Journal MED
Infektiologie
Inhaltsverzeichnis

Besiedlung – Infektion – Erkrankung

Besiedlung

Einer Pneumokokken-Erkrankung geht stets eine endogene Infektion voraus, also nicht eine akute Ansteckung bei einer anderen, bereits infizierten Person. Und einer solchen endogenen Infektion liegt in aller Regel eine bakterielle Besiedlung zugrunde, die meist über eine längere Zeit vorbesteht und bevorzugt den Nasen-Rachenraum umfasst. Denn in dem feucht-warmen Milieu und unter dem relativ hohen CO2-Gehalt finden die Bakterien ihre optimalen Lebensbedingungen und auch genügend Nährstoffe im Rahmen ihrer fermentativen Kohlenhydratverwertung, wohingegen sie außerhalb dessen sehr empfindlich reagieren und schon nach relativ kurzer Zeit untergehen. Am stärksten ausgeprägt ist das Keimträgertum bei kleinen Kindern, insbesondere unter 2 Jahren, von denen 1 bis 2 von 3 eine Pneumokokken-Besiedlung aufweisen. Ob sich unter Erwachsenen Keimträger befinden oder nicht, hängt in großem Maße von der jeweiligen Familiensituation ab. So ist bei Erwachsenen ohne Kinder eher eine geringe Besiedlungsfrequenz zu beobachten. Bei Eltern mit kleinen Kindern steigt die Besiedlung aber wieder an und ist auch bei älteren Menschen erhöht. Die Kolonisation der oberen Atemwege mit Pneumokokken ist allerdings in allen Altersgruppen in den meisten Fällen unproblematisch und folgenlos, solange die – mehrstufigen – Abwehrmechanismen des Immunsystems intakt sind.

Infektion

Liegt jedoch eine Abwehrschwäche vor, kann die Kolonisation in eine Infektion übergehen. Dabei kommt der Schleimhautbarriere als erster Schutzbastion eine wesentliche Rolle in der Infektabwehr zu. Aus diesem Grund können virale ARE in Kombination mit Pneumokokken-Kolonisation eine verhängnisvolle Allianz darstellen. Zu den prominenten viralen Erregern, die zu einer Schädigung des Schleimhautepithels und der es schützenden Schleimschicht beitragen können, zählen insbesondere das respiratorische Synzytial-Virus (RSV) und Influenza-Viren.

Erkrankung

Eine Infektion des Schleimhautepithels selbst ist zunächst lokal begrenzt und präsentiert sich deshalb je nach Lokalisation in unterschiedlichen Krankheitsbildern, die von Rhinitis und Sinusitis über Otitis media bis hin zu lokal begrenzten Pneumonien reichen. Kommt es über diese Organgrenzen hinweg wiederum zu einem Durchbruch, so gelangen die Pneumokokken in die Blutbahn. Ob und inwieweit dieser Schritt verhindert werden kann, hängt im Wesentlichen von der Immunkompetenz des Infizierten ab. Und diese besteht insbesondere in der Fähigkeit des erworbenen Immunsystems und seiner zellulären und humoralen Bestandteile, eine spezifische und somit passende Antwort auf die bakteriellen Krankheitserreger zu finden und – rechtzeitig – auszubilden. Denn unter für das Bakterienwachstum optimalen Bedingungen (Laborbedingungen) ist mit einer Verdopplung der Keime alle 30 – 40 Minuten zu rechnen. Die damit einhergehende Bakteriämie gipfelt dann in den gefürchteten IPD, die als foudroyante Verlaufsformen der Pneumonie, seltener als Endokarditis und häufiger als Meningitis sowie auch als Pneumokokken-Sepsis imponieren können.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema:

Mit Impfungen Leben retten: Prävention bei RSV, Pneumokokken, Influenza und SARS-CoV-2

Jetzt lesen

Polysaccharidkapsel als wesentlicher Virulenzfaktor der Pneumokokken

Bei S. pneumoniae handelt es sich um grampositive Diplokokken, unter denen inzwischen 107 verschiedene Serotypen identifiziert werden konnten (1). Diese unterscheiden sich durch Zusammensetzung und Größe von Polysacchariden, die mit Ausnahme der Serotypen 3 und 37 in der Zellwand der Pneumokokken verankert sind und in ihrer Gesamtheit eine Kapsel um den Mikroorganismus bilden. Diese Polysaccharide fungieren zusammen mit Oberflächenproteinen der Zytoplasma-Membran und der dicken Peptidoglykanschicht (Zellwand) einerseits als Instrumentarien zur Anheftung an Strukturen in einem geeigneten Umfeld. Andererseits bieten sie zugleich einen Schutz vor Phagozytose durch Immunzellen des besiedelten Wirtsorganismus. Dieser physikalische Schutzeffekt fällt umso größer aus, je dicker die Kapsel ist.

