HIV hat sich von einer tödlichen zu einer chronischen Erkrankung entwickelt
Vor 40 Jahren wurde das HI-Virus entdeckt. Es schädigt oder zerstört bestimmte Zellen des Immunsystems. Unbehandelt kann eine HIV-Infektion zur Immunschwächekrankheit AIDS (Acquired Immunodeficiency Syndrome) führen und tödlich verlaufen: Das geschwächte Immunsystem kann dann selbst harmlose Keime und Viren nicht mehr bekämpfen oder andere Krankheiten nicht mehr verhindern. Die Betroffenen sterben beispielsweise an Krebserkrankungen oder Infektionen, wie Lungenentzündungen oder Pilzerkrankungen. Weltweit haben bisher rund 40 Millionen Menschen an den Folgen von AIDS ihr Leben gelassen. „Doch dank der zahlreichen Therapieverbesserungen im Bereich der HIV-Therapeutika hat sich HIV von einer tödlichen zu einer chronischen Erkrankung entwickelt“, sagt BPI-Experte Wilken.
Arzneimittel gegen HI-Viren verhindern die Vermehrung des Virus
In Deutschland leben über 90.000 Menschen mit HIV.
Über 90% der Betroffenen geben an, „gut“ mit der Infektion leben zu können, drei Viertel fühlen sich gesundheitlich nicht oder nur wenig eingeschränkt. Das zeigt eine wissenschaftliche Online-Befragung der Deutschen Aidshilfe in Zusammenarbeit mit dem Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft. „Mit Hilfe der Therapeutika erkranken die Betroffenen weder an AIDS noch geben sie das Virus weiter“, so Wilken. Seit dem ersten Arzneimittel gegen HIV im Jahr 1987 hat sich viel getan: Inzwischen stehen verschiedene Wirkstoffe für eine Therapie zur Verfügung. „Die Arzneimittel verhindern die Vermehrung des Virus im Körper“, erklärt Wilken. „Dafür setzen sie an verschiedenen Stellen an: Sie verhindern zum Beispiel, dass HIV sein Erbgut in die Körperzellen einbaut. Oder sie lassen gar nicht erst zu, dass das Virus in die Zelle eindringt.“
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Neue Anwendungsformen werden entwickelt
Meistens nehmen die Betroffenen eine Kombination von 3 Wirkstoffen ein, damit die Behandlung so effektiv wie möglich verläuft. Eine Fixkombination in Form von einer einzigen Tablette täglich vereinfacht die Handhabung enorm. Seit Kurzem sind auch Depotpräparate auf dem Markt: Die Wirkstoffe müssen nur alle ein bis 2 Monate gespritzt werden. Zudem befinden sich weitere neue Anwendungsformen in der Entwicklung, wie Implantate oder Mikronadelpflaster, die über lange Zeit hinweg die Wirkstoffe freisetzen. Egal ob Pille, Pflaster, Spritze oder Implantat: Die Therapeutika wirken so gut, dass die Viren im Blut nicht mehr nachweisbar sind. Gleichzeitig erholt sich das Immunsystem, was sich an der Anzahl der Helferzellen nachweisen lässt. „Voraussetzung für ein möglichst beschwerdefreies Leben mit HIV ist eine frühe Diagnose, ein früher Beginn der Behandlung und eine konsequente Therapie“, betont Wilken. „Das bedeutet auch: Nach risikoreichen Situationen sollten sich Menschen auf HIV testen lassen.“
Arzneimittel zur Prophylaxe: Schutz vor einer HIV-Infektion
Manche der HIV-Therapeutika können einer Infektion sogar vorbeugen.
Die „Prä-Expositions-Prophylaxe“, kurz: PrEP genannt, kann dann vor einer möglichen HIV-Infektion schützen. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen bei Menschen mit erhöhtem HIV-Risiko die Kosten.
Neue Hoffnung in der HIV-Therapie durch CRISPR/Cas und Impfung
Patient:innen müssen die Therapeutika bisher lebenslang einnehmen, denn die Arzneimittel können das Virus nicht vollständig aus dem Körper entfernen. „HIV nistet sich in das Erbgut von Immunzellen ein und ist dort vor Arzneimitteln geschützt“, erklärt Wilken. Hört man auf, die Therapeutika zu nehmen, kann die Infektion jederzeit wieder aufflammen. Große Hoffnung setzt die Forschung daher in die CRISPR/Cas-Technologie, die sogenannte Genschere: Mit ihrer Hilfe sollen die Viren in ihrem Versteck aufgespürt und ihr Erbgut aus der DNA der menschlichen Zellen herausgeschnitten werden. Genauso bestechend ist der Ansatz einer Impfung: Die Forschung zu HIV-Impfstoffen hat durch die rasante Entwicklung von Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 profitiert. Doch noch immer bereitet den Forscher:innen die HIV-Impfung Kopfzerbrechen, denn es existieren unzählige Formen des Virus, das extrem geschickt darin ist, sich vor dem Immunsystem zu verstecken. Doch Studien im Tiermodell sind bisher vielversprechend.