30. August 2022
Das Lipödem ist eine oftmals nicht erkannte und/oder falsch diagnostizierte Erkrankung, von der Schätzungen zufolge rund 10% der weiblichen Gesamtbevölkerung betroffen sind (1). Charakteristisch ist eine überproportionale, symmetrische Verteilung von Körperfett an den Extremitäten, während der Körperstamm relativ schlank bleibt (2). Die Patientinnen leiden an Schmerzen, eingeschränkter Gelenkbeweglichkeit, Hämatomen, Ödemen und sind oftmals auch psychisch beeinträchtigt (3). Die Pathogenese der progredienten und schmerzhaften Lipödem-Erkrankung ist unbekannt, doch gelten die Beteiligung einer genetischen Disposition und Zusammenhänge mit Veränderungen des weiblichen Hormonstatus als weitgehend gesichert (1). Der Beitrag fasst aktuelle Hypothesen zur Pathogenese der Erkrankung zusammen und stellte aktuelle Empfehlungen für ihre Diagnose und Behandlung vor – speziell unter dem Aspekt moderner operativer Verfahren.
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In welchem Alter tritt ein Lipödem auf?
Das Lipödem ist eine chronisch-progrediente Erkrankung, die nahezu ausschließlich Frauen betrifft. Es liegen nur vereinzelte Kasuistiken von männlichen Betroffenen vor, die unter ausgeprägten hormonellen Funktionsstörungen litten oder hormonell behandelt worden waren (4, 5). Epidemiologische Schätzungen legen eine etwa 10%ige Prävalenz der Erkrankung in der weiblichen Gesamtbevölkerung nahe (1). Die ersten Manifestationen des Lipödems treten häufig in Lebensphasen auf, die durch eine hormonelle Umstellung gekennzeichnet sind: Pubertät, Schwangerschaft oder Menopause (1, 2). Obwohl das Lipödem bereits 1940 erstmals beschrieben wurde (6), fand die Erkrankung über viele Dekaden wenig Aufmerksamkeit. Inzwischen hat sich zwar das Bewusstsein für diese Frauenkrankheit erhöht, doch vergehen oftmals Jahre, bevor die richtige Diagnose gestellt und entsprechende Therapiemaßnahmen eingeleitet werden (7).
Was ist zur Pathophysiologie des Lipödems bekannt?
Die Pathogenese der Erkrankung ist nach wie vor unbekannt, wenngleich inzwischen viele Belege dafür vorliegen, dass sowohl genetische als auch hormonelle Faktoren an der Krankheitsentstehung beteiligt sind. So haben etwa bis zu 60% der Patientinnen eine ebenfalls betroffene Verwandte ersten Grades (8, 9). Stammbaumanalysen deuten auf einen autosomal-dominanten Erbgang mit unvollständiger Penetranz hin (10), doch scheinen die Veränderungen polygen vermittelt zu sein und Expressionsmuster von α- und β-Östrogenrezeptoren (ER) im weißen Fettgewebe zu betreffen (1, 11, 12). Um die genetische Basis des Lipödems besser zu verstehen, setzen Forschende heute auf einen multidisziplinären Ansatz zur Evaluation des Genoms, Transkriptoms und Methyloms (13). Hoffnungen ruhen dabei auf der Analyse des Gesamt-Exoms durch das Next-Generation-Sequencing(NGS)-Verfahren, mit dessen Hilfe Kandidatengene für das Lipödem bei Patientinnen und ihren nahen Verwandten gesucht werden sollen (13).
Was ist die Ursache für ein Lipödem?
Ist das Lipödem Östrogen-vemittelt?
