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Feuer im Kopf – Update Enzephalitis: Ursache, Behandlung, Verlauf

von Susanne Morisch

Feuer im Kopf – Update Enzephalitis: Ursache, Behandlung, Verlauf
© Sergey Nivens – stock.adobe.com
Mit der Autobiografie „Feuer im Kopf“ gelang es Susannah Cahalan vor über 10 Jahren die Aufmerksamkeit auf eine bis dahin kaum bekannte Krankheit zu lenken: die NMDA-Rezeptor-Enzephalitis. Damals dauerte es lange, bis die richtige Diagnose gestellt wurde. Seither hat sich viel bewegt. Anlässlich des Welt-Enzephalitis-Tags am 22. Februar 2023 gab PD Dr. Frank Leypoldt, Neurologe am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, ein Update zu Ursachen, Diagnostik und Behandlung der Enzephalitis.
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Als Ursache für eine Enzephalitis kommen viele Möglichkeiten in Betracht – Viren, Bakterien, Pilze, Autoimmunkrankheiten. Sorgen die unterschiedlichen Ursachen für unterschiedliche Ausprägungen?


Je nach Ursache gibt es unterschiedliche Ausprägungen und Manifestationen, unterschiedliche Verläufe und auch Rückbildungsfähigkeiten. Es gibt ein breites Spektrum zwischen sehr rasch, sehr akut, sehr fulminant, bis hin zu laviert, über Wochen und Monate, bis erste Symptomatiken auftreten. Auch in der Art, wie rasch unter Therapie Besserung eintritt, bestehen große Unterschiede.

Die häufigsten Erreger in Deutschland sind die Herpes-simplex-Viren (HSV). Sie können in einer Ganglienzellschicht im Gehirn sitzen und den angrenzenden Schläfenlappen infizieren, was binnen Tagen oder wenigen Wochen zu einer schweren Erkrankung mit Gedächtnisstörungen und epileptischen Anfällen, bis hin zu Bewusstseinsminderung, führen kann. Früher war der Verlauf letal, heute gibt es mit antiviralen Medikamenten Behandlungsmöglichkeiten. Grundsätzlich gilt: Je früher die Therapie startet, desto höher ist das Outcome, aber auch anhaltende kognitive Einschränkungen und Sprachstörungen sind möglich.
 
 

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Das andere sind die NMDA-Rezeptor-Enzephalitiden: Sie gehören zu den autoimmun-verursachten Gehirnentzündungen. Sie sind erst seit knapp 20 Jahren bekannt und bilden die häufigste autoimmun-bedingte Enzephalitis. Am häufigsten ist sie bei Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Frauen zu beobachten. Innerhalb von Tagen oder wenigen Wochen kommt es erst zu Verhaltensauffälligkeiten, dann zu epileptischen Anfällen und Bewusstseinsminderung, die intensivmedizinische Aufenthalte erforderlich machen. Trotz der Imposanz der Symptomatik ist die Erkrankung relativ gut behandelbar: Nach 2 Jahren können 80% der Betroffenen wieder ein selbstständiges Leben führen. Viele Patient:innen leiden unter anhaltenden Gedächtnisstörungen, trotzdem können dreiviertel einen gewöhnlichen Alltag führen.

NMDA-Rezeptor-Enzephalitiden in Filmen und Serien

Das Buch, mittlerweile auch verfilmt, wurde von Susannah Cahalan geschrieben, einer jungen Journalistin der New York Post, die aus ihrem Leben mit ihrer Beziehung und ihrem ersten Job völlig unvermittelt herausgerissen wurde: 6 Monate später „wachte sie auf“ und las in ihrer Krankenakte, dass sie schwere selbst- und fremdverletzende und suizidale Tendenzen gezeigt hatte – etwas, woran sie sich nicht erinnern konnte. Der Fall ereignete sich 2007, zu einem Zeitpunkt, zu dem über diese Form der Enzephalitis noch wesentlich weniger bekannt war, weshalb die Diagnostik mehr Zeit in Anspruch nahm als es heute der Fall wäre.
Wir brauchen aber gar nicht in die USA zu blicken, der Eisbär Knut, aus Berlin, erlitt infolge einer NMDA-Rezeptor-Enzephalitis einen epileptischen Anfall, weshalb er ins Wasser fiel und ertrank. Man geht davon aus, dass die NMDA-Rezeptor-Enzephalitis infolge einer HSV-bedingten Enzephalitis auftrat. Hier nähern sich die beiden Formen wieder an – es ist möglich, dass das Immunsystem auf die Viren reagiert und dann in einer überschießenden Antwort das Gehirn angreift. Andere Beispiele der Popkultur sind ein Fall bei „Dr. House“ oder auch die 3. Staffel der Serie „Hannibal“.

Wie häufig ist Enzephalitis?

Die Inzidenz der Enzephalitis ist nicht genau bekannt, weder in Deutschland, noch weltweit. Man kann bei häufigen Unterformen wie der NMDA-Rezeptor-Enzephalitis davon ausgehen, dass 1 Erkrankung pro 1 Million/Jahr neu auftritt. Alle Enzephalitiden kommen auf 1 Erkrankung pro 100.000/Jahr. Die Prävalenz liegt um 20 pro 100.000 – also gar nicht so selten, wie man glauben möchte. Hinzu kommt, dass sie sehr wahrscheinlich unterdiagnostiziert ist.