Weitere Virulenzfaktoren konterkarieren die mehrstufige Immunantwort

Die mukosale Barriere, die passiv aus Schleimhautepithel mit Zilienbesatz und Schleimschicht besteht und aktiv durch mukoziliäre Clearance und Sekretion antibakterieller Substanzen tätig ist, wird von den Pneumokokken mit Strategien zur Auflösung der schützenden Schleimschicht und zur verbesserten Anheftung an die Wirtszellen beantwortet. Die Aktivierung des angeborenen Immunsystems mit konsekutiver Bildung von unspezifischen Antikörpern mit relativ kurzer Halbwertszeit (IgM) und lokal in der Schleimschicht wirksamen Antikörpern mit mittlerer Halbwertszeit (IgA) bleibt ebenfalls nicht unbeantwortet. Mit der Bildung von IgA-Proteasen zum Abbau von mukosalem IgA und der Sezernierung von Pneumolysin (Hämolysin) zur Auflösung von Phagozyten und Lymphozyten leiten die Pneumokokken wiederum wirksame Gegenmaßnahmen ein.

Schützenhilfe durch virale ARE-Erreger – eine unheilvolle Allianz

In ihrer Konkurrenz um die mukosale Barriere sowie mit den innaten und adaptiven, zellulären und humoralen Bestandteilen des Immunsystems des Wirtsorganismus erhalten die zunächst noch nur die Atemwege besiedelnden Pneumokokken mitunter entscheidende Schützenhilfe. So besitzen virale ARE-Erreger, insbesondere Influenzaviren und RSV, Proteinbestandteile, die imstande sind, die mukosale Barriere entscheidend zu schwächen und somit durchlässig zu machen. In dieser Hinsicht tragen Influenzaviren durch direkte Schädigung des Zilienapparates der Atemwege dazu bei, dass der Abtransport der Bakterien unterbunden wird. Und bei einer RSV-Infektion werden befallene Flimmerepithelzellen der Atemwege durch den Viruseinfluss derart miteinander verschmolzen, dass es zur typischen Synzytienbildung kommt. Die mehrkernigen Zellkonglomerate gehen mit Entzündungen, Ödemen und Abschilferungen der Atemwege einher und bieten somit den besiedelnden Pneumokokken ideale Eintrittspforten.

Vulnerabilität aufgrund unzureichender Immunkompetenz

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass es im Falle einer akuten, diagnostisch gesicherten Pneumokokken-Erkrankung müßig ist, nach ihrem Ursprung zu fahnden. Denn zum einen lässt sich der initiale bakterielle Eintrag aufgrund der langen Latenz zwischen Kolonisation, Infektion und klinischer Symptomatik ohnehin nicht mehr rekonstruieren. Und zum anderen sind Aufschlüsse über die Ursachen der Erkrankung eher in den einzelnen Aspekten der Abwehrschwäche zu suchen als im Zeitpunkt des Bakterien-Erwerbs. In diesem Zusammenhang sind allgemein und generell vor allem kleine Kinder unter 2 Jahren wegen ihres noch nicht ausgereiften Immunsystems gefährdet sowie ältere Menschen über 60 Jahren im Kontext ihrer nachlassenden Immunkompetenz infolge Immunoseneszenz. Einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Erkrankungsrisiko scheint allerdings die besondere Pathogenität des jeweiligen Pneumokokken-Serotyps zu haben.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema:

Effektivierter Schutz vor Atemwegserkrankungen bei vulnerablen Personen

Jetzt lesen

Verschiedene Serotypen für unterschiedliche Virulenz verantwortlich

Unter den bislang mehr als 100 identifizierten und charakterisierten Pneumokokken-Serotypen gelten etwa ein Viertel bis die Hälfte als mittel- bis hochgradig virulent. Und einer weitaus geringeren Anzahl an bakteriellen Vertretern wird drüber hinaus die Besonderheit nachgesagt, für Krankheitsausbrüche in nennenswertem Ausmaß verantwortlich zu sein. Aufgrund dieser beiden Gesichtspunkte, ist es ein Bestreben, mit der Bereitstellung von mehrvalenten Impfstoffen eine möglichst breite Serotypen-Abdeckung zu erzielen, die der – von Land zu Land durchaus unterschiedlichen – Epidemiologie gerecht wird.

