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Sprachverlust nach einem Schlaganfall: Neue Hoffnung durch Forschung

Ein Schlaganfall kann die Sprachfähigkeit erheblich beeinträchtigen. Oft setzt jedoch in den folgenden Tagen und Wochen eine Erholung ein, unterstützt durch logopädische Sprachtherapie. Bisher war unklar, welche Prozesse dabei genau ablaufen.

„In unserer Studie haben wir Schlaganfall-Patientinnen und -Patienten der über 3 Phasen hinweg untersucht: direkt nach dem Schlaganfall und dann 2 Wochen und ein halbes Jahr danach“, erklärt Prof. Dr. Gesa Hartwigsen vom Wilhelm-Wundt-Institut für Psychologie der Universität Leipzig und dem Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. Während sich frühere Studien auf die Aktivierung klassischer Sprachzentren konzentrierten, analysierte das Team erstmals die Interaktionen zwischen verschiedenen Hirnarealen auf Netzwerkebene. „An Sprache sind viele Hirnareale beteiligt, die gemeinsam funktionelle Netzwerke bilden„, so Hartwigsen. „Wie diese Areale während der Spracherholung zusammenarbeiten, war bislang unklar.“

Drei Prinzipien der Spracherholung nach einem Schlaganfall

Die Studie identifizierte 3 grundlegende Prinzipien der Spracherholung:

  1. Unterstützung durch andere Netzwerkareale: Sprachspezifische Areale der linken Gehirnhälfte, die durch den Schlaganfall betroffen sind, erhalten schnell funktionelle Verstärkung durch andere Netzwerkareale. Diese „domänen-allgemeinen" Areale sind in beiden Gehirnhälften vorhanden und unterstützen kognitive Funktionen.

  2. Aktivierung spiegelbildlicher Areale: Die in der rechten Gehirnhälfte gelegenen Homologen der betroffenen Sprachzentren übernehmen zusätzliche Aufgaben, obwohl sie normalerweise weniger an der Sprachverarbeitung beteiligt sind.

  3. Verstärkte Netzwerkkommunikation: Die Interaktionen zwischen den Spracharealen der linken Gehirnhälfte intensivieren sich im Verlauf der Spracherholung.

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Anpassungsprozesse sind individuell

Die funktionellen Anpassungen bei der Wiederherstellung der Sprachkompetenz variierten stark zwischen den Patient:innen. Eine entscheidende Rolle spielte dabei die Lage der Schädigung in der linken Gehirnhälfte. Da sich die Sprachareale bei Rechts- und Linkshänder:innen unterscheiden, wurden in dieser Studie ausschließlich Rechtshänder:innen untersucht, die einen Schlaganfall in der linken Hemisphäre erlitten hatten.

Untersuchung mit fMRT und Modellierungsverfahren

An der Studie nahmen 51 Personen teil, darunter 34 Schlaganfall-Patient:innen und 17 gesunde Kontrollproband:innen. Während Sprachaufgaben durchgeführt wurden, wurde mittlels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) die Hirnaktivität gemessen. Anschließend analysierten die Forschenden die Daten mit einem Modellierungsverfahren, das kausale Zusammenhänge zwischen Hirnarealen sichtbar macht. „Durch unsere Methode konnten wir nicht nur feststellen, welche Bereiche gleichzeitig aktiviert sind, sondern auch, welcher Teil welchen anderen in welcher Erholungsphase beeinflusst“, erläutert Dr. Philipp Kuhnke.

Potenzial für spätere personalisierte Therapie

„Die Erkenntnisse bergen das Potential, in Zukunft Patientinnen und Patienten individuell therapieren zu können, etwa mit einer gezielten Neurostimulation“, so Prof. Hartwigsen. Doch bis dahin müsse noch weiter geforscht werden, mit noch mehr Proband:innen sowie umfangreicheren und detaillierteren Analysen. Parallel arbeiten die Wissenschaftler:innen daran, Schlüsselfaktoren zu identifizieren, mit denen sich eine gute Spracherholung nach einem Schlaganfall bereits kurz nach dem Ereignis prognostizieren lässt.

Quelle:

Universität Leipzig

Literatur:

(1) Jiang Z. et al (2025) Dynamic reorganization of task-related network interactions in post-stroke aphasia recovery, Brain, 2025, DOI: 10.1093/brain/awaf036.