Alzheimer-Früherkennung: p-Tau-Proteine weniger spezifisch als gedacht
Die Früherkennung der Alzheimer-Krankheit galt durch den Nachweis von p-Tau-Proteinen im Blut als vielversprechender Ansatz. Doch eine neue multizentrische Studie unter der Leitung der Universitätsmedizin Halle zeigt, dass diese Biomarker nicht so krankheitsspezifisch sind wie bisher angenommen (1). Die Forschenden fanden heraus, dass auch bei Menschen mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) erhöhte p-Tau-Werte im Blut nachweisbar sind. Dies zeigt, dass für ein effektives Alzheimer-Screening genauere Tests entwickelt und validiert werden müssen.
p-Tau-Proteine als frühe Alzheimer-Warnsignale
Die Tau-Protein-Varianten p-Tau 181 und 217 gelten als frühe Biomarker für Alzheimer, wenn sie in erhöhter Konzentration im Nervenwasser nachgewiesen werden. Das Verfahren, das mittlerweile als diagnostischer Standard gilt, erfordert jedoch eine Lumbalpunktion – eine für Patient:innen belastende Prozedur. Neuere Forschungen zeigen, dass sich diese Proteine auch im Blut von Alzheimer-Betroffenen mit hochempfindlichen Methoden nachweisen lassen. Dies könnte die Diagnostik erheblich erleichtern. „Die Fachwelt erwartete einen Durchbruch, der eine minimalinvasive und kostengünstige Alzheimer-Früherkennung für die breite Bevölkerung ermöglichen könnte“, erklärt Prof. Dr. Markus Otto, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie an der Universitätsmedizin Halle. Neben Alzheimer erforscht er auch die Früherkennung weiterer neurodegenerativer Erkrankungen wie ALS.
„Uns fiel auf, dass die Konzentrationen von p-Tau 181 im Blut von ALS-Patient:innen erhöht war, nicht aber im Nervenwasser, wie man es von Menschen mit Alzheimer kennt. Um dem Phänomen genauer auf den Grund zu gehen, haben wir die bisher größte Studie zu diesem Thema initiiert“, erklärt der Neurologe Otto.
p-Tau-Werte auch bei ALS-Patient:innen erhöht
Die Ergebnisse bestätigten, dass die p-Tau 181-Werte bei ALS-Betroffenen mindestens so hoch sind wie bei Alzheimer-Patient:innen. Zusätzlich konnte das Team erstmals zeigen, dass auch p-Tau 217 bei ALS erhöht ist. Diese Erkenntnisse sind zweischneidig: Einerseits zeigt die Studie, dass p-Tau-Proteine als Alzheimer-Biomarker weniger spezifisch sind als ursprünglich erhofft. Andererseits könnten sie künftig als neue Biomarker für ALS genutzt werden, um den Krankheitsverlauf besser zu diagnostizieren und die Wirksamkeit neuer Therapien zu bewerten. „Was auf den ersten Blick wie ein Rückschlag für die Alzheimer-Diagnostik aussieht, könnte uns beim Verständnis und der Behandlung von ALS weiterbringen“, erklärt Dr. Samir Abu-Rumeileh, Erstautor der Studie und Oberarzt an der Universitätsmedizin Halle.
p-Tau-Proteine bleiben wichtig, doch diagnostische Präzision fehlt
Trotz dieser neuen Erkenntnisse bleiben p-Tau-Proteine zentrale Kandidaten für eine Alzheimer-Diagnose mittels Bluttest. Allerdings sei die Spezifität nicht so hoch wie erhofft. Ein positives Testergebnis könnte daher als erster Hinweis genutzt werden, sollte aber durch neuropsychologische Untersuchungen, bildgebende Verfahren oder eine Nervenwasseranalyse ergänzt werden. Angesichts neuer Antikörpertherapien gegen Alzheimer, die bereits in den USA zugelassen sind und bald auch in Europa erwartet werden, bleibt es ein vorrangiges Ziel der Forschung, Betroffene frühzeitig und zuverlässig zu identifizieren – denn eine erfolgreiche Behandlung ist nur in frühen Krankheitsstadien möglich.
Gehirn nicht die einzige Quelle von p-Tau-Proteinen
Ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie betrifft die Herkunft der p-Tau-Proteine. Mithilfe massenspektrometrischer Analysen und immunhistologischer Verfahren konnten die Forschenden nachweisen, dass das Muskelgewebe von ALS-Patient:innen selbst p-Tau produziert. „Die Annahme, dass diese Blutmarker ausschließlich aus dem Gehirn stammen, trifft offenbar nicht zu“, fasst Prof. Otto zusammen.
Quelle:Universitätsmedizin Halle
Literatur:
(1) Abu-Rumeileh S. et al. (2025) Phosphorylated tau 181 and 217 are elevated in serum and muscle of patients with amyotrophic lateral sclerosis. Nat Commun 16, 2019 (2025), DOI: 10.1038/s41467-025-57144-7.