Psychische Belastung durch Pandemie: Studie zur Stärkung der Resilienz
Bereits mit Beginn der Pandemie war ein Forschungsprojekt in Tirol folgender Frage nachgegangen: „Wie bewältigen Menschen mit psychischen Erkrankungen Quarantäne und soziale Isolation während der COVID-19-Pandemie?“. Bei der ersten Befragungsrunde im Sommer 2020 haben über 1.000 Teilnehmer:innen aus Tirol teilgenommen. Nun liegen erste Ergebnisse dieses vom Land Tirol geförderten Projektes vor: Dabei hat sich gezeigt, dass rund 15% sich selbst als psychisch belastet eingestuft haben. „Die Hälfte der Teilnehmer:innen hat vor allem die Einsamkeit betont. Insbesondere bei Jugendlichen und Personen unter 30 Jahren wurde die Langeweile als negativer Faktor hervorgehoben“, erklärt Studienleiter Alex Hofer, Direktor der Innsbrucker Univ.-Klinik für Psychiatrie I. „Unsere Erkenntnisse decken sich hierbei durchaus mit denen anderer internationaler Studien“. Dementsprechend waren vor allem Frauen, Alleinstehende, Arbeitslose und Menschen mit geringen Einkommen besonders belastet. „Wir konnten mit unserer Forschungsarbeit zeigen, dass eine klinisch relevante Belastung der Allgemeinbevölkerung vorliegt“, sagt Hofer. „Es hat sich darüber hinaus gezeigt, dass die Anzahl der stationär behandlungsbedürftigen Menschen mit depressiven Erkrankungen im Jahr 2021 deutlich angestiegen ist“.
Resilienz kann gestärkt werden: Teilnehmer:innen für neue Studie gesucht!
Die bisherigen Forschungsergebnisse belegen, dass Resilienz, also die psychische Widerstandsfähigkeit von Menschen, ein wichtiger Schutzfaktor ist. „Frauen schätzen ihre Resilienz geringer ein als Männer und sehen sich daher auch häufiger als psychisch belastet an. Ein Drittel des Geschlechtsunterschiedes lässt sich auf Unterschiede in der Resilienz zurückführen,“ sagt Hofer. In einer neuen, gerade gestarteten Studie sollen daher gezielt 2 Methoden der Resilienzstärkung auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden.„Diese innere Stärke und Fähigkeit zur Erholung und Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit wirkt wie eine Art seelisches Immunsystem und hilft, Stress- bzw. Krisensituationen besser zu bewältigen“, erklärt Alex Hofer. „Diese seelische Widerstandsfähigkeit ist bei jedem Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt, kann aber gestärkt und trainiert werden“, ergänzt Mark Spanner, Klinischer Psychologe und Mitarbeiter der neuen Resilienz-Studie. Für dieses Forschungsprojekt, das gerade gestartet ist, werden rund 200 Teilnehmer:innen nach dem Zufallsprinzip aufgeteilt. Bei der einen Gruppe wird das Verfahren der „Progressiven Muskelentspannung“ angewandt. Diese wissenschaftlich bereits anerkannte Methode zielt auf die bewusste, willentliche Anspannung und Entspannung bestimmter Muskelgruppen ab. RASMUS („Resilienz durch Achtsamkeit, Selbst-Mitgefühl und Selbstfürsorge“) ist die zweite angewandte Methode.
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Alex Hofer: „Ich rechne mit einer Zunahme von Suchterkrankungen“
Die Stärkung der Resilienz soll dazu beitragen, die psychische Gesundheit der Bevölkerung zu steigern. Ein Ergebnis aus den bisherigen Forschungsprojekten lässt den Psychiater dabei besonders aufhorchen. „Bei der ersten Befragung der Tiroler Bevölkerung im Sommer 2020 haben 20% der Teilnehmer:innen angegeben, gezielt Substanzen zu konsumieren, damit sie sich besser fühlen.“ Nach einer zweiten Befragungsrunde, die dann im Winter 2020/21 durchgeführt worden ist, ist dieser Wert bei den rund 400 Teilnehmer:innen, die auch bei Runde 1 dabei waren, auf 33% gestiegen. „Wir gehen auf Grund dieser Erkenntnisse daher davon aus, dass Suchterkrankungen in der Corona-Pandemie zugenommen haben“, sagt Hofer.Dies belegt auch eine weitere Studie, die ausschließlich mit psychiatrischen Patient:innen durchgeführt wurde. Hierfür wurden Patient:innen, die 2019 in einer psychiatrischen Einrichtung in Tirol oder Südtirol behandelt worden sind, befragt. Es hat sich gezeigt, dass diese vorbelastete Gruppe besonders die negativen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie gespürt hat. „Rund 50% der Teilnehmer:innen mit depressiven Vorerkrankungen haben sich als psychisch belastet eingestuft“, sagt Hofer. Auch abhängigkeitskranke Patient:innen gaben an, beim zweiten Befragungszeitpunkt, also im Winter 2020/21, mehr Substanzen konsumiert zu haben. Hierbei handelt es sich um Patient:innen, die zuvor bereits auf Grund des Missbrauchs von Alkohol, Benzodiazepinen oder Opiaten behandelt worden waren. Eine Verbesserung und Erweiterung der Möglichkeiten, die Resilienz von Menschen zu steigern und zu trainieren, soll langfristig dazu beitragen, einen Anstieg an psychischen Erkrankungen wie Suchterkrankungen oder Depressionen zu verhindern. „Primäres Ziel unserer Resilienzstudie ist die Prävention. Hierfür muss aber zunächst evaluiert werden, welche Methode geeignet und zielführend ist“, meint Hofer.
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