Wie wird Enzephalitis diagnostiziert?

Bei ausreichendem Verdacht, basiert auf Symptomen, MRT- und Liquor-Untersuchung, kann eine Antikörper-Untersuchung durchgeführt werden, die mit hoher Sensitivität und Spezifität die Ursache findet. Allerdings stehen diese diagnostischen Instrumente nicht weltweit zur Verfügung. Während in Deutschland und den übrigen westlichen Ländern die Diagnostik problemlos möglich ist, verfügen viele andere Teile der Erde gar nicht über die notwendige Ausstattung, was ein großes Problem darstellt. Entsprechend sind dort, besonders die ungewöhnlichen Unterformen, massiv unterdiagnostiziert.
Auch die Differentialdiagnostik kann eine Enzephalitis ans Licht bringen – beispielsweise bei Epilepsie oder Myasthenie, aber auch bei Bewegungsstörungen wie Parkinson.

Wie wird Enzephalitis behandelt?

Grundsätzlich muss bei der Therapie zwischen Erreger- und autoimmun-induzierter Enzephalitis unterschieden werden. Die Unterscheidung ist bisweilen nicht leicht. Bei einer Erreger-induzierten Enzephalitis stehen antivirale und antibiotische Therapien im Vordergrund, bei durch das Immunsystem verursachte Enzephalitiden wir mit Immunsuppressiva behandelt. Es gibt aber auch Überlappungen.
Bei den autoimmunen Phänomenen gibt es keine abgeschlossenen Studien, aber es gibt erste Studienversuche, beispielweise GENERATE-BOOST vom GENERATE-Netzwerk – GENERATE steht für German Network for Research on Autoimune Encephalitis – bei der untersucht wird, ob die autoimmune Enzephalitis mit neuen Medikamenten rascher zu beherrschen ist. Es gibt Basistherapien, allerdings ist die Frage, welche Therapie individuell zu den einzelnen Patient:innen passt, nicht immer leicht zu beantworten. Es gibt unterschiedliche Ansätze, aber keine Therapie „von der Stange“, sondern sehr individualisierte Immuntherapien.
 
 

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Der Beginn der Therapie ist immer durch das Erkennen der Symptome und das Ziehen der richtigen diagnostischen Schlüsse geprägt. Auch wenn noch nicht genau geklärt ist, welchen Ursprungs die Enzephalitis ist, müssen bereits früh therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. Die Testung auf Herpes wird durchgeführt, bzw. abgeklärt, ob auch eine autoimmune Variante vorliegen kann. Ist dies der Fall, kann die Therapie zum Beispiel um Kortison erweitert oder ganz auf automimmuntherapeutische Medikamente geswitcht werden. Danach muss geklärt werden, ob ein vollstationärer Aufenthalt notwendig ist oder ob die Patient:innen bereits in rehabilitative Einrichtungen vermittelt werden können. In jedem Fall ist eine langfristige, intensive ambulante Weiterbetreuung der Patient:innen notwendig, die sich am individuellen Bedarf orientiert.

Was geschieht nach der Akutphase einer Enzephalitis?

In der Rehabilitation können psychiatrische Symptome wie Halluzinationen, Depressionen oder Psychosen sowie manische Phasen oder Angststörungen auftreten, die nicht als Begleiterscheinungen der Enzephalitis wahrgenommen werden. Zwar treten diese Symptome auch in der Akutphase auf, aber eben auch in der Post-Akutsphase, wenn die Reorganisation der Netzwerke im Gehirn im Gange ist. Während dieser Zeit weisen rund ein Drittel der Patient:innen suizidale Tendenzen auf – auch weil es nach der Akutphase zu einer hohen psychischen Belastung kommt. Rund 80% der Patient:innen zeigen irgendwann im Verlauf psychiatrische Symptome, was viel zur anfänglichen Fehldiagnose einer rein psychiatrischen Erkrankung beiträgt.

Ist Enzephalitis heilbar?

Die Heilungschancen hängen stark von der Ursache und der Unterform der Enzephalitis ab. Bei der NMDA-Rezeptor-Enzephalitis kehren etwa 80% der Patient:innen nach einem dreiviertel bis 1 Jahr wieder in ihr Leben zurück. Bei komplexen Gedächtnistestungen sind auch noch Jahre später Gedächtnisstörungen feststellbar. In der Regel sind die Patient:innen aber in der Lage, die Ausfälle zu kompensieren und schreiben sich, wenn sie merken, dass sie vieles vergessen, viele Dinge auf. Die NMDA-Rezeptor-Enzephalitis hinterlässt Spuren; bei adäquater und frühzeitiger Therapie ist eine Erholung aber möglich, so dass der Großteil der Betroffenen nach 2 Jahren keine relevanten Einschränkungen mehr unterliegt.

Bei der Herpes-bedingten Enzephalitis ist eine folgenlose Erholung hingegen selten; die Raten liegen bei nur ca. 10%. Die meisten Patient:innen haben anhaltende Schwierigkeiten mit dem Sprechen und dem Gedächtnis, leiden unter Epilepsie und können sich nur schwer orientieren.

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