Die Beobachtung, dass sich das Lipödem meist in Perioden der hormonellen Umstellung entwickelt, würde schon früh als Hinweis darauf gewertet, dass die Erkrankung Östrogen-vermittelt ist (11). Inzwischen gibt es zahlreiche Belege für diese Annahme, und es verdichtet sich die Erkenntnis, dass α- und β-ER eine Rolle im dysregulierten Fettgewebe beim Lipödem spielen. Dabei werden 2 Mechanismen diskutiert: Erstens könnten die Adipozyten in betroffenen Körperregionen höheres ER-α/ER-β-Verhältnis aufweisen, was vielfältige Fehlregulationen im Fettgewebe nach sich ziehen würde, etwa einen erleichterten Zugang von Fettsäuren und Glukose in die Adipozyten, eine verminderte Lipolyse sowie eine begünstigte Angiogenese und reduzierte Mitochondrienfunktion (14). Weiterhin wird eine verstärkte Produktion von steroidogenen Enzymen in den Adipozyten des subkutanen Fettgewebes diskutiert, die ihrerseits über eine parakrine Signalgebung ER-α aktivieren könnten (14). All dies zusammen würde dazu beitragen, dass sowohl die Adipogenese als auch die Fettablagerung in den Adipozyten zunehmen und damit auch die Fettdepots in den vom Lipödem betroffenen Körperregionen (14). Sollten sich diese Annahmen weiter erhärten, könnte die pathogenetisch kontrovers diskutierte Frage, ob das Lipödem eher durch eine Hyperplasie oder Hypertrophie des subkutanen Fettgewebes verursacht wird, möglicherweise dadurch beantwortet, dass beide Mechanismen zum Krankheitsgeschehen beitragen. Darüber hinaus scheinen auch frühe Schritte in der Zelldifferenzierung von Adipozyten zur Pathogenese beizutragen (15, 16). Eine aktuelle Publikation weist zudem darauf hin, dass sich extrazelluläre microRNAs, die aus der stroma-vaskulären Fraktion des Fettgewebes von Lipödem-Patientinnen und gesunden Frauen isoliert wurden, unterscheiden (17).
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Erscheinungsformen des Lipödems und Abgrenzung vom Lymphödem
Erschienen am 01.01.2017 • Aufgrund des mangelnden Bekanntheitsgrades und der häufig fehlenden Abgrenzung von der Adipositas, ist von einer großen Dunkelziffer an Betroffenen auszugehen. In den Fachkliniken wurde...
Erschienen am 01.01.2017 • Aufgrund des mangelnden Bekanntheitsgrades und der häufig fehlenden Abgrenzung von der Adipositas, ist von...
Liegt beim Lipödem eine primäre mikrovaskuläre Dysfunktion der Lymphgefäße vor?
Eine weitere Hypothese betont die Bedeutung einer primären mikrovaskulären Dysfunktion von Lymphgefäßen und Blutkapillaren für die Pathogenese des Lipödems (18, 19). Die Mikroangiopathie, die mit einem Übermaß an interstitieller Flüssigkeit einhergeht (20), wird wiederum wird auf einen hypoxischen Stimulus zurückgeführt, der seinerseits durch eine übermäßige Ausdehnung des Fettgewebes hervorgerufen worden sein soll (1). All dies trägt der Hypothese zufolge zur endothelialen Dysfunktion und damit vermehrter Angiogenese bei; alternativ bzw. ergänzend wird eine mechanische Lymphschädigung diskutiert (11, 21). Kapillarschäden und eine damit verbundene erhöhte kapilläre Permeabilität werden auch als Ursache für die beobachtete erhöhte Neigung zur Bildung von Hämatomen und Petechien bei Frauen mit Lipödem vermutet (18). Die für das Lipödem typische erhöhte Schmerzwahrnehmung wird auf eine Dysregulation lokoregionaler sensorischer Nervenfasern durch inflammatorische Prozesse zurückgeführt, wobei diese Annahme lediglich auf Einzelfallberichten beruht. Es liegen keine belastbaren Daten dazu vor, ob bei Patientinnen mit Lipödem Entzündungsmarker durchgängig und relevant erhöht sind (1, 15).
Klinisches Bild und Diagnostik des Lipödems
Charakteristisches klinisches Zeichen eines Lipödems ist ein deutliches Missverhältnis zwischen einem relativ schlanken Körperstamm und vergleichsweise dicken, säulenartig wirkenden Extremitäten mit lokalisierter symmetrischer Vermehrung des Unterhautfettgewebes (Abb. 1). In etwa einen Drittel der Fälle sind auch die Arme betroffen; Hände und Füße jedoch nicht (1, 2). Weitere klinische Manifestationen, die auf eine Lipödem-Erkrankung hinweisen, sind im Textkasten zusammengefasst (1, 2).
