Mangel an Hausärzt:innen führt zu Unterversorgung
Immer mehr Ärzt:innen gehen in den kommenden 5 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand und suchen händeringend nach einer Nachfolge für ihre Praxis. Laut Studie der Robert Bosch Stiftung werden 2035 11.000
Hausärzt:innen deutschlandweit fehlen. In den Randbezirken Berlins wurden in den letzten Jahren bereits allgemeinmedizinische Praxen geschlossen, ohne dass diese Sitze neu besetzt wurden. Die Folge: Umliegende Arztpraxen verzeichneten einen enormen Zuwachs an Patient:innen, der teilweise nicht mehr zu bewältigen ist. Das Ausmaß der Unterversorgung ist erst so richtig abzusehen, wenn man eine der dort verbliebenen Praxen in einem unterversorgten Bezirk führt. Frau Dr. med. Kathrin Wellnitz konnte aufgrund der
Auslastung bzw. Überlastung bereits seit mehr als 10 Jahren keine Neupatient:innen mehr mit gutem Gewissen annehmen. Sie behandelt aber selbstverständlich Notfälle und unbekannte Akutpatient:innen, da ihr dies ihre berufliche und moralische Verantwortung gebietet. Dies z.T. auf eigene Kosten und auf Kosten der eigenen Gesundheit.
Zu hohe Auslastung: Immense Belastung für praktizierende Ärzt:innen
Diese Schwemme an unversorgten Patient:innen und die bereits hohe Auslastung durch einen demographisch ebenfalls alternden Patientenstamm führen zu einer immensen Belastung für die noch praktizierenden Ärzt:innen. Besonders eine Sorge scheint über allem zu schweben: Was passiert mit meinen Patient:innen, wenn ich meine Praxis schließe? Aber auch der Umstand, dass Ärzt:innen in einem Alter von Anfang bis Mitte 60 noch die gesetzlich erforderlichen
Digitalisierungsmaßnahmen neben dem Tagesgeschäft implementieren müssen, bringt die meisten an ihre Grenzen. Laut einer Umfrage der HIMSS fühlten sich 97 % der befragten Ärzt:innen in den vergangenen paar Jahren mindestens einmal einem
Burnout.
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Personal im Gesundheitswesen vor Burnout
Erschienen am 04.03.2021 • Entlastung, psychosoziale Unterstützung und Prävention im Gesundehitswesen dringend erforderlich, mehr auf wwwjournalmed.de.
Erschienen am 04.03.2021 • Entlastung, psychosoziale Unterstützung und Prävention im Gesundehitswesen dringend erforderlich, mehr auf...
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Erfahrungen einer Ärztin: So funktioniert eine Praxisübernahme reibungslos
Dr. med. Kathrin Wellnitz verkaufte Mitte 2022 ihre Arztpraxis, die sie seit mehr als 20 Jahren führt, an Doktor.De. Als nun erstmals nach Jahrzehnten angestellte Ärztin wird sie weiterhin bis zu ihrem Ruhestand in ihrer Praxis tätig sein und kann sich gänzlich auf die Arbeit an Patient:innen fokussieren. Personelle und finanzielle Belange sowie wirtschaftliche Risiken, die eine Selbstständigkeit mit sich bringt, übernimmt Doktor.De. Ebenso kümmert sich Doktor.De um die Umsetzung und Implementierung von
Digitalisierungsmaßnahmen. So etwa den Anschluss an die Telematikinfrastruktur (TI) und die Sicherstellung einer umfassenden Interoperabilität und Datensicherheit.
Bei der Auswahl des passenden medizinischen Nachwuchses, der sie in Ihrer Praxis unterstützt, hatte die leitende Ärztin Frau Dr. Wellnitz die alleinige Entscheidungsgewalt. Aufgrund neuer flexibler Arbeitszeit- und -Ort-Modelle, die durch Doktor.De möglich werden, dauerte die Suche nach einer weiteren Ärzt:in lediglich rund 3 Monate und das in einem medizinisch stark unterversorgten Gebiet. Durch die Kombination der erfahrenen Medizinerin mit dem jungen
Facharzt erhofft sich Doktor.De ein beständiges Weiterlernen auf beiden Seiten und vor allem die Aufrechterhaltung der Versorgung in dem Gebiet.
Diese Punkte sind wichtig für eine reibungslose Praxisübernahme:
Der richtige Zeitpunkt, die Praxisabgabe in Angriff zu nehmen
Die Nachfolgeregelung der eigenen Praxis sollte 3 bis 4 Jahre vor dem Ruhestand in Angriff genommen werden, um die Nachfolgersuche und die
Praxisübergabe möglichst reibungslos zu gestalten. Das gilt besonders dann, wenn die zu übergebende Praxis auf dem Land oder in einem unterversorgten Gebiet liegt, da die Suche in diesen Fällen mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann. Zudem kann die Suche durchaus längere Zeit in Anspruch nehmen, wenn direkt mehr Praxeninhaber in den Ruhestand gehen und Sitze vakant werden. Befindet sich die Praxis hingegen in einem gesperrten Planungsbereich, ist die Übergabe reglementiert und erfolgt über eine Ausschreibung der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung des Landes.
