Positives Gesamturteil über die Gesundheitsversorgung – aber Corona-Pandemie hat Probleme offengelegt
Die aktuelle Gesundheitsversorgung in Deutschland wird weiterhin von einer großen Mehrheit sowohl der Bevölkerung (81%) als auch der Ärzte (89%) positiv bewertet. Allerdings hat aus Sicht der Ärzte die Corona-Pandemie eine Reihe politisch-organisatorischer Defizite offengelegt: So bemängeln gut vier von fünf Ärzten, dass bei der Bekämpfung der Pandemie vorhandene Daten nicht zusammengeführt und genutzt werden können, für einen fast ebenso großen Anteil ist die technische und personelle Ausstattung der Gesundheitsämter ein (sehr) großes Problem. Die Mediziner erwarten auch nicht, dass aus diesen offenkundigen Problemen Lehren gezogen werden und das Gesundheitssystem für zukünftige Krisen besser aufgestellt wird (57%). In der Bevölkerung geht nur jeder Dritte davon aus, dass man in den nächsten 10 Jahren für künftige gesundheitliche Krisen und Pandemien besser gerüstet sein wird.
Die ärztliche Versorgung ist schlechter geworden – aus Sicht gesetzlich Krankenversicherter
Trotz des insgesamt positiven Urteils über die Gesundheitsversorgung nimmt die Bevölkerung tendenziell eine Verschlechterung wahr (29%), demgegenüber ziehen nur 8% eine positivere Bilanz. Für 59% hat sich nicht viel geändert. Von Verschlechterungen berichten insbesondere die gesetzlich Krankenversicherten – rund jeder Dritte dieser Gruppe. Dagegen haben privat Krankenversicherte eher bessere Erfahrungen (11%) als schlechtere (5%) gemacht.
Ärztemangel nimmt in strukturschwächeren Regionen drastisch zu
Der Eindruck der Bevölkerung, die Qualität der ärztlichen Versorgung sei rückläufig, kommt auch daher, dass sie zunehmend einen Ärztemangel registriert. Aktuell nimmt gut jeder Dritte diesen in seiner Wohngegend wahr; weitere 18% rechnen damit in den kommenden Jahren. Dabei wird in strukturschwächeren Regionen deutlich häufiger von einem Ärztemangel berichtet. Allein in den letzten drei Jahren ist der Anteil in Städten bzw. Regionen mit unter 100.000 Einwohnern von 32% auf 47% drastisch angestiegen. Besonders stark betroffen ist zudem Ostdeutschland: Hier berichten 53% der Bevölkerung inzwischen von einem Ärztemangel (2019: 38%).
Aus Sicht der niedergelassenen Ärzte zeigt sich der Ärztemangel noch ausgeprägter: Der Anteil derer, die diesen in der eigenen Region wahrnehmen, ist von 41% im Jahr 2019 auf aktuell 52% deutlich angestiegen. Überdurchschnittlich groß ist dieser Anteil mit 76% in strukturschwächeren Regionen. Insgesamt registrieren 46% der niedergelassenen Ärzte persönliche Auswirkungen des Ärztemangels, d. h. sie müssen deshalb mehr Patienten versorgen. Fast drei Viertel der Ärzte in Städten und Regionen mit unter 100.000 Einwohnern berichten von einer dadurch steigenden Arbeitsbelastung, wobei Hausärzte insgesamt deutlich häufiger betroffen sind als Fachärzte.
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In den kommenden Jahren ist mit einer weiteren Verschärfung des Ärztemangels zu rechnen. Denn auch die Schwierigkeiten niedergelassener Ärzte, Nachfolger für die eigene Praxis zu finden, haben zugenommen. Derzeit schätzen es 68% der niedergelassenen Ärzte als (sehr) schwierig ein, einen Nachfolger zu finden. Hausärzte sehen sich dabei sehr viel häufiger mit (potenziellen) Problemen konfrontiert als Fachärzte und Ärzte in strukturschwächeren Regionen deutlich häufiger als Ärzte in urbanen Zentren.
Gleichzeitig ist der Anteil der Krankenhausärzte, für die eine Niederlassung infrage käme, im Vergleich zu früher wieder angestiegen (2022: 46%; 2019: 37%). Dies würde den Ärztemangel jedoch nur verlagern, denn: Auch in den Krankenhäusern hat sich das Problem weiter verstärkt. Aktuell geben 57% der Krankenhausärzte an, dass in der eigenen Klinik ein Ärztemangel herrscht, weitere 23% erwarten diesen in den nächsten Jahren.
In vielen Praxen und Krankenhäusern fehlt Fachpersonal, die Besetzung offener Stellen ist schwierig
Personelle Engpässe im Gesundheitssystem sind aber nicht nur bei Ärzten festzustellen, sondern auch beim medizinischen Fachpersonal in Arztpraxen und im pflegerischen Bereich in den Krankenhäusern. Mehr als jede fünfte Arztpraxis (22%) ist unterbesetzt; hinzu kommen Probleme, offene Stellen zu besetzen (73%). 2016 wurden diese Probleme noch deutlich seltener wahrgenommen (59%). Dramatischer ist die Situation in Krankenhäusern: Vier von fünf Ärzten berichten, dass im eigenen Krankenhaus Pflegepersonal fehlt. Auch hier hat sich die Situation in den vergangenen Jahren verschlechtert: Aktuell schätzen 89% der Krankenhausärzte es als (sehr) schwierig ein, offene Stellen zu besetzen (2016: 72%).
Während der Corona-Pandemie hat sich die Personalsituation bei den Pflegekräften durch Kündigungen in 32% der Krankenhäuser (sehr) stark verschlechtert. Davon waren Krankenhäuser der Schwerpunkt- und Maximalversorgung deutlich stärker betroffen als Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung. Dass sich die Situation nach Ende der Pandemie wieder verbessern wird, erwarten weder niedergelassene Ärzte noch Krankenhausärzte, im Gegenteil: Beide Gruppen gehen eher von einer weiteren Verschärfung der Situation aus. Als Gegenmaßnahme ist es aus Sicht von Krankenhausärzten mit Abstand am wichtigsten, für bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen, und Pflegekräften z. B. mehr Zeit für jeden Patienten zu geben (79%). Niedergelassene Ärzte finden am wichtigsten, verstärkt für den Krankenpflegeberuf zu werben (54%).
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