Klinische Kriterien für die Diagnose eines Lipödems (mod. nach (1, 2))
Beginn mit Pubertät, Schwangerschaft oder Menopause
bilaterales, symmetrisches, disproportioniertes Fettgewebe, Hypertrophie an den Gliedmaßen
keine Beteiligung der Hände und Füße (Manschettenphänomen)
bei ca. 30% Beteiligung der Arme
negatives Stemmer-Zeichen*
Schwere- und Spannungsgefühl in betroffenen Gliedmaßen
Druck- und Berührungsschmerz
ausgeprägte Neigung zur Hämatombildung
kein reduzierter Umfang der Extremitäten bei Gewichtsreduktion bzw. Kalorienrestriktion
Verschlechterung der Symptome im Laufe des Tages
Teleangiektasien und sichtbare Gefäßstrukturen um die Fettdepots
Hypothermie der Haut
*im Fall eines sekundären Lymphödems, das in sehr fortgeschrittenen Krankheitsstadien des Lipödems auftreten kann, kann das Stemmer-Zeichen auch positiv sein.
Einteilung des Lipödems nach Schweregrad
Auf Basis der Morphologie wird das Lipödem in 3 Schweregrade eingeteilt,
wobei sich Grad 1 durch noch glatte Oberflächen mit gleichmäßig verdickter, homogen imponierender Subkutis,
Grad 2 bereits durch eine unebene, überwiegend wellenartige Hautoberfläche mit knotenartigen Strukturen im verdickten Subkutanbereich und
Grad 3 durch eine ausgeprägte Umfangsvermehrung mit überhängenden Gewebeanteilen auszeichnet (1, 2).
Die Symptome und der subjektive Leidensdruck der betroffenen Frauen sind nicht notwendigerweise mit dem Schweregrad der Erkrankung korreliert (1, 2).
Diagnostik des Lipödems
Im Rahmen der Diagnostik sollten – neben der Dokumentation der genannten klinischen Zeichen – das Körpergewicht, der Body-Mass-Index (BMI), die Waist-to-Hip-Ratio, die Waist-to-Height-Ratio und der Umfang der betroffenen Extremitäten ermittelt und regelmäßig gemonitored werden (1). Das Schmerzempfinden kann mittels der visuellen Analogskala ermittelt werden, doch auch ein einfacher Kneiftest an den Beinen, der Frauen mit Lipödem als sehr unangenehm oder schmerzhaft empfunden wird, kann im Rahmen der Diagnostik hilfreich sei (1). Die Hämatomneigung kann von den Patientinnen direkt erfragt werden. Darüber hinaus können weitere diagnostische Verfahren wie etwa die Doppler-Sonographie sowie eine Fibroscan-Untersuchung zur Detektion fibrotischer Veränderungen im Unterhaut-Fettgewebe hilfreich sein.
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Lipödem: Studie zu Vor- und Nachteilen der Liposuktion
Erschienen am 23.04.2019 • Das ZKS wird eine Studie zu den Vor- und Nachteilen der Liposuktion bei Lipödem durchführen – Lesen Sie mehr auf www.journalmed.de!
Erschienen am 23.04.2019 • Das ZKS wird eine Studie zu den Vor- und Nachteilen der Liposuktion bei Lipödem durchführen – Lesen Sie...
Ungeachtet der bisher nicht geklärten Pathogenese des Lipödems stehen symptomatisch orientierte therapeutische Interventionsmöglichkeiten, zur Verfügung, die den Leidensdruck betroffener Frauen deutlich senken und die Symptomatik der Erkrankung lindern können. Eine kausale Therapie existiert bisher nicht (1, 2).
Physikalische Entstauungstherapie bei Lipödem
Als erstes wird in der Regel eine konservative, physikalische Entstauungstherapie eingeleitet – mit hochwertiger Kompressionsbehandlung (meist mit maßangefertigten, flachgestrickten Kompressionsstrümpfen der Klasse II) und ggf. lebenslanger manueller Lymphdrainage, idealerweise ergänzt durch körperliche Aktivität. Weitere Bestandteile des konservativen Managements sind psychosoziale Therapie, Physiotherapie und Bewegungstherapie, Ernährungsberatung und Gewichtskontrolle sowie die Aufklärung der Patientinnen zum Selbstmanagement (1). Speziell Übergewicht sollte vermieden werden, da Frauen mit Lipödem nicht nur ein erhöhtes Risiko für Fettleibigkeit haben, sondern das Übergewicht darüber hinaus die Manifestationen des Lipödems verschlimmert (22). Es mehren sich Hinweise, dass eine mediterrane Ernährungsweise (23) oder eine kohlenhydratarme Diät (24) für Frauen mit Lipödem besonders vorteilhaft sein könnte.
