Herzrhythmusstörungen
Dr. rer. nat. med. habil. Eva GottfriedHerzrhythmusstörungen, auch Arrhythmien genannt, bezeichnen Störungen der regelmäßigen Abfolge des Herzschlages. Dieser kann zu langsam, zu schnell oder unregelmäßig sein und geringe bis lebensbedrohliche Folgen haben. Eine der bekanntesten Formen ist das Vorhofflimmern, an dem fast zwei Millionen Menschen in Deutschland leiden. Neben EKG und Ultraschalluntersuchung zur Diagnostik stehen Medikamente, Herzschrittmacher und Defibrillatoren zur Behandlung zur Verfügung.
Wie entstehen Herzrhythmusstörungen?
Das Herz ist ein großer Muskel, der aus zwei Kammern und zwei Vorhöfen besteht, die sich in einem bestimmten Rhythmus zusammenziehen und danach wieder entspannen. Auf diese Weise pumpt das Herz Blut in die Gefäße und durch den ganzen Körper. Den Anstoß zum Zusammenziehen (Systole) und Erschlaffen (Diastole) geben elektrische Impulse, die von speziellen Zellen im Sinusknoten und Atrio-Ventrikular-Knoten (AV-Knoten) des Herzen ausgelöst werden. Das ganze System zur Leitung elektrischer Signale wird als Reizleitungssystem des Herzens bezeichnet.Wenn die elektrischen Impulse und damit die Herzschläge zu schnell, zu langsam oder unregelmäßig erfolgen, spricht man von Herzrhythmusstörungen (HRST) oder Arrhythmien. Auch wenn nicht jede Rhythmusstörung behandelt werden muss, ist es sinnvoll diese vom Arzt abklären zu lassen.
Welche Formen von Herzrhythmusstörungen werden unterschieden?
Zu Rhythmusstörungen kommt es durch Veränderung der Erregungsbildung und Erregungsleitung am Herz. Die häufigste Herzrhythmusstörung ist das Vorhofflimmern, bei dem das Herz zu schnell schlägt. Verschiedene Formen dieser schnellen Herzdrhythmusstörungen werden als Tachykardien bezeichnet; bei zu langsamem Herzschlag spricht man von Bradykardie. Daneben gibt es vielfältige Formen von unregelmäßigem Herzschlag.Herzrhythmusstörungen werden nach verschiedenen Kategorien eingeteilt, wie dem Ort der Störung, der Häufigkeit und Regelmäßigkeit der Herzschläge (Frequenz) sowie dem betroffenen Taktgeber. Grob gesagt erscheinen sie als
- supraventrikuläre Arrhythmien bei Störungen im Herzvorhof
- ventrikulären Arrhythmien bei Störungen in der Herzkammer
- Störungen der Sinusknotenfunktion, d.h. des primären Taktgebers
- AV-Block, d.h. Störung des sekundären Taktgebers, dem AV-Knoten
- Elektrolytbedingte Herzrhythmusstörungen (Störungen des Kalium-/Kalziumhaushalts)
Welche Symptome bei Herzrhythmusstörungen?
Je nach Form und Dauer der Herzrhythmusstörung reichen mögliche Symptome und Beschwerden von unmerklich bis lebensbedrohlich. Ein leichtes Herzklopfen muss nicht gleich eine gefährliche Herzrhythmusstörung bedeuten, sondern kann auch durch Freude, Aufregung oder Anstrengung im Sport auftreten. Bei unklaren Symptomen und Ursachen allerdings ist unbedingt ein Arzt zu Rate zu ziehen.Als Warnzeichen können gelten
- Herzklopfen
- Herzstolpern
- Herzjagen und Herzrasen (Palpitation)
- Schwindelgefühl
- Beklemmungsgefühl ähnlich wie bei Angina pectoris
- Bewusstseinsverlust und plötzliche Stürze
- kardialer Schock
Lesen Sie mehr zu diesem Thema:
Wie lassen sich Risiken nach Herz-OPs minimieren?
Erschienen am 17.01.2023 • In einer Studie haben Forschende überprüft, ob die Gabe von Selen die Sterblichkeit nach Herz-OPs verringern kann. Mehr dazu erfahren Sie hier!
Erschienen am 17.01.2023 • In einer Studie haben Forschende überprüft, ob die Gabe von Selen die Sterblichkeit nach Herz-OPs...
