Mittwoch, 25. Dezember 2024
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Myokarditis nach COVID-19-Erkrankung oder COVID-Impfung: Konkrete Kriterien für die Diagnosesicherung und Behandlung

Myokarditis nach COVID-19-Erkrankung oder COVID-Impfung: Konkrete Kriterien für die Diagnosesicherung und Behandlung
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Wichtig für die Diagnosesicherung und Behandlung der Myokarditis sind konkrete Kriterien, die helfen, eine Myokarditis von einer anderweitigen Herzbeteiligung zu unterscheiden. Die Herzstiftung begrüßt daher Handlungsanweisungen der Amerikanischen Kardiologenvereinigung (American College of Cardiology, ACC) zur COVID- bzw. impfbedingten Myokarditis: Nach welchen Kriterien ist sie zu definieren und diagnostisch abzusichern? Wann ist nach COVID-19 wieder Sport möglich?

 
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Wissenschaftliches Konsensuspapier zum Umgang mit Myokarditis

Während sich weiterhin täglich über 180.000 Menschen mit SARS-CoV-2 in Deutschland neu infizieren, mehren sich auch Berichte über die Folgen am Herzen. Die Auswirkungen auf das Herz führen häufig zu Symptomen wie Brustschmerzen, Luftnot oder Herzstolpern. Bei manchen Patient:innen können auch Veränderungen am Herzen festgestellt werden, ohne dass Symptome auftreten. Im Vordergrund der Auswirkungen auf das Herz steht die Myokarditis. „Häufig sind die Veränderungen am Herzen nur mit Hilfe einer bildgebenden Herz-Untersuchung feststellbar. Wichtig für die Diagnosesicherung und Behandlung der Herzmuskelentzündung sind daher konkrete Kriterien. Sie helfen auch, eine Myokarditis von einer anderweitigen Herzbeteiligung zu unterscheiden“, betont Herzspezialist Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung und Ärztlicher Direktor am Agaplesion-Bethanien-Krankenhaus in Frankfurt am Main. Doch wie lassen sich die Myokarditis und andere Schäden am Myokard sicher feststellen? Was ist dann zu tun? Und wann darf Sportler:innen die Rückkehr zu ihrem Training wieder erlaubt werden? Um die mit diesen Fragen verbundenen Unsicherheiten zu reduzieren, haben Expert:innen der ACC ein wissenschaftliches Konsensuspapier erarbeitet, das Ärzt:innen eine einheitliche Orientierung bei derartigen Fragen bietet (1).

Bei welchen Symptomen erfolgt eine Herzuntersuchung?

Ein Kernpunkt des ACC-Papiers ist, dass von einem routinemäßigen Check auf Herzschäden abgeraten wird. Nur bei mäßigem bis starkem Verdacht auf eine Herzbeteiligung sollte eine nähere Untersuchung erfolgen – etwa bei Symptomen wie
 
  • Brustschmerz
  • Luftnot
  • Herzrasen/Herzstolpern
  • kurze Bewusstlosigkeit (Synkope)
Die Untersuchung erfolgt u. a. mit einem Elektrokardiogramm (EKG), einer Messung des Troponin- und BNP-Spiegels im Blut und einer Echokardiographie. Bei Auffälligkeiten sollten Kardiolog:innen hinzugezogen werden, die je nach Befund weitere bildgebende Verfahren wie eine kardiale Magnetresonanz-Tomographie (kMRT) einsetzen.

Nach welchen Kriterien liegt eine Myokarditis vor?

Eine definitive Myokarditis haben die US-Kardiolog:innen der ACC beim Vorliegen dieser 3 Punkte definiert:
 
  • Kardiale Symptome wie Brustschmerzen, Atemnot (Dyspnoe), starker Herzschlag/Herzklopfen (Palpitationen), Synkope
  • ein erhöhtes Troponin (cTnT)
  • abnorme Befunde im EKG, Auffälligkeiten im Echokardiogramm wie eine Einschränkung der Funktion der linken Hauptkammer oder auch umschriebene Wandbewegungsstörungen, Auffälligkeiten im Kardio-MRT und/oder auffällige Gewebeproben des Herzmuskels (sehr selten durchgeführt)
Eine mögliche Myokarditis liegt vor, wenn alle oben genannten Befunde dafür sprechen, aber kein MRT zur Diagnosesicherung durchgeführt wurde.

