierenerkrankungen (CKD), akute/chronische bakterielle Infektionen, Pilz-, Virus- und parasitäre Erkrankungen, Abstoßung eines Organtransplantats, Ateminsuffizienz, Herzinsuffizienz, Adipositas u.a. Bei manchen Patient:innen kommen auch mehrere Grunderkrankungen zusammen und auch Alterungsprozesse können die Entwicklung einer ACD fördern (5).
Wie wird Eisenmangel behandelt?
Nachdem die ACD auf dem Boden einer entzündlichen Erkrankung entsteht, ist hier die Behandlung der Grunderkrankung zur Ursachenbehebung besonders wichtig. Darüber hinaus geht es um Auffüllen der Eisenspeicher und Kontrolle der Symptome, ähnlich wie bei der IDA (1, 2, 7).
Ein Eisenmangel Stadium I wird gemäß Leitlinie bei Erwachsenen nicht-medikamentös therapiert. Im Stadium II und III soll eine nachhaltige Anhebung des Hämoglobin (Hb)-Werts um mehr als 2 mg/dl oder auf Normalwerte innerhalb von 4 Wochen erreicht und das Speichereisen aufgefüllt werden. Soweit möglich durch eine gesunde Ernährung, bei manifester Erkrankung mittels Eisensubstitution, abhängig von Symptomen, HB-Wert und Schweregrad, Komorbiditäten und Risiken einer Therapie.
Vorsicht vor Eisenüberladung bei Substitution
Zwar ist Eisen an einer Vielzahl von Prozessen im Körper beteiligt, kann aber auch toxisch wirken. Durch den leichten Wechsel von Fe2+ und Fe3+ kann es zu Sauerstoffradikalen und oxidativen Stress kommen, der Zellschäden und Organschäden nach sich zieht. Ist die Bindungskapazität von Transferrin überschritten, wird „non-transferrin-bound iron“ (NTBI) gebildet, dessen labiles Plasmaeisen (LPI, labile plasma iron) leicht von Zellen aufgenommen wird und Redoxreaktionen steigert. Von Eisen-Komplexbildnern (Eisenchelatoren) wird LPI nicht abgefangen und kann damit u.a. Herzmuskelzellen über spannungsabhängige Calcium-Kanäle schädigen (3, 7). Somit ist eine Therapie mit Supplementierung gut zu überlegen und sollte nur nach Analyse von Ursachen und Laborparametern erfolgen, vor allem nicht leichtfertig in Eigenmedikation durch die Patient:innen (1).
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Erschienen am 05.10.2024 • Eisenmangelanämie: Wie sich mögliche Nebenwirkungen einer i.v. Eisensubstitution managen lassen, erfahren Sie hier.
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