© yodiyim – stock.adobe.com
Wie wird die Diagnose von Herzrhythmusstörungen gestellt?
Beim Auftreten von Herzproblemen ist eine umfassende Diagnostik nötig, um die verschiedenen Herzerkrankungen zu unterscheiden. Auch koronare Herzkrankheiten (KHK) müssen im Blick behalten werden.Herzfrequenz und Pulsschlag reichen zur Diagnosestellung bei Problemen nicht aus, weil diese auch vom Alter und der Fitness der Patient:innen bestimmt sind. Neugeborene und Kinder haben einen schnelleren Herzschlag und Puls als Erwachsene; gut trainierte Menschen haben wiederum einen langsamen Herzschlag und Puls als wenig trainierte Menschen. Eine gesunde physiologische Anpassung des Herzschlags an die körperliche Anstrengung ist normal.
Je nach Symptomen und klinischem Bild der Patient:innen werden im Rahmen der Diagnostik verschiedene Untersuchungen durchgeführt, wie beispielsweise
- körperliche Untersuchung
- Erfragen von Lebensbedingungen und Medikamenteneinnahme
- Ruhe-EKG (Elektrokardiogramm)
- Belastungs-EKG
- Langzeit-EKG mit einem unter der Kleidung tragbaren Gerät
- Eventrecorder/Loop-Recorder
- Langzeit-Blutdruckmessung
- Herz-Ultraschalluntersuchung (Echokardiographie)
- Herzkatheteruntersuchung, d.h. elektrophysiologische Untersuchung (EPU)
Wozu dienen Wearables bei Herzrhythmusstörungen?
Aufgrund des technischen Fortschritts lassen sich inzwischen biophysikalische Daten wie Herzfrequenz, Herzrhythmus, Puls und EKGs nicht nur anhand medizinischer Geräte in Praxis und Klinik, sondern auch mit modernen Wearables von den Patient:innen selbst erfassen. Hierzu werden vielfältige Wearables angeboten, wie direkt am Körper getragene Smartwatches, Armbänder und Brustgurte. Mithilfe sogenannter Eventrecorder sollen auch selten auftretende Ereignisse erfassbar gemacht werden.Zu bedenken ist dabei, dass die Geräte vorschriftsmäßig angelegt und genutzt werden, damit ihre Sicherheit, Sensitivität und Zuverlässigkeit gewährleistet ist und aussagekräftige Daten erhalten werden können, ohne dem Träger zu schaden.
Welche Ursachen haben Herzrhythmusstörungen?
Arrhythmien sind häufig Symptome oder Hinweise auf andere Erkrankungen des Herzens, Störungen in anderen Organen oder Ausdruck einer Fehlfunktion des vegetativen Nervensystems. Herzrhythmusstörungen können in jedem Alter auftreten; das Risiko steigt aber mit zunmehmendem Alter. Ursachen für Rhythmusstörungen des Herzens können unter anderem sein- nervöse und vegetative Faktoren, wie Stress
- toxische Einflüsse oder bestimmte Medikamente
- Schädigung des Herzgewebes, z.B. Myokarditis
- Grunderkrankungen außerhalb des Herzens
- Störungen des Hormonhaushaltes
- ohne erkennbare Ursache, d.h. idiopathisch
Lesen Sie mehr zu diesem Thema:
Einsatz von Smartphones kann Detektionsrate von Vorhofflimmern bei Älteren mehr als verdoppeln
Erschienen am 14.12.2022 • VHF bleibt bei vielen Betroffenen unentdeckt. Wie ein VHF-Screening mit Smartphones die Detektionsrate bei Älteren erhöht, erfahren Sie hier!
Erschienen am 14.12.2022 • VHF bleibt bei vielen Betroffenen unentdeckt. Wie ein VHF-Screening mit Smartphones die Detektionsrate bei...
© Syda Productions – stock.adobe.com
Wie werden Herzrhythmusstörungen behandelt?