Auch Herzbeteiligung nicht unterschätzen: ungünstig für die Prognose

Liegen bei betroffenen Personen Symptome und pathologische Befunde vor, die nicht dem Vollbild der ACC-Definition einer Myokarditis entsprechen, sprechen die US-Kardiolog:innen von einer Herzbeteiligung. Von einer Myokardschädigung ist laut ACC-Expert:innen auszugehen, wenn Troponin-Werte deutlich erhöht sind (Referenzwert liegt über der 99. Perzentile). Auch in der kardialen MRT können Hinweise für eine Myokardschädigung nachgewiesen werden, ohne dass sie dem Vollbild einer Myokarditis entsprechen. Dabei können diese Befunde mit und ohne Beschwerden auftreten und sich mit oder ohne erhöhtes Troponin äußern. „Eine Herzbeteiligung stellt zwar noch keine Herzmuskelentzündung dar. Sie ist aber aufgrund ihrer oftmals diffuseren Symptomatik tückisch, weil sie nicht immer eindeutig dem Herzen zuzuordnen ist, obwohl Schäden am Herzmuskel vorliegen. Eine Herzmuskelschädigung in Zusammenhang mit einer akuten COVID-19 Erkrankung ist oft mit einer schlechteren Prognose verbunden“, warnt Voigtländer.

Sportler:innen mit COVID-19: 3-6 Monate Pause

Generell wichtig: Bei Nachweis einer Herzbeteiligung oder einer Myokarditis sollten starke körperliche Anstrengungen für 3-6 Monate vermieden werden. „Durch diese Ruhepause lässt sich am ehesten eine Schädigung des Herzmuskels vermeiden“, bestätigt  Voigtländer.
Sportler:innen mit COVID-19 und einer Myokarditis-Diagnose sollten laut ACC-Empfehlung entsprechend 3-6 Monate pausieren und erst wieder mit dem Training starten, wenn keine Herz-Lungen-Beschwerden mehr vorhanden sind, die Leistungsfähigkeit des Herzens sich wieder normalisiert hat ebenso wie die Laborhinweise auf einen Myokardschaden. Außerdem dürfen im Belastungstest bzw. im EKG bei der kardiologischen Untersuchung keine Rhythmusstörungen auftreten. Die Deutsche Herzstiftung empfiehlt in solchen Fällen eine Sportpause von 6 Monaten: „Intensive sportliche Aktivitäten sollten nach einer sicher anzunehmenden Myokarditis etwa 6 Monate vermieden werden und erst nach einer kardiologischen Kontrolluntersuchung mit unauffälligen Befunden wieder aufgenommen werden“, so Voigtländer.

Leistungssportler:innen mit asymptomatischer SARS-CoV-2-Infektion: 3 Tage Pause

Speziell bei Leistungssportler:innen haben die ACC-Expert:innen ihre Empfehlungen weiter differenziert. So wird eine Sportpause von 3 Tagen als ausreichend erachtet bei nachgewiesener SARS-CoV-2-Infektion ohne Symptome. Bei mildem Infekt ohne Herz-Lungen-Beschwerden sollten die Sportler:innen warten, bis diese wieder verschwunden sind. Hier seien auch keine weiteren kardiologischen Untersuchungen nötig, da nach aktueller Datenlage eine Myokarditis (oder eine bedeutsame Myokardbeteiligung) bei einer milden COVID-Erkrankung ohne Beschwerden an Herz und Atmung unwahrscheinlich sei. Leiden Sportler:innen hingegen an Symptomen an Herz und Lunge, sollten sie so lange kein intensives Training absolvieren, bis die Symptome vollständig abgeklungen sind und eine Untersuchung bei Herzspezialist:innen vorgenommen wurde.

