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Medizin

Lymphatische Filariose – eine vernachlässigte Tropenkrankheit

Der Fadenwurm W. bancrofti ist ein Parasit, der vor allem in den tropischen Regionen Afrikas und Asiens vorkommt und die Krankheit lymphatische Filariose verursachen kann. Diese Krankheit schädigt das Lymphsystem und kann bei den Betroffenen zu Lymphödemen mit erheblicher Umfangsvermehrung der Extremitäten führen.

Das Team um die DZIF-Forschenden Prof. Dr. Michael Hoelscher und Prof. Dr. Inge Kroidl vom Institut für Infektions- und Tropenmedizin am LMU Klinikum führte gemeinsam mit dem tansanischen National Institute for Medical Research – Mbeya Medical Research Centre (NIMR-MMRC) von 2007 bis 2011 eine umfassende Kohortenstudie an neun Studienstandorten in Tansania durch. Die EMINI (Evaluation and Monitoring of the Impact of New Interventions)-Studie zeigte, dass eine Infektion mit dem Wurm W. bancrofti das Risiko für eine Ansteckung mit HI-Viren um das 2- bis 3-fache erhöht (2).

Kohortenstudie in Tansania

Zwischen 2009 und 2015 wurden Dorfbewohner:innen in Tansania im Rahmen eines Regierungsprogramms zur Elimination der lymphatischen Filariose jährlich mit Antihelminthika behandelt. Gemeinsam mit Forschenden des UKB und der Universität Bonn nahmen das Münchner und das tansanische Team dies zum Anlass, in einer Folgestudie (RHINO: Risk of HIV Infections through Nematode Organism) den Einfluss der quasi vollständigen Eliminierung der Infektion mit W. bancrofti auf die HIV-Inzidenz zu untersuchen.

Im Jahr 2019 lud das Forschungsteam Personen an einem der EMINI-Studienstandorte, Kyela, zur Teilnahme an der RHINO-Folgestudie ein. Die Probandinnen und Probanden :innen wurden auf HIV und W. bancrofti (WB) getestet und entsprechend in 3 Gruppen eingeteilt – 1. WB-positiv, 2. von WB geheilt (d.h. WB-positiv zwischen 2007 und 2011 und WB-negativ im Jahr 2019), sowie 3. WB-negativ. In einer statistischen Analyse verglich das Forschungsteam dann die HIV-Inzidenz in diesen 3 Gruppen in den Untersuchungszeiträumen 2007-2011 und 2011-2019.

Eindämmung von W. bancrofti-Infektionen senkt HIV Inzidenz

Die Analyse der HIV-Inzidenz zwischen 2007 und 2011 zeigte, dass WB-infizierte Personen (1,72 Fälle pro 100 Personenjahre/PJ) im Vergleich zu WB-negativen Personen (0,69 pro 100 PJ) ein mehr als doppelt so hohes Risiko hatten, sich mit HIV zu infizieren. Die im Zeitraum 2011-2019 untersuchte HIV-Inzidenz bei Personen, die von WB geheilt worden waren (0,73 Fälle pro 100 PJ) unterschied sich dagegen nur unwesentlich und statistisch nicht signifikant von Personen, die nie mit WB infiziert waren (0,68 Fälle pro 100 PJ).

In der Probandengruppe, die von W. bancrofti geheilt wurde, zeigte sich im Vergleich der beiden Studienzeiträume ein Rückgang der HIV-Inzidenz um circa 60%, der auch nach Anpassung für Alter und Geschlecht statistisch signifikant war (gemessene Odds Ratio: 0.41, p=0,012). In der Vergleichsgruppe der Personen, die in keiner der beiden Zeiträume mit W. bancrofti infiziert waren, zeigte sich dagegen keine Veränderung der HIV-Inzidenz.

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Quelle:

Klinikum der Universität München

Literatur:

(1)

Kroidl I et al. Lancet 2025. doi: 10.1016/S2352-3018(25)00001-3

(2)

Kroidl I et al. Lancet 2016; 388(10054):1912-1920. doi: 10.1016/S0140-6736(16)31252-1