Bis 2050 werden ca. 2 Millionen Menschen in Deutschland an Alzheimer erkrankt sein
Gegenwärtig leiden in Deutschland rund 1,2 Millionen Menschen an einer
Alzheimer-Demenz, 2030 werden es wahrscheinlich bereits 1,4 Millionen und 2050 sogar 2,0 Millionen sein (1). Wie Prof. Dr. Oliver Peters von der Charité Berlin erläuterte, ist dieser Anstieg mit dem wachsenden Altersdurchschnitt der Bevölkerung assoziiert. Nach der Amyloid-Kaskaden-Hypothese, als ein zentraler Erklärungsansatz für die Pathophysiologie, kommt es dabei zur Akkumulation des Proteins Beta-Amyloid an den Neuronen, das sich schließlich in größeren Amyloid-Plaques ablagert. Dies induziert eine Entzündungsreaktion, die zur Störung des Enzymstoffwechsels und damit zur Bildung von Tau-Neurofibrillen in den Gehirnzellen führt. Die dadurch bedingte Schädigung der Nervenzellen führt zum Abbau von Hirnstrukturen, bis es zu ersten Gedächtnisstörungen und schließlich zur Alzheimer-Demenz kommt (2–4).
MCI gibt erste Hinweise auf Alzheimer-Demenz
Peters zufolge manifestieren sich die für die Alzheimer-Krankheit typischen pathologischen Protein-Ablagerungen jedoch viele Jahre vor dem Auftreten erster klinischer Symptome. Diese zeigen sich in der Regel in Form einer objektiv nachweisbaren leichten kognitiven Beeinträchtigung (MCI). MCI kann mittels verschiedener Kognitionstests bereits in der Hausarztpraxis schnell und mit hoher Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, gibt aber noch keinen Aufschluss darüber, ob wirklich eine Alzheimer-Erkrankung vorliegt (5). Hierzu müssen weitere diagnostische Verfahren herangezogen werden. „Es bedarf einer gezielten Früherkennung, um das Potenzial der künftigen Behandlungsoptionen in frühen Krankheitsstadien auszuschöpfen. Dies ermöglicht einen Paradigmenwechsel von der reinen Versorgung einer bislang unheilbaren Erkrankung hin zu einer Krankheitsmodifikation, die eine wesentliche Beeinflussung des Krankheitsverlaufes bedeuten kann, wenn die Behandlung in sehr frühen Stadien begonnen wird“, so Peters.
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Biomarker zur raschen Diagnosesicherung nutzen
Wie Prof. Dr. Timo Grimmer von der Technischen Universität München erläuterte, bestünden jedoch bereits beim Erkennen eines MCI in der Primärversorgung deutliche Defizite. Aber auch die bisherige Diagnostik der Alzheimer-Erkrankung erfolge oft erst spät im Stadium der leicht- bis mittelgradigen Demenz (6). „Die Frühdiagnostik demenzieller Syndrome wird gerade im Hinblick auf zu erwartende neue therapeutische Optionen immer wichtiger werden“, so Grimmer. Ziel sei es daher, eine Veränderung von einer ausschließlich klinisch gestützten hin zu einer biomarkerbasierten Diagnostik zu erreichen. Hierzu eingesetzt werden gegenwärtig Liquor-Untersuchungen auf Amyloid- und Tau-Proteine, PET (Positronen-Emissions-Tomografie)-Scans mit radioaktiv markierten Tracern, die an Amyloid-Plaques binden, sowie mittelfristig auch einfachere, noch in der Entwicklung und klinischen Validierung befindliche blutbasierte Biomarker-Tests (4, 6, 7).
Frühe Diagnose eröffnet Therapiechancen
Die hierdurch deutlich frühere und sicherere Diagnose ermöglicht es, Therapieentscheidungen einfacher und rascher treffen zu können als bisher. Dies ist vor allem deshalb wichtig, da sich derzeit neue, potenziell
krankheitsmodifizierende Medikamente für frühe, symptomatische Stadien der Alzheimer-Krankheit in der Entwicklung befinden. Aufgrund der steigenden Erkrankungszahlen werden neue Medikamente benötigt, die das Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit verzögern, verhindern oder Symptome mildern können (8). Voraussetzung hierfür wäre, dass sie in einem möglichst frühen Stadium zum Einsatz kommen, d.h. bereits bei Nachweis eines MCI in Kombination mit einer durch Biomarker gestützten Alzheimer-Diagnose (9). „Unsere Gesellschaft muss sich entscheiden, ob sie der Behandlung demenzieller Syndrome eine vergleichbare Beachtung schenken möchte, wie beispielsweise der Behandlung von Krebserkrankungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dafür müssen entsprechende Versorgungsstrukturen für die Früherkennung sowie eine ausreichende Kostendeckung für eine biomarkerbasierte Frühdiagnostik gewährleistet sein“, so Grimmer abschließend.
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(1) Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. (2022). Informationsblatt 1 – Die Häufigkeit von Demenzerkrankungen. Abrufbar unter: https://www.deutsche-alzheimer.de/fileadmin/Alz/pdf/factsheets/infoblatt1_haeufigkeit_demenzerkrankungen_dalzg.pdf, Letzter Zugriff: 26.09.2023.
(2) Selkoe DI, Hardy J. EMBO Mol Med 2016 Jun 1; 8(6): 595–608.
(3) Aisen PS, et al. Alzheimers Res Ther 2017; 9: 60..
(4) Porsteinsson AP, et al. J Prev Alzheimers Dis 2021; 8(3): 371–386.
(5) Cordell CB, et al. Alzheimers Dement 2013; 9(2): 141–150.
(6) Alzheimer’s Association. Alzheimer’s Dement 2020; 16: 391–460.
(7) Tijms Bm, et al. Brain 2020; 143: 3788–3792.
(8) Cummings J, et al. Alzheimers Dement (N Y) 2023; Mai 25; 9(2): e12385.
(9) Jessen F, et al. Nervenarzt 2023 Jul; 94(7): 609–613.