Den richtigen Nachfolger für die eigene Praxis finden
Wie finden Ärzt:innen den passenden Nachfolger für die eigene Praxis und das zeitnah vor dem Ruhestand? Und müssen es unbedingt Ärzt:innen sein, die die Praxis übernehmen? Zunächst sollten neben der Sicherung der medizinischen Belange der Patient:innen und der Sicherung der Arbeitsplätze des Praxispersonals auch die Zukunftswünsche der abgebenden Ärzt:innen offen und transparent zwischen den Parteien besprochen werden. Eine Alternative zur Übernahme der Praxis durch andere Ärzt:innen ist der Verkauf an ein Unternehmen aus dem Medizinsektor. Dies können MVZ von großen Klinikanbietern, von jungen, Digital-Unternehmen, die auch den Weg in die ambulante Primärversorgung wie AviMedical oder Doktor.De gefunden haben – oder von Ärzt:innen sein, die selbst ein Praxisnetzwerk aufgebaut haben. In persönlichen Gesprächen sollten die Abgeber:innen eruieren, welche Ziele die potentiellen Nachfolger:innen verfolgen, ob sie sich als gute Übernahmepartner:innen eignen und ob Wünsche und Zielvorstellungen übereinstimmen. Wichtig ist, dass bei der Übernahme durch MVZ oder größere Verbünde häufig der Wunsch besteht, dass die abgebenden Ärzt:innen noch einige Jahre mit an Bord bleiben, um den Übergang so sanft wie möglich zu gestalten, den Nachwuchs einzuarbeiten und den Übergang des Sitzes in das MVZ zu ermöglichen.
Die Praxisbewertung
Der Wert einer Praxis wird nicht allein durch die Wirtschaftlichkeit ermittelt, sondern ist vom Standort, Wettbewerbssituation, Demografie der angestellten Ärzt:innen, dem Patientenstamm, der medizinisch-technischen Ausstattung sowie Qualifikationen des Personals, der Länge der Praxiszugehörigkeit des Personals und dem angebotenen Leistungsspektrum abhängig. Diese Bewertung bestimmt den materiellen und immateriellen Wert einer Praxis. Die Bundesärztekammermethode und die Eintragswertmethode gelten dabei als gängigste Vorgehensweisen. Informationen dazu gibt die KBV.
Sollten Sie die Praxis an ein MVZ oder ein größeres Unternehmen verkaufen, so werden sich die Käufer:innen von dem wirtschaftlichen und organisatorischen Status Quo der Praxis ein Bild machen wollen, da die Käufer:innen nach dem Kauf für alle wirtschaftlichen und rechtlichen Belange der Praxis einstehen muss. Daher gibt es einige Unterlagen, die Sie bzw. Ihr:e Steuerberater:in aufbereiten sollten, z.B.:
- betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA)
- Jahresabschlüsse der letzten 3 Jahre
- Arbeitsverträge der Mitarbeitenden
- Fortbildungnachweise der (angestellten) Ärzt:innen und Mitarbeitenden
- Darlehens-, Kauf-, Miet-, Wartungs- und Lieferantenverträge
- KV- Abrechnungen
Alternatives Modell – ein schrittweiser Übergang in den Ruhestand: als angestellter Arzt weiterarbeiten
Der Ärzt:innenberuf wird zunehmend unattraktiv. Grund dafür sind zahlreichen Studien zufolge die mangelnde
Work-Life-Balance, starre Arbeitszeiten, Zunahme der bürokratischen Tätigkeiten und wachsender wirtschaftlicher Druck. Vor allem junge Ärzt:innen präferieren die Anstellung in einer Praxis, wie eine jüngst veröffentlichte Analyse der Stiftung Gesundheit bestätigt. In einer großen Studie der Apo-Bank gaben 66% der weiblichen Medizinerinnen an, nur noch Teilzeit arbeiten zu wollen und lediglich weniger als 10% gaben an, die Einzelpraxis als Zukunftsbild des Arztberufes zu präferieren.
Doch die Vorteile sind auch für ältere Mediziner:innen interessant: Nicht nur wer Kinder, sondern auch Enkel hat oder grundsätzlich im Alter mehr Freiheit haben will, profitiert von flexiblen Arbeitszeitmodellen. Größere Praxis-Entitäten können diese Flexibilität häufig besser bieten als Einzelpraxen. Sie haben das nötige Kapital, um in entsprechende digitale Werkzeuge zu investieren. Gleichzeitig sinkt sowohl der Bürokratie-Anteil der Tätigkeit als auch die wirtschaftliche Verantwortung. Mediziner:innen können sich wieder ganz auf die konzentrieren, für die sie Mediziner:innen geworden sind: die Patient:innen.
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Erschienen am 24.03.2023 • Die Gesundheitssysteme stehen vor großen Herausforderungen. Es ist entscheidend, gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiter im Gesundheitswesen zu haben.
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