Physikalische Entstauungstherapie verringert Symptome bei Lipödem
Um Frustrationen zu vermeiden, sollten die Patientinnen im Vorfeld erfahren, dass das Hauptziel der konservativen Behandlung darin besteht, die Symptome zu lindern, und nicht darin, den Umfang der Extremitäten relevant zu vermindern. In verschiedenen Untersuchungen war bestenfalls eine moderate Reduktion des Gewebevolumens in der Größenordnung von 5-10% erreichbar (vgl. 1). Diese reichte aber aus, um den Druck- und Berührungsschmerz und das Druckgefühl in den Extremitäten deutlich zu mindern und dadurch die Lebensqualität der betroffenen Frauen zu verbessern (10, 25-27). Die konservative Therapie soll zudem dazu beitragen, Komplikationen der Erkrankung zu verhindern, etwa Hautläsionen in fortgeschrittenen Krankheitsstadien (10).
Physikalische Entstauungstherapie verringert nicht das Fortschreiten des Lipödems
Beginn, Umfang und Dauer der konservativen Behandlung sind mit der Patientin unter Berücksichtigung des individuellen Leidensdrucks abzustimmen. In der Regel ist die Behandlung als langfristig bzw. lebenslang zu planen, falls nicht andere, etwa operative, Verfahren in Erwägung gezogen werden. Belastbare Daten für einen Langzeit-Benefit der konservativen Therapie liegen nicht vor (1). Unter Expert:innen besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass die komplexe nicht-operative Behandlungsstrategie die Symptomatik der Betroffenen zwar lindern, das Fortschreiten der Erkrankung allerdings nicht verhindern kann (1).
Operative Behandlung des Lipödems
Wenn unter einer konservativen Behandlung die Symptome der Patientinnen persistieren und/oder die Lebensqualität eingeschränkt bleibt, steht als chirurgische Option die therapeutische Liposuktion zur Verfügung. Es handelt sich um ein schonendes, operatives Verfahren, das eine langfristige Entfernung des Fettgewebes bei bestmöglicher Schonung von Nerven, Lymph- und Blutgefäßen und minimiertem Blutungsrisiko erlaubt(1, 28). Seit Einführung der Tumeszenz-Lokalanästhesie und dem Einsatz stumpfer Mikrokanülen (2 bis 4 mm Durchmesser) gilt die Liposuktion als komplikationsarmes Standardverfahren (29). Dabei werden mehrere Liter einer 0,036-prozentigen Betäubungslösung mit einem Gemisch aus Lidocain und Prilocain in den Subkutanraum infiltriert. Die Lösung schwemmt das Fettgewebe auf, sodass es sich nach kurzer Einwirkzeit mittels der mit hoher Frequenz (4.000 Hz) vibrierenden Mikrokanülen leicht vom umliegenden Gewebe lösen lässt (29). Dabei wird sichergestellt, dass nur das locker zwischen den Bindegewebsstrukturen liegende Fett entfernt und umliegende Nerven und Gefäße weitgehend geschont werden. Dies trägt zu einer schnellen Heilung und sehr guten kosmetische Ergebnissen bei (29). Ähnlich verläuft die Wasserstrahl-assistierte Liposuktion, doch erfolgen hier die Injektion der Tumeszenzlösung und die Absaugung in einem ein Vorgang.
Wie wird der operative Eingriff beim Lipödem durchgeführt?
Der Eingriff bzw. die Eingriffe – denn meist sind mehrere notwendig – kann ambulant unter reiner Lokalanästhesie, aber auch stationär unter Vollnarkose durchgeführt werden. Beim stationären Vorgehen kann mehr Fettgewebe pro Eingriff entfernt werden (ca. 10 Liter versus maximal 6 Liter beim ambulanten Eingriff), doch ambulante Operationen ohne Vollnarkose sind vermutlich mit weniger Komplikationen verbunden. Da die Frauen direkt nach der OP bereits wieder mobil sind, wird beispielsweise das Risiko für Lungenembolien auf ein Minimum reduziert.