Myokarditis-Therapie nach COVID-19-Erkrankung/COVID-Impfung

Die Behandlung hängt davon ab, ob kardiale Symptome und weitere Covid-Symptome etwa einer Lungenentzündung vorhanden sind. Die ACC-Expert:innen raten zu folgenden Maßnahmen:
 
  • Patient:innen ohne Symptome, bei denen aber – meist zufällig – eine Myokardbeteiligung festgestellt wurde, sollten informiert werden, auf möglicherweise noch auftretende Warnsignale wie Brustschmerzen und Kurzatmigkeit zu achten.
  • Bei Patient:innen ausschließlich mit Brustschmerzen, aber ohne Zeichen einer Herzschwäche (eingeschränkte Funktion der linken Herzkammer) oder Rhythmusstörungen sollte eine engmaschige ambulante Kontrolle erfolgen, ob sich die Beschwerden verschlechtern. Nach 3-6 Monaten sollte eine Nachkontrolle erfolgen.
  • Bei Patient:innen mit einer definitiven Myokarditis wird zur Klinikaufnahme geraten (idealerweise in Herzinsuffizienz-Zentrum/Heart Failure Unit). Je nach Symptomatik könnten dort u.a. Sauerstoff, Kortikosteroide oder nichtsteroidale Entzündungshemmer (NSAID) gegeben werden.

Impfassoziierte Myokarditis: Behandlung nur bei anhaltenden Beschwerden

Bei impfassoziierten Myokarditis-Fällen, die in der Regel milde verlaufen, raten die ACC-Spezialist:innen zu einem ähnlichen Vorgehen wie bei einer Myokarditis nach SARS-CoV-2-Infektion. So sollten z.B. bei Auftreten von Brustschmerzen kurze Zeit nach einer mRNA-Impfung weitere Untersuchungen erfolgen mit EKG, Troponin-Messung und Echokardiogramm. Bei Verdacht auf eine Myokarditis sei ein MRT ratsam. Bei Patient:innen mit rascher Beschwerdebesserung, normalen/sinkenden Troponin-Werten und einer normalen Herzleistung sei eine Behandlung meist nicht nötig. Bei anhaltenden Beschwerden könne wie bei der SARS-CoV-2-Myokarditis die Behandlung etwa mit Kortikosteroiden oder NSAID erwogen werden. Auch hier sollten Betroffene mit anstrengendem Sport 3-6 Monate warten. Insgesamt betonen die US-Kardiolog:innen, dass der Nutzen der COVID-Impfung aber das Risiko deutlich überwiegt. „Diese Einschätzung können wir insbesondere bei den über 50-Jährigen auch nach unseren Erfahrungen in Deutschland nur unterstreichen“, so Voigtländer.

Vorsicht bei weiteren Impfungen nach einer impfassoziierten Myokarditis

Eher vorsichtig äußern sich die Expert:innen zu weiteren Impfungen nach einer impfassoziierten Myokarditis. „Auch hier teilen wir die Sicht der ACC-Expert:innen, dass eine individuelle Einschätzung der behandelnden Mediziner:innen erfolgen muss“, betont der Frankfurter Kardiologe und Intensivmediziner. Entscheidungskriterien sind Voigtländer zufolge das Risiko für schwere COVID-19-Verläufe (ältere und immunsupprimierte Patient:innen) und der bestehende Antikörperspiegel.

Weitere Informationen zum Thema Myokarditis und Corona-Pandemie & Herz

In der kardialen Magnetresonanztomographie (kMRT) kann eine akute Myokarditis sicher festgestellt werden. Durch sogenannte Mapping-Techniken (T1- und T2-Mapping) kann die Muskulatur der linken Hauptkammer des Herzens auf das Vorliegen von Entzündungsarealen untersucht werden. Es lässt sich sehr genau analysieren, ob durch die Entzündung eine Schwellung im Myokard besteht. Zusätzlich kann durch die Gabe von MRT-Kontrastmittel untersucht werden, ob sich durch die Entzündung bereits eine Zunahme des Bindegewebes im Myokard zeigt.

Informationen für Herz-Kreislauf-Patient:innen zum Thema Myokarditis nach Covid-19/-Impfung bietet die Herzstiftung unter www.herzstiftung.de/corona-impfung und www.herzstiftung.de/corona-impfung-myokarditis

Zum Podcast mit Virologin Prof. Sandra Ciesek und Prof. Thomas Voigtländer zum Thema Corona-Pandemie & Herz unter www.herzstiftung.de/podcast-covid-herz

Quelle: Deutsche Herzstiftung e. V.

Literatur:

(1) J Am Coll Cardiol 2022; Epublished DOI: 10.1016/j.jacc.2022.02.003


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