Mittwoch, 25. Dezember 2024
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Gesundheitspolitik

Mehr Fälle und neue Varianten – Was bei Corona im Herbst droht

Mehr Fälle und neue Varianten – Was bei Corona im Herbst droht
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Erleichterung hat sich breitgemacht. Der internationale Gesundheitsnotstand wegen SARS-CoV-2 ist seit Monaten beendet. Was haben da der Anstieg der gemeldeten Corona-Fallzahlen in Deutschland und auffällige neue Virusvarianten zu bedeuten?
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Wie sich die Situation gerade entwickelt

Vorweg: Fachleute sehen immer noch eine sehr breite Grundimmunität aus Impfungen und Infektionen in Deutschland. Das heißt aber nicht, dass man sich nicht mehr anstecken kann. Sondern, dass man als grundsätzlich gesunder Mensch in der Regel nicht so schwer erkrankt, dass man in eine Klinik oder gar auf die Intensivstation muss.

Seit etwa 6 Wochen steigt laut Robert Koch-Institut (RKI) die Zahl der im Labor bestätigten Corona-Nachweise. In der vergangenen Woche waren es knapp 4.000 Fälle bundesweit. Das Niveau ist somit sehr niedrig, aber auch kaum mehr direkt vergleichbar mit Werten aus der Pandemie, als viel häufiger getestet wurde. Für Experten ist klar, dass es eine hohe Dunkelziffer an Infizierten gibt.

„Wir sehen kaum noch COVID-Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen, allerdings gab es in den letzten Monaten auch kaum nennenswerte Infektionen in der Bevölkerung“, sagt der Intensivmediziner Christian Karagiannidis. Die Patientenzahlen seien überhaupt nicht vergleichbar mit Spitzenwerten aus Pandemiezeiten, als bis zu 6.000 Corona-Infizierte gleichzeitig versorgt wurden. Zu Wochenbeginn waren es laut Karagiannidis gut 100 bundesweit, wobei nicht alle wegen COVID-19 behandelt wurden.

„Für Panik gibt es gerade keinen Grund, wir haben es eigentlich geschafft. Wir sind in der endemischen Phase“, sagt Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. „Aber wir sind immer noch nicht auf dem Schnupfen-Niveau, wir sind auf dem Grippe-Niveau.“ Es könne sein, dass man mit COVID-19 ein paar Tage ausfalle.

Was sich bei Corona-Varianten getan hat

Dass über Corona wieder häufiger gesprochen wird, liegt auch an Weiterentwicklungen im Erbgut von SARS-CoV-2. Entscheidend ist die Frage, ob womöglich doch noch mal eine Variante entsteht, die unser Immunsystem wieder richtig austricksen kann. „Bisher habe ich keine neue Variante gesehen, bei der ich Bauchschmerzen kriegen und zu besonderer Wachsamkeit mahnen würde“, sagt Watzl. Auch das RKI sieht bisher keine Hinweise auf eine höhere Krankheitsschwere.

Vor allem zwei neue Abkömmlinge von Omikron sind gerade besonders im Blick. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte zunächst EG.5, auch Eris genannt, zu einer von nunmehr 3 „Virusvarianten von Interesse“ hoch. Wegen des Wachstumsvorteils und Immunflucht-Eigenschaften könnte EG.5 laut WHO wieder für mehr Fälle sorgen und in einigen Ländern oder sogar weltweit dominant werden.
 
Deutlich stärker mutiert ist die neue Variante BA.2.86. Die WHO stufte sie vorige Woche als eine von derzeit 7 „variants under monitoring“ ein. BA.2.86 weise im Vergleich zu den nächsten Verwandten knapp 30 Veränderungen im Spike-Protein auf, sagt der Spezialist für Corona-Varianten Richard Neher (Basel). Bisher lägen erst wenige Sequenzen vor, jedoch aus verschiedenen Ländern. Das deute auf eine bereits weite Verbreitung hin. In  Deutschland ist BA.2.86 laut RKI noch nicht nachgewiesen.

Manche fühlen sich bei BA.2.86 an die Anfangszeit von Omikron erinnert. Omikron bedeutete einen großen Sprung in der Virusevolution und verbreitete sich extrem schnell weltweit. Doch das muss sich nicht wiederholen. „Solche stark mutierten Virusvarianten werden sporadisch gemeldet, aber es handelt sich typischerweise um isolierte Beobachtungen, die sich nicht weiter ausbreiten“, sagt Neher. Ob und wie schnell sich BA.2.86 ausbreite, bleibe noch abzuwarten.