Therapeutische Liposuktion des Lipödems ist nicht mit ästhetischer Fettabsaugung vergleichbar
Operative Eingriffe beim Lipödem sollte von erfahrenen Operateur:innen, die mit dem Krankheitsbild und den Operationstechniken vertraut sind, durchgeführt werden (29). Denn die therapeutische Liposuktion beim Lipödem hat wenig mit Fettabsaugungen aus ästhetischen Gründen zu tun. Beim Lipödem ist das chirurgische Vorgehen vergleichsweise radikal; es müssen vergleichsweise große Volumina an Fettgewebe entfernt werden, weil sich das pathologische Gewebe ansonsten zurückbilden kann. Es gibt aber auch Körperregionen, in denen etwas mehr Unterhaut-Fettgewebe zurückbleiben sollte, damit das operative Ergebnis für die Patientinnen voll zufriedenstellend ist (Abb. 2). Für all diese Entscheidungen braucht es neben der richtigen Technik auch einen Erfahrungsschatz. Patientinnen mit Lipödem, die eine Liposuktion planen, sollten sich daher Zeit nehmen, bevor sie sich für eine Operateurin/einen Operateur entscheiden und durchaus auch einmal mehrere Meinungen einholen. Im Anschluss an den Eingriff ist eine physiotherapeutische Nachbetreuung mit Lymphdrainage über einen begrenzten Zeitraum ist unbedingt zu empfehlen (29).
Es muss konstatiert werden, dass die vorliegende Evidenz für den Einsatz einer therapeutischen Liposuktion beim Lipödem lediglich auf 5 Beobachtungsstudien beruht (30–34), die auf ein postoperatives Follow-up von bis zu 12 Jahren zurückblicken. Daten aus prospektiven randomisierten Studien liegen bisher nicht vor. Die Beobachtungsstudien zeigen unisono Verbesserungen sowohl in subjektiven (Schmerzempfinden, Spannungsgefühl, Hämatomneigung, Lebensqualität) und in objektiven Kriterien wie Beinumfang sowie Notwendigkeit einer konservativen Behandlung, die bis zu 12 Jahre ohne relevante Verschlechterung anhalten (30). Die Komplikationsraten der Eingriffe waren niedrig und entsprachen den berichteten Raten nach Fettabsaugung bei größeren Kohorten von Patienten ohne Lipödem (1% Blutung, 4% Erysipel, 4,5% Wundinfektion) (1).
Lipödem: Aktuelle Studien
Derzeit läuft die erste randomisierte, kontrollierte multizentrische Investigator-verblindete klinische Studie, die die Wirksamkeit und Sicherheit der therapeutischen Liposuktion mit der einer komplexen physikalischen Entstauungstherapie bei rund 400 Patientinnen mit Lipödem vergleicht (35). Darüber hinaus wird der langfristige therapeutische Nutzen der Liposuktion derzeit in einer vom Gemeinsamen Bundesausschuss geförderten prospektiven, randomisierten, multizentrischen Studie untersucht (36).
Therapeutische Liposuktion beim Lipödem überwiegend keine Kassenleistung
Anders als bei der konservativen Therapie werden die Kosten für eine therapeutische Liposuktion derzeit überwiegend nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Lediglich für Patientinnen mit einem Stadium-III-Lipödem, die bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllen und mindestens 6 Monate lang konservativ behandelt wurden, ist die operative Therapie seit Januar 2020 und bis längstens 31. Dezember 2024 befristet erstattungsfähig (37). Alle anderen Frauen müssen, solange die Ergebnisse der G-BA-Erprobungsstudie (36) noch nicht vorliegen, die Behandlung selbst zahlen. Wird die medizinische Notwendigkeit der Liposuktion vor Therapiebeginn durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes einer Krankenversicherung anerkannt, besteht aber die Chance, dass das Finanzamt die Kosten der Eingriffe zumindest als außergewöhnliche Belastung anerkennt.
Dr. med. Oskar Oehling
Internist und Lymphologe – Spezialgebiet Lipödem-Chirurgie/ambulante OP-Praxis