Die Behandlung richtet sich im Wesentlichen nach dem Erkrankungstyp und der Dringlichkeit. Es gibt medikamentöse und nicht-medikamentöse Möglichkeiten der Behandlung. Weil bei einigen Patient:innen auch Kombinationen von bradykarden und tachykarden Störungen auftreten, wie z.B. beim Bardykardie-Tachykardie-Syndrom, ist auch die Behandlung von Rhythmusstörungen komplex. Weil auch freiverkäufliche pflanzliche Präparate den Herzrhytmus beeinflussen können, sollten die behandelnden Ärzt:innen darüber in Kenntnis gesetzt werden.Zur ärztlichen Behandlung mit Medikamenten werden sogenannte Antiarrhythmika eingesetzt, die nach ihrer Wirkungsweise verschiedenen Klassen zugeordnet werden, wie
- Natriumkanalblocker (Klasse I nach Vaughan/Williams)
- Betablocker (Klasse II)
- Kaliumkanalblocker (Klasse III)
- Kalziumkanalblocker (Klasse IV)
- Diverse (Klasse V), u.a. Digitalis, Adenosin
Zur nicht-medikamentösen Behandlung von Rhythmusstörungen dienen ggf.
- Implantation von Herzschrittmacher
- Katheterablation/Herzgewebe-Verödung
- Defibrillator mit unsynchronisierter Elektroschockgabe
- Kardioversion (synchronisierte Elektroschockgabe)
Welche Störungen zählen zu den Herzrhythmusstörungen?
Herzrhythmusstörungen haben ihre Ursache direkt im Herzen. Sie werden von den koronaren Herzkrankheiten unterschieden, deren Ursache häufig in einer Erkrankung der Herzkranzgefäße liegt, was oft etwas unscharf als Gefäßverkalkung bezeichnet wird.Je nach Ort der Störung werden supraventrikuläre und ventrikuläre Arrhythmien unerschieden.
Supraventrikuläre Arrhythmien gehen von den Herzvorhöfen aus und erscheinen je nach Häufigkeit (Frequenz) als
- supraventrikuläre Extrasystole (SVES), d.h. zusätzliche elektrische Impulse aus Vorhöfen führen zu zusätzlichen Herzschlägen
- Tachykardien, d.h. erhöhte Schlagfrequenz (in Ruhe mehr als 100 Schläge pro Minute)
- Tachyarrhythmien, d.h. unregelmäßige Herzschläge
- Vorhofflattern und Vorhofflimmern, d.h. extrem häufige Herzschläge (teils viel mehr als 200 Schläge pro Minute in Ruhe)
- ventrikuläre Extrasystole (VES), d.h. zusätzliche Impulse in Herzkammern führen zu zusätzlichen Herzschlägen
- Tachykardien, d.h. erhöhte Schlagfrequenz
- Kammerflimmern, Kammerflattern, d. h. zu hohe oder unregelmäßige Kammerschläge
- Sinusbradykardie, d.h. (zu) niedrige Herzfrequenz unter 60 Schläge pro Minute in Ruhe
- Sinustachykardie, d.h. Herzfrequenz über 100 Schläge pro Minute in Ruhe
- Sinusarrhythmie, d.h. wechselnde Herzfrequenz
- Sinusknotensyndrom, d.h. Fehlbildung am Herzen, die zu verlangsamtem Herzschlag führt
- AV-Block verschiedenen Grades
- Schenkelblock
- Hyperkaliämie
- Hypokaliämie
- Hyperkalzämie
- Hypokalzämie
Lesen Sie mehr zu diesem Thema:
Herzrhythmusstörungen: Wann Herzstolpern gefährlich wird
Erschienen am 05.08.2019 • Wann werden Herzrhythmusstörungen gefährlich? Diese Warnzeichen sollten unbedingt beachtet werden!
Erschienen am 05.08.2019 • Wann werden Herzrhythmusstörungen gefährlich? Diese Warnzeichen sollten unbedingt beachtet werden!
(2) Leben mit Herzrhythmusstörungen, Wissen kompakt erklärt, Deutsche Herzstiftung e. V., 2021. https://www.herzstiftung.de/system/files/2021-05/BR13-leben-mit-rhythmusstoerung.pdf. Abgerufen am 30.01.2023.
(3) Reinhard L, Herzrhythmusstörungen: Akutbehandlung, Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. 2016 Jun 14: 664–674. doi: 10.1007/978-3-662-50444-4_48
(4) Veltmann C et al. Wearable-basierte Detektion von Arrhythmien. Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Kardiologe 2021(15):341–353 https://doi.org/10.1007/s12181-021-00488-3
(5) Gie/aerzteblatt.de, Pflanzliche Präparate: Diese Wechselwirkungen sollten Kardiologen kennen, Deutsches Ärzteblatt, 2017, https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/73371/Pflanzliche-Praeparate-Diese-Wechselwirkungen-sollten-Kardiologen-kennen. Abgerufen am 30.01.2023.