Adipositas sollte im Kontext von anderen Erkrankungen gesehen werden
Die gesellschaftliche Aufmerksamkeit für Übergewicht und Adipositas ist erheblich, auch in Politik und Wissenschaft wird das Thema lebhaft diskutiert, zumal es inzwischen erweiterte operative Möglichkeiten und neue medikamentöse Behandlungsstrategien zur Gewichtsabnahme gibt. In einem neuen Positionspapier (1) fasst die DEGAM aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse zu Übergewicht und Adipositas zusammen und empfiehlt auf dieser Basis eine holistische Perspektive: Statt einzelne Symptome zu behandeln, sollte ein heterogenes Krankheitsbild wie Adipositas nicht separat gesehen, sondern im Kontext anderer Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes, arterielle Hypertonie, Demenz oder Osteoporose verstanden werden. Gleichzeitig müssen die vielfältigen Ursachen von Adipositas berücksichtigt werden, also genetische Prädispositionen, aber auch Ernährungsverhalten, Bewegungsmangel sowie problematische sozioökonomische Verhältnisse.
Behandlung von Adipositas durch die Hausarztpraxis
Die DEGAM sieht die
Behandlung von Adipositas klar in der Hausarztpraxis: Hausärzt:innen sind spezialisiert auf den ganzen Menschen und damit prädestiniert dafür, Adipositas zu erkennen, in den Gesamtkontext zu stellen und zu behandeln. Als Therapieoptionen stehen zur Verfügung:
Ernährungsberatung, Bewegungsempfehlungen, (neue) Arzneimittel sowie bariatrische Operationen. „Trotzdem bleiben Prävention und Therapie von Adipositas in der Hausarztpraxis eine Herausforderung, da die messbaren Erfolge selbst bei guter Motivation meist gering und von kurzer Dauer sind“, kommentiert Prof. Martin Scherer, Präsident der DEGAM.
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Erschienen am 04.03.2023 • Betroffene von Adipositas brauchen Unterstützung – auch über Aktionstage wie den Welt-Adipositas-Tag hinaus. Mehr dazu lesen Sie hier!
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Adipositas als gesamtgesellschaftliche Herausforderung
Gerade weil Übergewicht und Adipositas durch verschiedene, auch gesellschaftlich bedingte, Faktoren bedingt sind, weist die DEGAM darauf hin, dass es sich um gesamtgesellschaftliche Herausforderungen handelt, deren Bewältigung nicht allein in der Hausarztpraxis liegen kann: „Adipositas ist nicht selten ein direkter Ausdruck sozialer Ungleichheit. Es ist seit Jahren bekannt, dass das Risiko für Adipositas stark mit dem sozioökonomischen Hintergrund korreliert. Deshalb greift eine Therapie, die alleine auf das individuelle Verhalten abzielt, zu kurz, da auch die Verhältnisse berücksichtigt werden müssen“, sagt Dr. Thomas Maibaum, stellvertretender Sprecher der Sektion Prävention der DEGAM, die das Positionspapier federführend entwickelt hat. „Wir Ärztinnen und Ärzte müssen immer wieder darauf aufmerksam machen, dass ungleiche Lebensbedingungen und soziale Spaltung auch harte gesundheitliche Konsequenzen haben“.
Initiativen der Verhaltens- und Verhältnisprävention werden nicht umgesetzt
So sei es aus Sicht der DEGAM nicht nachvollziehbar, dass breiter angelegte – und seit Jahren gut erforschte – Initiativen der Verhaltens- und Verhältnisprävention nicht umgesetzt werden. Bekannte Beispiele sind die Zuckersteuer oder ein finanzierbares und ausgewogenes Kita- und Schulessen.
Relevanz von Abnehm-Programmen bei Adipositas ist bisher ungeklärt
Zusätzlich steht die DEGAM im Positionspapier der geplanten Einführung eines „Disease Management Programme“ (DMP) zu Adipositas eher kritisch gegenüber, da es kaum Evidenz für wissenschaftlich fundierte Therapieoptionen bei Adipositas gibt. „Wie relevant und nachhaltig Abnehm-Programme in Hinblick auf Morbidität und Mortalität tatsächlich sind, ist bisher ungeklärt. Präventive Behandlungen zur Änderung des Lebensstils sind äußerst komplex und nur dann erfolgreich, wenn Autonomie und aktuelle Lebenssituation der Patient:innen berücksichtigt werden. Nur so kann es zu einer partizipativen Entscheidungsfindung und einer nachhaltig wirksamen Adipositas-Therapie kommen“, bemerkt Thomas Maibaum abschließend.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)