Pneumokokken-Impfung mit immer breiterer Serotypen-Abdeckung

Im Wettstreit zwischen Pneumokokken und Immunantwort verschaffen Impfungen nämlich einen entscheidenden Konkurrenzvorteil. Davon zeugt die Historie der Entwicklung und Bereitstellung von Pneumokokken-Vakzinen in den letzten 3 Dekaden. So wurde der in den 1970er Jahren entwickelte 23-valente Pneumokokken-Polysaccharid-Impfstoff (PPSV23) ab 1998 von der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) für alle Erwachsenen ab 60 Jahren empfohlen. Es folgte 2006 die Empfehlung des damals neuartigen 7-valenten Pneumokokken-Konjugat-Impfstoffes (PCV7) für alle Kinder unter 2 Jahren, die 2009 durch die neu lizensierten Impfstoffe PCV10 und PCV13 ergänzt bzw. ersetzt wurde. Nach Zulassung von PCV13 für alle Altersstufen 2015 wurde ein Jahr später die sequentielle Impfung – PCV13, gefolgt von PPSV23 – für Hochrisikopatienten empfohlen. Auf die Zulassung der höhervalenten Konjugatimpfstoffe PCV15 und PCV20 im Jahr 2022 folgte 2023 die STIKO-Empfehlung von PCV20 als einzigem Impfstoff für die Standardimpfung ab 60 Jahren und die Indikationsimpfung ab 18 Jahren (2).

Fortentwickelte Impfstoffe zum effektiveren Schutz: Konjugat-Impfstoffe

Somit konnte durch die Fortschritte der modernen Impfstoff-Technologie nicht nur eine immer breitere Abdeckung der infektiösen Serotypen erreicht werden, sondern durch die generelle Umstellung auf Konjugat-Vakzinen nun auch bei den älteren Menschen eine wesentlich verbesserte und prolongierte Immunantwort. Ursprünglich wurden Konjugat-Vakzinen speziell für Kleinkinder unter 2 Jahren entwickelt, da das kindliche Immunsystem die Polysaccharide der bekapselten Pneumokokken noch nicht als immunogen wahrnehmen kann. Aber auch bei Erwachsenen weisen die Polysaccharide eine nur begrenzte Immunogenität auf, die mit fortschreitendem Alter zudem immer weiter zurückgeht. So führt eine alleinige Präsentation von Polysaccharid-Antigenen, wie es bei PPSV23 der Fall ist, weder zur ausreichenden Produktion mukosaler IgA-Antikörper noch trägt sie in nennenswertem Umfang zur Aktivierung langlebiger Memory-B-Zellen bei. Dagegen wird bei einem Konjugatimpfstoff durch die Koppelung eines immunogenen Proteins (mutiertes, nicht toxisches Diphtherietoxoid CRM197; bei PCV10 andere Trägerproteine: Protein D von Haemophilus influenzae, Tetanustoxoid und Diphtherietoxoid) an das Kapselpolysaccharid des jeweiligen im Impfstoff enthaltenen Serotyps zusätzlich zu der durch das Polysaccharid initiierten B-Zell-Aktivierung auch eine T-Zell-abhängige Immunantwort ausgelöst. Die aktivierten T-Helfer-Zellen wiederum befähigen B-Zellen zu einem spezifisch auf den jeweiligen Pneumokokken-Serotyp ausgerichteten Immunpriming, indem sie ihre Ausdifferenzierung in IgG-produzierende B-Memory-Zellen und darüber hinaus in Plasmablasten und langlebige Plasmazellen auslösen. Letztere residieren schließlich dauerhaft im Knochenmark und gewährleisten von dort aus eine permanent vorhandene und abrufbare Immunantwort, die nach heutigem Wissensstand – im Unterschied zur bisher üblichen PPSV23-Impfung bei Erwachsenen – möglicherweise keine wiederholten Impfungen mehr notwendig macht.

Pneumokokken-Impfung bietet hochwirksamen Individualschutz im Kindesalter

Nach Einführung und breiter Anwendung des 7-valenten Konjugat-Impfstoffes PCV7, der die Serogruppen 4, 6B, 9V, 14, 18C, 19F und 23F abdeckte, konnte bei Kindern unter 2 Jahren erstmals ein deutlicher Rückgang Pneumokokken assoziierter Erkrankungen dokumentiert werden. Während vor der generellen Impfempfehlung (Juli 2006) allein für Kinder unter 5 Jahren jährlich etwa 200 Meningitiden, davon 10 mit tödlichem Ausgang und 20 bis 40 mit Folgeschäden (Hörverlust und bleibende ZNS-Defekte) sowie etwa 300.000 Pneumokokken-Infektionen (ohne Meningitis), darunter etwa 200.000 Pneumonien gezählt wurden, gingen danach die Fallzahlen bei den unter 2-jährigen – nun Geimpften – um die Hälfte zurück (3). Der Trend auch in der deutlichen IPD-Reduktion setzte sich danach mit dem von 7 auf 13 Komponenten erweiterten Impfstoff fort. So bestätigten Daten aus der Pneumokokkensaison Mitte 2011 bis Mitte 2012 für Deutschland abermals einen drastischen IPD-Rückgang bei denjenigen 6 Serotypen (1, 3, 5, 6A, 7F und 19A), die zuvor noch nicht durch PCV7 abgedeckt werden konnten, um weit mehr als die Hälfte.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema:

Pneumokokken-Impfung: Beratungsgespräche haben hohen Einfluss

Jetzt lesen

Pneumokokken-Impfung: Problemkeime im Visier

Diese Minderung durch Impfung mit PCV13 ging mit -73% vor allem auf das Konto des Subtyps 19A, der in der Vergangenheit große Sorge bereitete, weil er sich als besonders aggressiv herausstellte und häufig Antibiotika-Resistenzen aufwies. Ferner erwies sich auch die Aufnahme des Serotyps 3 als günstig, da dieser mit einer sehr dicken Kapsel und hochgradiger Resistenz imponiert, wodurch er überaus häufig zu schweren AOM-Verläufen beizutragen imstande ist. Insbesondere gegenüber diesem Problemkeim konnte die abermals erweiterte Vakzine PCV15 in klinischen Studien mit einer gesteigerten Immunogenität aufwarten und damit auch den mit einem Fünftel aller Fälle prominentesten IPD-Verursacher erfolgreich adressieren. Neben der Erstaufnahme des Serotyps 33F in PCV15 geriet mit dem Serotyp 22F zudem ganz neu der damals dritthäufigste IPD-Kandidat ins Visier der Impfprophylaxe. PCV20 indes ergänzt den Vorgänger-Impfstoff PCV13 um 7 weitere Serotypen (8, 10A, 11A, 12F, 15B, 22F und 33F), die weltweit zu IPD führen und mit schwereren Krankheitsverläufen, einer hohen Mortalität und Antibiotikaresistenzen in Verbindung stehen. In Deutschland werden derzeit 56,3% der IPD bei Kindern unter 18 Jahren durch die Serotypen ausgelöst, die in PCV20 enthalten sind. Gegenüber der Serotypenabdeckung durch PCV13 in Höhe von 38,3% in der Saison 2022/23 bedeutet dies eine Steigerung um 18%.

Serotypen-Replacement als Problem des Impferfolgs

Diese Zahlen dokumentieren die ermutigenden Ergebnisse nach allgemeiner Einführung eines breit angelegten Impfschutzes gegen Pneumokokken-Erkrankungen im Kindesalter sowie die fortlaufenden Bemühungen um weitere Optimierung und machen zugleich deutlich, dass mit der Ausweitung der Serotypenabdeckung ein grundsätzliches Problem nicht beseitigt wird. Mit der erfolgreichen Adressierung zusätzlicher Serotypen und der entsprechenden Dezimierung besiedelnder Pneumokokken springen neue Serotypen in die entstandenen Nischen. Das sogenannte Serotypen-Replacement ruft also bisher noch nicht oder kaum in Erscheinung getretene Keime auf den Plan, über die auch nur begrenzte Erfahrungen mit ihrer möglichen Pathogenität und Virulenz vorliegen. Das – unausweichliche – Replacement erfordert also stetige Wachsamkeit und andauernde Bemühungen in der Entwicklung und Bereitstellung neuer Pneumokokken-Vakzinen auf immer besseren und innovativen Plattformen.

Ein weiteres Problem bei der Ausweitung der Serotypenabdeckung in einer mehrvalenten Konjugatvakzine besteht darin, dass die Immunogenität der einzelnen adressierten Serotypen mit der Anzahl tendenziell abnimmt. Das liegt daran, dass die jeweils unterschiedlichen Polysaccharide stets mit demselben immunogenen Protein gekoppelt und der Kapazität der Klonierung der spezifisch ausgerichteten Lymphozyten gewisse Grenzen gesetzt sind. Auch in dieser Hinsicht besteht also noch Verbesserungsbedarf bei der Entwicklung innovativer Impfstoff-Plattformen.

