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Zelluläre pathophysiologische Mechanismen von Mutationen in Genen wurden analysiert

Eine Autismus-Spektrum-Störung ist eine komplexe neurologische Entwicklungsstörung, die weltweit Millionen von Menschen betrifft. Sie beeinträchtigt die Kommunikationsfähigkeit und das Sozialverhalten und ist häufig durch sich wiederholende Verhaltensweisen gekennzeichnet. Ein erheblicher Anteil der Ursachen für ASS wird mit genetischen Faktoren in Verbindung gebracht, wobei sich Mutationen in den Genen CACNA2D1 und CACNA2D3 – die für die Proteine α2δ-1 und α2δ-3 kodieren – als wichtig erwiesen haben. Diese Proteine regulieren Kalziumkanäle, die Synapsenbildung und damit die Verbindungen zwischen den Nervenzellen. Ihre genaue Rolle bei ASS blieb bislang jedoch ungeklärt. Genau dieser Herausforderung hat sich das Team des Fachbereichs Physiologie der KL Krems gestellt und eine Studie durchgeführt, in der die zellulären pathophysiologischen Mechanismen von Mutationen in diesen Genen analysiert wurden.

Mutationen können die Funktion von Synapsen stören

„Unsere Ergebnisse erweitern das Verständnis der Bedeutung von α2δ-Proteinen für die Gehirnentwicklung”, erklärt Prof. Dr. Gerald Obermair, Leiter des Fachbereichs Physiologie an der KL Krems. Gemeinsam mit seinem Team konnte er zeigen, dass die Mutationen — p.R351T in α2δ-1 und p.A275T in α2δ-3 — den Einbau der Proteine in Membranen der Nervenzellen reduzieren, und damit ihre Lokalisierung an den Synapsen verhindern. „Diese Entdeckung ist deshalb so wichtig, weil sie zeigt wie Mutationen, die zwar keinen Einfluss auf die klassischen Funktionen der Kalziumkanäle haben, durch kleine Veränderungen dennoch die Funktion von Synapsen stören können”, führt Sabrin Haddad, M.Sc., Erstautorin der Studienpublikation und Doktorandin im Team von Obermair weiter aus.

Mutationen beeinflussen den Aufbau von Synapsen, nicht aber ihre Fähigkeit, Signale zu übertragen

Für die Analyse der neuronalen Prozesse setzte das Team neben Nervenzellkulturen aus dem Hippocampus auch modernste Methoden der Elektrophysiologie ein. Die Ergebnisse zeigen, dass beide Mutationen zu einer deutlich verminderten Expression der α2δ-Proteine in den Zellmembranen führten, insbesondere in Dendriten und Axonen, also den kritischen Orten der Vernetzung von Nervenzellen. Bemerkenswert war auch, dass die p.A275T-Mutation des α2δ-3-Proteins dessen Glykosylierung verändert – einen wichtigen Prozess, der die Stabilität von Proteinen bewahrt und damit ihre Funktion sicherstellt. Doch trotz dieser strukturellen Änderung blieben Aktivität der Kalziumkanäle und die Signalleitung über die Synapsen unbeeinträchtigt. Dies deutet darauf hin, dass die Mutationen zwar den Aufbau von Synapsen beeinflussen, nicht aber ihre Fähigkeit, Signale zu übertragen.

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Forschung zeigt die subtilen Effekte der untersuchten Mutationen

Die Studie bestätigte, dass die Menge des α2δ-Proteins insgesamt stabil blieb – ein Hinweis darauf, dass die Mutationen somit wohl ausschließlich die Struktur und Membranlokalisierung der Proteine betreffen. Diese Ergebnisse verlagern den Schwerpunkt von der traditionellen Sichtweise der Fehlfunktion von Kalziumkanälen hin zu der Frage, wie sich die Fehllokalisierung von Proteinen auf neuronale Netzwerke auswirken könnte. „Unsere Arbeit zeigt die subtilen Effekte der untersuchten Mutationen. Wie sich diese auf die Entwicklung des Nervensystems und in Folge auf die Entstehung von ASS auswirken, müssen wir also noch wesentlich intensiver als bisher untersuchen”, betont Obermair. Insgesamt hat diese Arbeit ein wichtiges Teil zum komplexen Puzzle der genetischen Grundlagen von ASS hinzugefügt. Die Entdeckung alternativer Wege, auf denen Mutationen die Gehirnentwicklung stören können, bildet somit die Grundlage für die Entwicklung innovativer Analysemethoden und therapeutischer Ansätze.

Quelle:

Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften Krems