Mehr Medikamente für Menschen mit seltenen Erkrankungen: eine langfristige Aufgabe
Rund 8.000 seltene Krankheit sind bekannt. Gegen viele dieser Orphan Diseases gibt es noch keine wirksamen Medikamente. Daran erinnert der Tag der Seltenen Erkrankungen am 28. Februar.
„Es ist eine Jahrhundertaufgabe, für alle Betroffenen wirksame Therapien zu entwickeln“, sagt Han Steutel, Präsident des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa). „Die forschende Pharmaindustrie hat diese Herausforderung angenommen, und ruht sich auch nicht auf ihren Erfolgen aus, zu denen immerhin schon mehr als 240 Orphan-Medikamente seit der Jahrtausendwende gehören.“
Aktuell 31 Orphan-Medikamente im Zulassungsverfahren
Medikamente gegen seltene Krankheiten können in der EU auf Antrag des Herstellers den Orphan-Drug-Status erhalten, wenn sie für Menschen mit einer bestimmten seltenen Krankheit absehbar eine wesentliche Therapieverbesserung darstellen. Dass Unternehmen schon bald weitere Medikamente mit diesem Status in Deutschland verfügbar machen könnten, zeigt ein Blick auf die laufenden Zulassungsverfahren und die erteilten Zulassungen: Demnach ist derzeit für 31 Orphan-Medikamente die EU-Zulassung beantragt. Weitere 12 sind schon in der EU zugelassen, jedoch noch nicht in Deutschland ausgeboten worden. Von den 43 Medikamenten enthalten 36 einen neuen Wirkstoff.
Die Anwendungsgebiete dieser 43 Orphan-Medikamente verteilen sich auf folgende medizinische Felder:
Krebserkrankungen mit soliden Tumoren: 19%
Stoffwechselkrankheiten: 12%
Immunologische Erkrankungen: 12%
Neurologische Erkrankungen: 12%
Hämatologische Krebserkrankungen: 9%
Herz-Kreislauf-Krankheiten: 7%
Muskelerkrankungen: 7%
Infektionskrankheiten: 5%
Psychiatrische Erkrankungen: 2%
Transplantation: 2%
Sonstige Krankheiten: 14%
Nutzenbewertung eignet sich nicht als Experimentierfeld
Die besonderen Regeln in der Nutzenbewertung von Arzneimitteln gegen seltene Erkrankungen haben sich bewährt. Die Zahl von Medikamenten gegen seltene Erkrankungen wächst. Trotzdem werden die Regeln zur Nutzenbewertung für diese ebenso besondere wie wichtige Arzneimittelgruppe gelegentlich in Frage gestellt. Deshalb wurde ermittelt, wie es sich ausgewirkt hätte, wenn Orphan Drugs die Nutzenbewertung nach denselben Regeln wie alle anderen Arzneimittel hätten durchlaufen müssten. Bei Wegfall der bestehenden Regeln drohen große Versorgungslücken:
Wären Orphan Drugs in der Nutzenbewertung wie alle anderen Medikamente behandelt worden, würde heute sehr wahrscheinlich mindestens jedes zweite davon fehlen. Denn 57% von ihnen zeigten ein sehr hohes oder maximales Marktrücknahmerisiko, weil ihr Preisniveau sehr stark – teilweise auf Generikaniveau – gesunken wäre.
Bei den besonders innovativen Gen- und Zelltherapien gegen seltene Erkrankungen wurde ein noch höheres Marktrücknahmerisiko von 78% festgestellt.
Weitere Informationen:
Übersicht über alle 43 Orphan-Medikamente im EU-Zulassungsverfahren oder zugelassen, aber noch nicht in Deutschland ausgeboten: www.vfa.de/perspektive-orphan-drugs
Die Studie zur Bedeutung der Orphan Drug-Regelung im AMNOG für die Patientenversorgung: www.vfa.de/abschaffung-orphan-drug-regelung-amnog.html
Weitere Informationen des vfa zu seltenen Erkrankungen und Orphan Drugs: www.vfa.de/seltene-erkrankungen
vfa – Verband der forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland