„Unser Ziel ist es, die Dynamik neuer und etablierter Biomarker bei herzchirurgischen Eingriffen noch besser zu verstehen. Nur so können wir nach einer Operation eine relevante Herzmuskelschädigung infolge einer Minderdurchblutung des Herzens, beispielsweise einen Herzinfarkt, schneller und gezielter feststellen und behandeln“, erklärt Dr. Knochenhauer zum Dr. Rusche-Förderprojekt.
Biomarker-Anstieg: Normaler OP-Effekt oder Gefahr in Verzug?
Im Rahmen einer herzchirurgischen Operation kann es zu einer Herzmuskelverletzung kommen, wodurch kardiale Biomarker wie beispielsweise das hochsensitive Troponin in das Blut freigesetzt und dort nachgewiesen werden können. Troponin kann dabei auf eine Minderdurchblutung des Herzmuskels hindeuten, die auf eine mechanische Verletzung des Herzmuskels im Zuge des chirurgischen Eingriffs, aber nicht unbedingt auf einen
Herzinfarkt zurückführen ist. „Im klinischen Alltag ist es extrem wichtig, einen im Zuge der Operation erwartbaren Anstieg kardialer Biomarker wie Troponin von einem unerwünschten Troponin-Anstieg nach einem Herzinfarkt in zeitlicher Nähe zur Herz-OP sofort unterscheiden zu können“, betont der Herzchirurg Prof. Dr. Armin Welz, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF).
Serielle Troponinmessungen können einen Herzinfarkt bestätigen oder ausschließen
In der alltäglichen Diagnostik eines Herzinfarktes ist die Untersuchung von im Blut messbaren Biomarkern, vor allem dem hochsensitiven kardialen Troponin, längst etabliert. Serielle Troponinmessungen können inzwischen mit hoher Genauigkeit einen Herzinfarkt bestätigen oder ausschließen. Alternative Ursachen für einen Troponinanstieg im Blut nach herzchirurgischen Operationen sind beispielsweise die mechanische Manipulation am Herzmuskel oder die Operation am nicht-schlagenden Herzen unter Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine.
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Empfehlung der EACTS beziehen sich nur auf etablierte Biomarker
Aktuell hat die Europäische Gesellschaft für Herz-Thorax-Chirurgie (EACTS) in einem Konsensuspapier (1) zum perioperativen Myokardinfarkt (PMI) eine Empfehlung mit Grenzwerten etablierter kardialer Biomarker (Kreatinkinase (CK), die MB-Unterform (CK-MB) und Troponin) publiziert. Grenzwerte sind für eine Unterscheidung zwischen negativem oder positivem Befund wichtig. „Allerdings beziehen sich die Empfehlungen nur auf die etablierten Biomarker, nicht aber auf weitere weniger etablierte Marker. Diese möchten wir im Rahmen der Diagnosestellung eines PMI erforschen“, sagt Dr. Knochenhauer. Auch seien viele der diagnostischen Empfehlungen aufgrund der aktuellen Datenlage verbunden mit einer Troponinkontrolle zum Zeitpunkt postoperativ und 24 Stunden später. Eine Myokardischämie gelte es jedoch so früh wie möglich, bereits in der frühen postoperativen Phase, festzustellen, um die Sterblichkeit und das Therapieergebnis nach einer Bypassoperation zu verbessern, betont der Arzt und Forscher am UKE. „Ein perioperativer Herzinfarkt ist mit einer hohen Sterblichkeit verbunden und erfordert eine unmittelbare Therapie mit rascher Verbesserung der Durchblutung.“
B-ACS-Studie soll zur schnelleren Diagnose des PMI beitragen
Zur Diagnose des PMI ist die Zusammenschau mehrerer Befunde (Biomarker, Symptomatik, EKG, Echokardiographie) notwendig. Für Ärzt:innen stellt ein PMI zudem eine Herausforderung dar, „weil die typischen Herzinfarkt-Symptome aufgrund von Narkose, Sedierung im Zuge der Operation fehlen oder Schmerzen im Brustkorb aufgrund des Eingriffs fehlinterpretiert werden könnten“, erklärt Dr. Knochenhauer. Die B-ACS-Studie soll zur schnelleren Diagnose des PMI beitragen und dabei helfen, weitere bisher nicht-etablierter Biomarker zu identifizieren.
Erste Untersuchungen bei Patient:innen nach Bypass- und Herzklappen-Operation
In einer Pilotphase der B-ACS Studie von April bis November 2022 wurden bereits 412 Patient:innen nach herzchirurgischem Eingriff (Bypass-/Herzklappen-OP) eingeschlossen und untersucht. In dieser Kohorte konnten Knochenhauer und Kolleg:innen bereits signifikante Unterschiede in der Troponinveränderung nach der Operation zwischen Patient:innen mit und ohne aufgetretenem Herzinfarkt nachweisen. Zudem konnten sie zeigen, dass die höchsten Troponinwerte im Durchschnitt 4 Stunden nach herzchirurgischem Eingriff nachzuweisen waren. Überdies wiesen männliche und weibliche Patient:innen innerhalb der ersten 48 Stunden nach der Operation zu allen untersuchten Zeitpunkten signifikante Unterschiede zwischen den Troponinwerten auf, wobei bei Frauen höhere Werte gemessen wurden.
Fortführung der Studie mit Nachbeobachtung der Studienteilnehmenden geplant
Basierend auf der Pilotstudie wird nun eine Fortführung der Studie geplant, um auch eine Nachbeobachtung der Studienteilnehmenden zu ermöglichen und eine Biobank mit Blut- und Gewebeproben aufzubauen. Die hierfür gewonnenen Biomaterialien sollen zur Erforschung noch nicht etablierter Biomarker und deren Nutzen für eine schnellere und spezifische Diagnostik eines Herzinfarktes nach herzchirurgischem Eingriff verwendet werden. Die Hamburger Herzforscher planen, die Studienkohorte auf über 1.500 Teilnehmende zu erweitern.
(1) Gaudino M. et al. European Association of Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) expert consensus statement on perioperative myocardial infarction after cardiac surgery, cardiothorac Surg 2024, abrufbar unter: https://academic.oup.com/ejcts/article/65/2/ezad415/7615952?, letzter Zugriff: 26.03.2024.