Herausforderungen bei der Versorgung von Schwangeren und Neugeborenen
„Wir stehen im Moment bei der medizinischen Versorgung von Schwangeren, Müttern, Feten und Neugeborenen vor mehreren Herausforderungen“, eröffnet Prof. Dr. Mario Rüdiger, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin und Professor für feto/neonatale Gesundheit sowie Leiter des Fachbereiches Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden, das Pressegespräch. Trotz Personalmangel muss eine sichere heimatnahe Geburt ermöglicht werden.
Neue ethische Fragestellungen durch Pränataldiagnostik
Der Fortschritt in der Pränataldiagnostik bringt auch neue ethische Fragestellungen hervor. Wie weit nutzen wir das medizinisch Mögliche? Ursprünglich war diese Disziplin angetreten, um eine vorgeburtliche Diagnostik durchzuführen, die nach der Geburt eine Behandlung ermöglicht. Mittlerweile werden auch Krankheitsbilder umfangreich diagnostiziert, für die es keine Behandlung gibt. Die faktische Freigabe des Screenings aus mütterlichem Blut auf fetale genetische Chromosomenstörungen vor einem Jahr führte zu einer höheren Rate von möglicherweise falschen Ergebnissen und damit verbundener Verunsicherung der Schwangeren. Prof. Rüdiger: „Dadurch werden die betroffenen Eltern ebenso wie die behandelnden Kolleg:innen mit neuen Konflikten konfrontiert.“
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Erschienen am 25.10.2023 • Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe empfiehlt Schwangeren eine Auffrischungsimpfung gegen Corona. Mehr dazu hier!
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Präventive Medizin gewinnt an Bedeutung
„Es benötigt politisches Handeln“, ergänzt Prof. Dr. Ekkehard Schleußner, Präsident der ältesten deutschen Fachgesellschaft auf dem Gebiet der Perinatalen Medizin. „Wir haben einen Problemstau, der politisch strukturell angegangen werden muss. Sonst wird sich dieser disruptiv lösen mit gesamtgesellschaftlich viel höheren Kosten.“ Immer mehr an Bedeutung gewinnt nach Worten von Prof. Schleußner die präventive Medizin. Erst seit kurzem ist ein
RSV-Impfstoff für Schwangere zugelassen. Dieser ermöglicht einen Nestschutz vor der teils lebensbedrohlichen Atemwegserkrankung durch das Respiratorische Synzitial-Virus und wird auch von der DGPM empfohlen.
Mindestmengenregelung bei Frühgeborenen
Für sehr emotionale Debatten sorgt in der Öffentlichkeit die ab 2024 geltende Mindestmengenregelung bei Frühgeborenen. „Das Vorhalten personeller und technischer Voraussetzungen zur Versorgung extrem unreifer Frühgeborener kann auf wenige Zentren begrenzt werden. Ein Vergleich mit Schweden zeigt, dass im dünnbesiedelten Norden bei einer deutlich größeren Fläche mit weniger Level 1 Perinatalzentren die Überlebensrate von Frühgeborenen unter 28 Schwangerschaftswochen bei 81,1% liegt; in Deutschland gegenwärtig nur bei 77,1% trotz mehr als 160 Level 1 Perinatalzentren“, argumentiert Prof. Rüdiger. Vor allem brauche es eine Verbreiterung des regionalen Angebotes an Level 2 Kliniken und Kliniken mit perinatalem Schwerpunkt.