Gesunde Erythrozyten passen sich durch Verformung an die Fließbedingungen in Gefäßen an
Unter der Federführung von Forschenden der Universität des Saarlandes und dem Start-up Cysmic GmbH hat ein internationales Team beobachten können, wie sich rote Blutzellen von schwer an
COVID-19 erkrankten Personen deformieren und infolgedessen nicht mehr richtig fließen können, wenn sie in sehr feinen Blutgefäßen ankommen. „Entscheidend für Funktionstüchtigkeit der roten Blutzellen ist ihre
Eigenschaft sich zu verformen und somit an die Fließbedingungen in Gefäßen anzupassen. Bei gesunden Menschen nehmen Blutzellen dazu bestimmte Formen an, je nach Fließgeschwindigkeit des Blutes“, erklärt Dr. Steffen Recktenwald, Postdoktorand am Lehrstuhl von Prof. Christian Wagner. So gibt es zum Beispiel „Croissants“ oder „Slipper“, da die gesunden Blutzellen dann an das Aussehen von Gebäck oder Schuhen erinnern. „Bei schwer an
COVID-19 erkrankten Patient:innen sehen wir aber, dass sich diese Zellen pathologisch verformen“, so der Experte für Mikrofluidik.
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Erhöhtes Thromboserisiko durch nicht normal verformbare Erythrozyten von COVID-Patient:innen
Zwar gibt es auch bei den krankhaft veränderten Zellen „Croissants“ und „Slipper“. Aber diese sind pathologisch verändert, bilden Spitzen aus oder verwandeln sich in stachelige Kugeln. Das hat Auswirkungen auf die Fließfähigkeit des Blutes. „Im Laborexperiment konnten wir beobachten, dass diese Zellen sich nicht normal verformen können“, erklärt Dr. Greta Simionato, Coautorin der Studie. An engen Stellen, also beispielsweise in den Kapillaren, wo der Sauerstoff aufgenommen bzw. abgegeben wird, kann das dazu führen, dass die Zellen sich nicht mehr so gut deformieren können; sie verhaken sich ineinander und bleiben hängen, es kann eventuell zu einer
Thrombose kommen. Die Zellen können den Sauerstoff nicht mehr so gut aufnehmen und ihn auch nicht mehr so schnell transportieren wie im gesunden Zustand. Darin könnte ein weiterer Grund liegen, weshalb
COVID-Patient:innen in vielen Fällen schwere Probleme mit der Atmung und der Sauerstoffsättigung im Blut haben.
Transfusion von gesundem Blutplasma in COVID-Patient:innen könnte den Krankheitsverlauf abmildern
Es gibt aber eine interessante Beobachtung, welche möglicherweise einen neuartigen Ansatz bietet, wie schwere
COVID-19-Verläufe abgemildert werden können: „Wir haben die Blutproben der Patient:innen, die aus den
roten Blutzellen und dem Blutplasma bestanden, mit den Proben einer gesunden Kontrollgruppe vermischt: Gesunde Blutzellen in das Plasma der Patient:innen und Blutzellen der Patient:innen in gesundes Plasma“, erklären Simionato und Recktenwald ein weiteres Experiment. „Dabei konnten wir sehen, dass die gesunden Zellen im krankhaften Plasma ebenfalls krankhafte Formen annahmen und sich daher schlechter deformieren lassen. Die krankhaften Blutzellen jedoch, die wir in das Plasma der gesunden Kontrollgruppe gegeben haben, sind wieder gesund geworden“, berichten die Forschenden weiter. Letzten Endes könnte dies bedeuten, dass eine Transfusion von gesundem Blutplasma in schwer erkrankte
COVID-Patient:innen den Verlauf der Krankheit abmildern könnte, da sich die Transportfähigkeit für den Sauerstoff wieder verbessern würde. Bis man dies jedoch gesichert sagen kann, müssten noch weitere Experimente an Patient:innen selbst vorgenommen werden, nicht nur an Blutproben im Labor.
(1) Steffen M Recktenwald et. al. 2022 Cross-talk between red blood cells and plasma influences blood flow and omics phenotypes in severe COVID-19 eLife 11:e81316