Was der Herbst bringt

Prognosen über den Verlauf von Grippe- und auch Corona-Wellen sind schwierig. Viren entwickeln sich weiter. Der Zeitpunkt und das Ausmaß ihrer Zirkulation werden zudem von vielen verschiedenen Parametern beeinflusst, wie das RKI erklärt. Allerdings habe auch Corona bislang insbesondere im Herbst und Winter starke Erkrankungswellen verursacht. „Deshalb ist auch künftig mit einem Anstieg der Fallzahlen in diesen Jahreszeiten zu rechnen“, teilte das RKI mit.

„Wir werden weiter ein gewisses Auf und Ab erleben“, meint der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb. Doch solange keine gänzlich andere Variante entstehe, sehe er keine neue pandemische Situation. „Aber wachsam müssen wir schon bleiben.“ Was die Intensivstationen betrifft, so rechnet Karagiannidis in den kommenden Monaten „immer wieder mit einzelnen Fällen, vor allem bei immungeschwächten Patienten, allerdings in keinster Weise vergleichbar mit der Pandemie“. Im Vordergrund des Geschehens erwarte er vielmehr Grippe und bei Kindern das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV). Alle drei Atemwegserreger könnten zu Personalausfällen führen.

Wer sich wieder impfen lassen sollte

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt nur noch bestimmten Gruppen Auffrischimpfungen, vorzugsweise im Herbst und ähnlich wie beim Grippeschutz. Dazu gehören etwa Menschen ab 60, Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen ab einem Alter von 6 Monaten, Pflege- und Gesundheitspersonal sowie Angehörige von Risikopatienten. Mindestens 12 Monate sollen in der Regel seit der letzten Impfung oder Infektion vergangen sein. Gesunden Erwachsenen unter 60 und Schwangeren wird dies nicht mehr empfohlen. Grundimmunisierung und Booster empfiehlt die STIKO auch nicht mehr für gesunde Säuglinge,
Kinder und Jugendliche.
 
 

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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte kürzlich auf der Plattform X, früher Twitter, an, dass die angepassten Vakzine wahrscheinlich ab 18. September in den Praxen seien. Watzl zufolge kann man auf die neuen Impfstoffe warten. Günstig wäre es in den Augen des Immunologen, wenn die Variante EG.5 vorherrschend bliebe, da das Spike-Protein dem von XBB.1.5 sehr ähnlich sei. Das ist die Variante, an die etwa der Pfizer/BioNTech-Impfstoff angepasst wurde.

Was der Einzelne noch tun kann

Es gibt immer noch Menschen, die auf Schutz angewiesen sind. Das RKI rät neben einem Impfschutz gemäß STIKO-Empfehlung: bei einer akuten Atemwegsinfektion 3 bis 5 Tage zu Hause bleiben, Kontakte möglichst reduzieren, in die Armbeuge husten und niesen und regelmäßig die Hände waschen. „Besondere Vorsicht geboten ist bei einem Kontakt mit Personen, die durch einen schweren Verlauf von Atemwegsinfektionen gefährdet sind“, hieß es. Für immungeschwächte Patienten seien neben Auffrischimpfungen auch Masken bei Corona-, Grippe- und RSV-Wellen und ein früher Therapiebeginn wichtig, sagt Karagiannidis.

Bei typischen Symptomen kann man sich laut Leif Sander von der Charité in Berlin weiterhin zu Hause testen. „Antigentests auch aus dem letzten Jahr können weiterhin genutzt werden, solange ihr Haltbarkeitsdatum nicht überschritten ist und sie bei der empfohlenen Temperatur gelagert wurden.“ Es gebe bisher keine Hinweise, dass die herkömmliche Virusdiagnostik durch die neuen Varianten beeinträchtigt werde.

Immunologe Watzl gibt zu bedenken, dass SARS-CoV-2 nicht mehr verschwinde und dass Infektionen in der jetzigen Phase für Immungesunde ein Auffrischen der Immunität bedeuteten. „Würde man das Virus für mehrere Jahre auf ein ganz niedriges Niveau zurückdrängen, dann drohen am Ende wieder mehr schwere Erkrankungen, weil Menschen das Virus jahrelang nicht gesehen haben“, sagt er. Zu viel Schutz könne somit auch kontraproduktiv sein. Das Risiko von Langzeitfolgen sei zwar nicht verschwunden, Long COVID könne man auch nach einer zweiten Corona-Infektion bekommen. Aber man werde dahin kommen, dass das Risiko auf einem ähnlichen Niveau liege wie bei anderen Infektionskrankheiten.
 
 

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Quelle: dpa


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