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Signifikante Senkung von Schubrate und MRT-Aktivität durch Vitamin-D

Insgesamt 316 Personen mit klinisch isoliertem Syndrom (mittleres Alter 34 Jahre; 70% weiblich) wurden randomisiert, 288 schlossen die Studie ab. Wie sich zeigte, führte die Vitamin-D-Gabe über 2 Jahre zu einer geringeren Krankheitsaktivität, definiert durch das Auftreten von MS-Schüben und/oder neuen oder Kontrastmittel-aufnehmenden Läsionen im MRT. Krankheitsaktivität wurde bei 94 Betroffenen (60,3%) in der Vitamin-D-Gruppe und bei 109 (74,1%) in der Placebogruppe beobachtet (HR: 0,66 (95% KI, 0,50-0,87); p = 0,004). Die mediane Dauer bis zum Auftreten von Krankheitsaktivität war in der Vitamin-D-Gruppe signifikant länger (432 vs. 224 Tage; p = 0,003). Ebenso wiesen die Ergebnisse der Bildgebung auf einen positiven Effekt der Vitamin-D-Gabe hin: Bei nur 89 der behandelten Patient:innen (57,1%) gegenüber 96 der nicht-behandelten (65,3%) zeigte sich MRT-Aktivität, neue Läsionen traten bei 72 vs. 87 Patient:innen auf, Kontrastmittel-aufnehmende Läsionen bei 29 vs. 50.

Subgruppenanalyse bestätigt Wirkung bei früher MS

In einer Subgruppenanalyse wurden aus der Studienpopulation gesondert 247 Personen ausgewertet, welche die McDonald-Diagnosekriterien für eine schubförmig remittierende Multiple Sklerose erfüllten, aber noch keine krankheitsmodifizierende Immuntherapien erhalten hatten. Bei ihnen konnten vergleichbare positive Effekte der Vitamin-D-Gabe beobachtet werden.

DGN-Experte fordert weitere Forschung

„Dieser Befund könnte bedeuten, dass Vitamin D die Krankheitsprogression nicht nur beim klinisch isolierten Syndrom, sondern auch in der Frühphase der MS signifikant verlangsamen kann“, erklärt Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Da die Schubratenreduktion vergleichbar mit jener unter Immuntherapeutika sei, müsse dieser Therapieansatz weiter erforscht werden – idealerweise auch in Kombination mit krankheitsmodifizierenden Therapien.

S3-Leitlinie: Vitamin D nur bei Mangel supplementieren

Die aktuelle S3-Leitlinie zur Diagnose und Therapie der MS empfiehlt eine Supplementierung nur bei nachgewiesenem Mangel. Bei normalen Werten kann eine Substitution bis zum hochnormalen Bereich (50–125 nmol/l) erwogen werden, sollte aber 4.000 IU täglich nicht überschreiten (2).

Warnung vor unkontrollierter Hochdosis-Einnahme

Prof. Dr. Achim Berthele von der TU München warnt ausdrücklich vor einer eigenmächtigen Einnahme von hochdosiertem Vitamin D. „Einige Betroffene nehmen bis zu 100.000 IU täglich ein – das kann zu schweren Nebenwirkungen wie Nierenversagen oder Herzrhythmusstörungen führen“, so Berthele. In der Studie wurde Vitamin D in einer Dosis von 100.000 IU alle 2 Wochen verabreicht – also etwa 7.000 IU täglich – und nur unter strenger ärztlicher Kontrolle.

Prof. Berthele verweist auch auf eine randomisierte Studie aus Neuseeland und Australien aus dem Jahr 2023, in der eine tägliche Gabe von bis zu 10.000 IE keinen positiven Einfluss auf die Konversion zur MS zeigte (3). Die Datenlage sei deshalb derzeit noch heterogen und lasse keine pauschalen Empfehlungen zu.

Vitamin D vielversprechend, aber keine Alternative zur Immuntherapie

Laut Berthele sollte niemand eine wirksame Immuntherapie zugunsten von Vitamin D abbrechen oder verzögern. Die Studie zeige aber, dass Vitamin D zu Beginn der Erkrankung überprüft und bei Mangel ausgeglichen werden sollte. Dies könne den Verlauf positiv beeinflussen, dürfe jedoch kein Ersatz für eine etablierte Immuntherapie sein.

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Quelle:

Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.

Literatur:

(1) Thouvenot E. et al. (2025) High-Dose Vitamin D in Clinically Isolated Syndrome Typical of Multiple Sclerosis: The D-Lay MS Randomized Clinical Trial. JAMA. 2025 Mar 10. DOI: 10.1001/jama.2025.1604.
(2) Hemmer B. et al. Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen, S2k-Leitlinie, 2024, Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie, abrufbar unter: www.dgn.org/leitlinien, letzter Zugriff: 21.03.2025.
(3) Butzkueven H. et al. (2024) Vitamin D did not reduce multiple sclerosis disease activity after a clinically isolated syndrome. Brain. 2024 Apr 4;147(4):1206-1215, DOI: 10.1093/brain/awad409.