Überlappende Startcodon-Sequenzen ermöglichen eine doppelte Codierung von Eiweißen: Proteinvielfalt in der Bakterienzelle möglicherweise größer als gedacht
Proteine, also Eiweiße, werden nach einem Bauplan hergestellt, der auf der DNA gespeichert ist und bei Bedarf in RNA umgeschrieben wird. Diese
mRNA wird dann vom Ribosom, der Proteinfabrik der Zellen, abgelesen und in eine Aminosäuresequenz – das heißt, in ein Protein - übersetzt. Damit das Ribosom erkennt, welcher Bereich der mRNA übersetzt werden soll, gibt es so genannte Startcodons und Stopcodons. Diese müssen schnell und exakt erkannt werden, um den Bedarf an Proteinen in einer Zelle zu jedem Zeitpunkt zu decken. Im Rahmen ihrer Forschungsarbeit sind Wissenschafter:innen um Matthias Erlacher vom Institut für Genomik und RNomik (Direktor: Alexander Hüttenhofer) auf überlappende Startcodon-Sequenzen in
E. coli Bakterien gestoßen, welche das Ribosom vor die Herausforderung stellen, das richtige Startcodon zu erkennen. Je nachdem, bei welchem Startpunkt das Ribosom ansetzt, verschiebt sich der Leserahmen und völlig unterschiedliche Proteine können entstehen. Das bedeutet nun, dass in einer mRNA-Sequenz 2 Eiweiße codiert sein können und die
Proteinvielfalt in der (Bakterien-)Zelle möglicherweise größer ist, als bisher angenommen. Die Erkenntnisse wurden kürzlich im Fachjournal Nucleic Acids Research veröffentlicht.
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Ribosom erkennt beide Startcodons AUG und GUG: Zweiter Leserahmen womöglich in der betreffenden mRNA Sequenz verborgen
Das mit Abstand am häufigsten vorkommende Startcodon in allen Organismen ist AUG, eine Abfolge der Nukleotide Adenosin (A), Uracil (U) und Guanosin (G). In bakteriellen mRNAs können auch die Codons GUG und UUG als Startcodon fungieren. Im Zuge ihrer Arbeit in dem vom Forschungsförderungsfond FWF finanzierten Sonderforschungsbereich
RNA Deco wurde das Innsbrucker Team auf die Sequenzfolge AUGUG in E.coli mRNAs aufmerksam, die zwei überlappende Startcodons, AUG und GUG, aufweist. Trotz der unmittelbaren Nachbarschaft der zwei Startcodons, darf nur eines der beiden vom Ribosom erkannt werden, um das gewünschte Protein herzustellen. „Wir wollten verstehen wie das Ribosom in diesen Fällen die Entscheidung trifft und welche Faktoren diesen Prozess beeinflussen. Dabei stellten wir fest, dass unter bestimmten Vorrausetzungen tatsächlich beide Startcodons erkannt werden. Dies würde letztlich bedeuten, dass ein zweiter Leserahmen in der betreffenden mRNA Sequenz verborgen ist. Folglich ist das bakterielle Proteom, also die Gesamtheit der
Proteine, unter Umständen größer als gedacht“, erklärt Erlacher. Maximilian Kohl, ein Student der
Molekularen Medizin in Innsbruck, widmete sich in seiner Masterarbeit den daraus entstandenen Fragestellungen und ist Erstautor der nun veröffentlichten Studie.
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