Kollektivschutz als Zusatznutzen des Impferfolgs

Dass auch bei Erwachsenen die in PCV13 enthaltenen Serotypen zurückgegangen sind, ist als klarer Hinweis auf einen Herdenschutz infolge der breit angelegten Kinderimpfung zu werten. Dieser Kollektivschutz ist insbesondere auf die mukosale Aktivität der Immunität nach Impfung zurückzuführen, die auch ein Keimträgertum bei den Geimpften deutlich reduziert. Zunächst mündete dies durchaus in einen Rückgang der übertragenen Keime auch bei Erwachsenen. Dass der Herdenschutz aber vermutlich begrenzt ist, verdeutlicht der relativ hohe Anteil von 30% IPD-Fällen durch PCV13-Serotypen, zu denen vor allem die Serotypen 3, 4, 19A und 19F zählen. Diese Beobachtungen legen nahe, dass ein gewisser Kollektivschutz für ältere Menschen zwar günstig ist, für Risikopersonen und insbesondere für Hochbetagte und Immunsupprimierte aber nicht ausreicht, weshalb für sie eine Impfung mit PCV20 gemäß aktueller STIKO-Empfehlung anzuraten ist.

Intelligente Impfstrategie zur Optimierung des Kollektivschutzes

Besonders aussichtsreich erscheint inzwischen eine intelligente Impfstrategie, die auf einem breiten Einsatz eines neuen 21-valenten Pneumokokken-Konjugat-Impfstoffes beruht, der soeben vom Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zur Zulassung bei Erwachsenen ab 18 Jahren empfohlen wurde. PCV21 ist ein speziell für Erwachsene entwickelter Pneumokokken-Impfstoff, der auf direkte und indirekte Effekte baut. 10 Serotypen wurden gegenüber PCV20 bewusst weggelassen (1, 4, 5, 6B, 9V, 14, 15B, 18C, 19F und 23F) und neue Serotypen, die bei Erwachsenen an Bedeutung gewonnen haben, aufgenommen. PCV21 deckt somit die Serotypen ab, die in der Saison 2022 / 2023 in Deutschland für 85,5% der IPD-Fälle bei über 60-Jährigen verantwortlich waren. Die 11 zusätzlichen Serotypen (9N, 15A, 15C, 16F, 17F, 20A, 23A, 23B, 24F, 31 und 35B), die in den derzeit zugelassenen Konjugat-Impfstoffen nicht enthalten sind, haben in Deutschland 2022 – 2023 etwa 17,5% aller IPD-Fälle bei Erwachsenen über 60 Jahren verursacht.

Wird nun in Zukunft eine kombinierte Impfstrategie umgesetzt, bei der Kinder unter 2 Jahren mit PCV15 oder PCV20 geimpft werden und Erwachsene mit PCV21, so profitieren die Erwachsenen nach wie vor vom Herdenschutz infolge der Kinderimpfung, ohne dass ein Wiederaufkommen der in PCV21 weggelassenen 10 Serotypen infolge eines Replacements befürchtet werden muss. Andererseits muss der verbesserte Impfschutz der Erwachsenen durch Neuaufnahme der 11 zusätzlichen Serotypen nicht unbedingt zu einem neuerlichen Replacement führen, da ja nicht alle Altersgruppen gleichermaßen mit diesem Impfstoff geimpft werden. Eine solche Impfstrategie wäre zwar auf Bevölkerungsebene wünschenswert, könnte aber auch schon in kleinerem Maßstab – auf Familienebene – zum Erfolg führen.

Literatur:

(1) Ganaie FA et al. (2025) Update on the evolving landscape of pneumococcal capsule types: new discoveries and way forward. Clin Microbiol Rev, DOI: 10.1128/cmr.00175-24.
(2) Robert Koch Institut: Epidemiologisches Bulletin 39/2023, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Aktuelles/Publikationen/Epidemiologisches-Bulletin/2023/39_23.pdf?__blob=publicationFile&v=5, letzter Zugriff: 05.03.2025.
(3) Hülße C., Heininger U. (2011) Ärzte Merkblatt – Pneumokokken, abrufbar unter: https://dgk.de/fileadmin/user_upload/Fachleute_pdf/Merkblatt_Pneumokokken_2011.pdf, letzter Zugriff: 05.03.2025.

Stichwörter